Ein zähes Jahr: Paderbornerin schildert ihren Kampf mit Corona-Langzeitfolgen

Paderborn . Die Infektion mit dem Coronavirus beeinflusst Lara K.s Leben noch heute. Dabei steckte sie sich am 7. März 2020 an. Die 27-Jährige möchte aus Angst vor Anfeindungen ihren vollen Namen nicht veröffentlichen. Im Gespräch mit der Neuen Westfälischen schildert sie ihren Genesungsprozess, der bis heute andauert.

Alles fing an mit einer Familienfeier in Münster. Dort infizierten sich Lara K. und ihre Schwester. Schon am Abend des Folgetags fühlte sie sich abgeschlagen und krank. Als sie auf Drängen ihrer Mitbewohner beim Gesundheitsamt anrief, beschrieb sie das Fehlen ihres Geschmacks- und Geruchssinns. Zu dem Zeitpunkt war das noch kein offizielles Symptom von Covid-19, daher blieb der Test erst einmal aus. Später wurde Lara K. sieben Mal negativ getestet. Erst Ende Mai erhielt sie Gewissheit, als bei einem Test Antikörper nachgewiesen wurden.

Die Kunststudentin lebt in der Paderborner Südstadt. Für den sonst 15-minütigen Weg zum Hausarzt brauchte sie zwischenzeitlich zwei Stunden. Selbst beim Weg zur Waschmaschine im Keller musste Lara K. pausieren, ihr wurde stets schwarz vor Augen.

Vier Wochen Rehabilitation

Im Juni 2020 wurde sie eine Woche lang im Brüderkrankenhaus behandelt. Es folgten vier Wochen Rehabilitation in der Klinik Martinusquelle in Bad Lippspringe. "Dort habe ich Menschen getroffen, mit denen ich mittlerweile sehr gut befreundet bin," sagt sie. Die Folgen ihrer Corona-Infektion waren unter anderem Kurzatmigkeit, Atemnot, Konzentrationsprobleme und Herzrasen. In der Reha habe sie körperlich Fortschritte machen können. "Aber ich bin noch lange nicht auf dem körperlichen Stand wie vor der Infektion." Dennoch habe sich mittlerweile schon viel gebessert.

Doch nach der Reha fiel sie in ein Loch. Das habe vor allem an der psychischen Belastung gelegen, die sie bis heute spürt. Es habe im vergangenen Jahr viele Menschen gegeben, die wenig Verständnis für ihre Erkrankung aufbrachten. "Ich konnte mir unzählige Male anhören, dass auch andere Menschen mit einer eingeschränkten Lungenfunktion zurecht kommen. Aber ich war ein sportlicher Mensch vor der Krankheit, heute ist das komplett anders", so Lara K. Sie befindet sich mittlerweile in psychologischer Behandlung, ihre Ärztin diagnostizierte, dass sie durch die Corona-Erkrankung traumatisiert ist. "Mein Körper musste extrem kämpfen. Das hat er bislang nicht verkraftet", sagt Lara K. dazu.

Gute und schlechte Tage

Mittlerweile habe sie gute und schlechte Tage. Ihre Atmung habe sich wieder normalisiert, alltägliche Besorgungen seien wieder möglich. Auch der Geruchs- und Geschmackssinn sei zurückgekommen. Dennoch liegt ihr Kunststudium seit ihrer Covid-Infektion auf Eis, denn sie könne zum Zeichnen die Hände noch nicht still halten. Zudem leide sie nach wie vor an Konzentrationsproblemen. Sie schaffe es beispielsweise nicht, ein Buch zu lesen. Der Blick in die Zukunft macht ihr Angst: "Ich weiß noch nicht, wann ich weiter studieren kann."

Das Long Covid-Syndrom Ralf-Dieter Schipmann ist Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Kardiologie der Klinik Martinusquelle des MZG Bad Lippspringe. Seinen Erfahrungen des vergangenen Jahres nach kann man Menschen, die positiv auf Covid-19 getestet wurden, in vier Gruppen einteilen. In der ersten sind Menschen, die sich infizieren, aber nicht krank werden. In der zweiten sind Leichterkrankte, sie machen laut Schipmann die größte Gruppe aus. Sie hätten leichte Symptome und würden für ein bis zwei Wochen ausfallen. In der dritten Gruppe sind Schwererkrankte, die auch lange auf Intensivstationen behandelt werden mussten.

In der vierten Gruppe sind Patienten, die nur eine kurze Zeit im Krankenhaus verbracht haben, bei denen die Symptome aber nach ein bis drei Monaten teilweise zurückkehren. Hier würde man von dem Begriff Long Covid sprechen. "Das betrifft zehn bis 20 Prozent der Patienten. Und das ist schon viel, denn bei der Grippe kennen wir das nicht", erklärt Schipmann. Die Symptome bei Long Covid seien vielschichtig. Viele Patienten würden von Erschöpfung, schneller Ermüdung, dem Gefühl von Luftnot und Schwindel berichten. "Doch wir machen die Erfahrung, dass die meisten von ihnen wieder ganz gesund werden", sagt er.

Gerade hat die Klinik Martinusquelle ihren Schwerpunkt Pneumologie ausgebaut. Bereits in den ersten zehn Wochen des Jahres sind mehr Post-Covid-Patienten in Bad Lippspringe angekommen als im ganzen vergangenen Jahr (180). "So viele pneumologische Patienten hatten wir noch nie. Aktuell sind allein 90 Menschen im Haus, die eine akute Corona-Erkrankungen hinter sich haben. Der Bedarf an Rehabilitation ist riesig", stellt Schipmann fest.

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