Jüchen (dpa/bjp). Mehrere Windrad-Havarien haben in NRW eine Debatte um die Sicherheit der Riesenbauten entfacht. Ein neu gebautes Windrad in Haltern stürzte aus bisher ungeklärter Ursache fast vollständig ein. An einem baugleichen Exemplar war, wie jetzt bekannt wurde, schon vor Wochen ein Schaden festgestellt worden. In der Nacht zum 1. Oktober fing dann die sogenannte Gondel, der oberste Teil eines Windrads in Neuenkirchen (Kreis Steinfurt) Feuer. Gibt es Verbindungen? Und drohen weitere Havarien? Was genau ist passiert? Rückblick: Das Windrad in Haltern war am Mittwochabend in einem Waldstück in sich zusammengestürzt. Verletzt wurde niemand. Der Hersteller Nordex hatte laut eigenen Angaben nach Bekanntwerden des Einsturzes den Betreibern von bundesweit insgesamt 19 Anlagen den Stopp der Windräder dringend empfohlen, darunter waren auch fünf Anlagen in Jüchen. Das Windrad befand sich nach Angaben der Stadtwerke am Netz, als es einstürzte. Sehr windig war es laut Feuerwehr Haltern nicht. Am Freitag wurde dann bekannt, dass in einem anderen Windpark in Jüchen am Turm eines baugleichen Windrads schon im August ein Schaden festgestellt worden war. Diese noch nicht in Betrieb genommene Anlage sei damals vorsorglich umgehend stillgelegt worden, teilte der Energiekonzern RWE als einer der Betreiber des Windparks Jüchen am Freitag mit. Der Schaden sei gemeinsam mit dem Hersteller begutachtet und eine Neuberechnung der Statik angefordert worden. Erst Anfang dieser Woche sei mit dem Hersteller der Abbau der Rotorblätter, des Maschinenhauses und von Teilen des Turmes dieser Anlage vereinbart worden, hieß es weiter. Das Windrad in Haltern wird von einer anderen Gesellschaft betrieben, der RAG Montan Immobilien. RWE hatte nach dem Einsturz in Haltern auch die übrigen fünf baugleichen Anlagen des Windparks „Jüchen A44n" im Rhein-Kreis Neuss vom Netz genommen. „Obwohl die genaue Schadensursache des Ereignisses in Haltern noch nicht geklärt ist, haben RWE und der Hersteller des Windparks das Gelände in Jüchen unverzüglich weiträumig abgesperrt", hieß es. Man stehe in engem Austausch mit den zuständigen Behörden, um etwaige weitere Sicherungsmaßnahmen in der Umgebung und für die nahe gelegene Autobahn zu klären. Auch eine Demontage der Rotorblätter an den übrigen fünf Anlagen werde geprüft. Zuvor war in der Nacht auf den 1. Oktober erneut ein weiteres Windrad havariert. In der auf einem Feld bei Neuenkirchen (Kreis Steinfurt) stehenden Anlage brach am Freitagmorgen aus noch ungeklärter Ursache in der sogenannten Gondel ein Feuer aus. Es habe die Rotornabe im Bereich des Maschinenraums gebrannt, sagte ein Sprecher der Kreisleitstelle Steinfurt. Handelt es sich um Einzelfälle? Teile der Verkleidung fielen herunter. Verletzt wurde wie in Jüchen niemand. Die Polizei geht von einem technischen Defekt aus, wie ein Sprecher der Kreispolizei Steinfurt berichtete. Ein Zusammenhang mit den anderen Fällen ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil das Windrad bereits seit 19 Jahren in Betrieb war - und mit rund 100 Metern Nabenhöhe kleiner als die anderen beschädigten. Nach Angaben eines Sprechers der Gemeinde Neuenkirchen gehört es einer privaten Betreibergemeinschaft. Die Anlagen in Jüchen zählen zu den größten Windkraftanlagen an Land in Deutschland. Sie haben eine Nabenhöhe von 164 Metern, die Rotorblätter erreichen eine Höhe von bis zu 239 Metern. Der untere Turmabschnitt ist bis auf die Höhe von 98,5 Metern aus einzelnen Betonsegmenten zusammengesetzt. Darauf sind zwei Stahlturm-Segmente mit 28,5 Metern und 35 Metern Länge montiert. Wie steht es um die Sicherheit der Anlagen? Bisher haben die Behörden keine Hinweise auf Straftaten gefunden, weder in Jüchen, noch in Neuenkirchen. In Haltern alarmierte ein Förster die Polizei, die daraufhin die Umgebung mit Wärmebildkameras nach möglichen weiteren Personen durchsuchte. Gutachter sollen jetzt die genaue Unfallursache klären. Das, so ein Sprecher des Betreibers RAG Montan Immobilien, könne aber mehrere Wochen dauern. Wie oft Windräder komplett einstürzen, ist nicht bekannt, da keine offizielle Statistik geführt wird. Dem Bundesverband Windenergie sind sechs solcher Fälle seit 2005 bekannt, wie ein Sprecher sagte. Der Verband der TÜV-Organisationen hatte nach früheren Zwischenfällen mit Windrädern von der Bundesregierung gefordert, diese Anlagen in den Regelungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung aufzunehmen. Die Sicherheit von Windrädern werde derzeit zu selten geprüft. Aktuell steht der Betrieb der baugleichen Anlagen in ganz Deutschland. Laut Nordex befinden sich weitere drei in der Errichtung. In dieser Konfiguration würden mittlerweile aber keine Anlagen mehr gebaut. Weltweit seien davon insgesamt 1.222 Anlagen verkauft worden. Einem Sprecher zufolge war der Einsturz in Haltern die erste Havarie dieses Turbinenmodells überhaupt.