Bielefeld/Düsseldorf. Die Akten von hunderten ungelösten Mordfällen schlummern bei den Polizeibehörden in NRW. Einige Fälle sind Jahrzehnte alt. Nun stellt sich die NRW-Polizei bei den Ermittlungen von sogenannten Cold Cases neu auf. Wie das NRW-Innenministerium mitteilt, sollen mit einer besonderen Aufbauorganisation (BAO) und 28 neuen Stellen ungelöste Verbrechen der vergangenen 50 Jahre bearbeitet werden. Die Stellen sollen mit ehemaligen Ermittlern besetzt werden, die Erfahrung haben in der Tatortarbeit, Aktenführung oder der Leitung von Mordkommissionen. "Jeden Stein nochmal umdrehen" "Es ist kein Geheimnis, dass Cold Cases neben dem Tagesgeschäft bearbeitet werden müssen", betont Innenminister Herbert Reul (CDU). "Deshalb suchen wir pensionierte Mord-Ermittler, die sich intensiv um die Cold Cases kümmern können. Wir suchen Leute mit einer immer noch guten Spürnase, die Lust haben, jeden Stein nochmal umzudrehen, um die Täter zu kriegen." Ein Problem in NRW: Von den Polizeigewerkschaften wird immer wieder auf eine personelle Not hingewiesen. Gerade bei der Kriminalpolizei, die sich auch mit Mordermittlungen befassen, sei die Situation dramatisch. 1.160 Fälle seit 1970 Bereits seit 2017 baut das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) eine Datenbank für ungeklärte Tötungsdelikte auf. In diese Cold Cases-Datenbank sollen alle ungelösten Tötungsdelikte aus den vergangenen 50 Jahren aufgenommen werden. Alleine seit 1970 sind das insgesamt 1.160 Fälle, die von LKA-Fallanalytikern digital erfasst und anschließend analysiert werden. Bislang wurden 261 Fälle in die Datenbank aufgenommen und 23 Fälle neu aufgerollt. Auch aus OWL sind einige Fälle unter den Cold Cases. Zum Beispiel der Mord an der Schwesternschülerin Frauke Liebs, die 2006 während der WM in Paderborn verschwand. Mehrmals meldete sie sich bei Angehörigen - doch nach mehreren Monaten ohne Lebenszeichen wurde sie schließlich in einem Waldstück bei Lichtenau (Kreis Paderborn) tot aufgefunden. Oder der Mordfall Nelli Graf. Die Frau verschwand im Herbst 2011 in Halle (Kreis Gütersloh), wurde als vermisst gemeldet. Wenige Monate später wurde schließlich ihre Leiche zwischen Feld und Waldstück in dem Haller Ortsteil Kölkebeck gefunden. Was sind die Aufgaben? Die besondere Aufbauorganisation sei "quasi eine 'Cold Case-Sonderkommission' aus Ermittlern des LKA und der Kreispolizeibehörden", heißt es vom Innenministerium. Sie soll die Aufarbeitung systematisieren, verbessern und beschleunigen. "Wir sind deutschlandweit die Ersten und Einzigen, die die Aufarbeitung von ungelösten Fällen derartig strukturiert und zielgerichtet anpacken", sagte Reul. Losgehen soll es voraussichtlich ab Oktober dieses Jahres. Dann sollen die 28 "neuen Alt-Ermittler" ihre Arbeit in der BAO aufnehmen. Ihre Aufgaben: "Akten digitalisieren, Fälle strukturiert aufarbeiten, Aufklärungschancen erkennen und Ermittlungskonzepte erarbeiten", heißt es in einer Mittelung. Sofern sich neue Ermittlungsansätze ergeben, übernimmt die örtlich zuständige Kriminalpolizei die weitere Fallbearbeitung. Innenminister Reul: "Vielleicht gibt es neue Erkenntnisse oder neue Techniken, vielleicht auch neue Rechtsgrundlagen, weshalb es sich lohnt, einen Fall wieder aufzurollen. Schließlich haben die Angehörigen ein Recht darauf, dass diese Fälle aufgeklärt werden, wenn es eine neue Spur gibt."