Überraschend: Viele Geimpfte sind in Bielefeld aktuell mit Corona-Virus infiziert

Bielefeld. Aktuell steigen die Zahlen wieder. Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt liegt bei 106,7. Etwa 690 Menschen in Bielefeld sind laut Robert-Koch-Institut (RKI) mit Corona infiziert (Stand 28. Oktober). Wie sieht es aus mit der Verteilung der Infektionen auf Geimpfte und Nichtgeimpfte, auch mit Blick auf die Krankenhausbelegung?

Das Gesundheitsamt setzt zur Erfassung der Coronafälle seit einiger Zeit, wie berichtet, die neue Software &bdquo;Sormas" ein, mit der umfangreiche Hintergrundinformationen abgefragt und erfasst werden können. Wie lassen sich die aktuellen Zahlen einordnen?

Impfquote berücksichtigen

Die Stadt liefert dazu auf Nachfrage von nw.de Daten für den Zeitraum 1. bis 22. Oktober. Auf den ersten Blick überraschend und mehr als von vielen erwartet: 38,4 Prozent der insgesamt 625 in diesem Zeitraum Infizierten sind geimpft. Das sind 240 Personen. 51,36 Prozent, 321 der positiv Getesteten, hingegen sind ungeimpft. Bei knapp zehn Prozent der Infizierten, also 62 Menschen, konnte der Impfstatus nicht erhoben werden. Bei zwei Fällen ist er unbekannt. Jedoch muss die prozentuale Verteilung korrekterweise unbedingt noch in Relation zur Impfquote gesetzt werden.

In Bielefeld sind 77,46 Prozent (Stand 18. Oktober), also durchschnittlich 77,46 von 100 Bürgern, geimpft – und somit lediglich 22,54 Prozent nicht. Es gibt also wesentlich mehr Geimpfte als Nichtgeimpfte. Deshalb ist der wirkliche Anteil der Ungeimpften bei den aktuellen Infektionszahlen deutlich höher.

Altersstruktur und Schwere der Infektionen

Von den 38,4 Prozent geimpft Infizierten sind mehr als die Hälfte 60 Jahre oder älter, teilt die Stadt mit. Von den gut 51 Prozent ungeimpft Infizierten sind mehr als 30 Prozent unter 12 Jahren – also Kinder, die noch nicht geimpft werden durften. Die Zahlen lieferten aber keine Aussage zur Schwere der Infektionen.

&bdquo;Auch wenn bei geimpften Personen eine Infektion festgestellt worden ist, heißt das ja nicht, dass sie Symptome haben oder schwer erkrankt sein müssen", sagt Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger. Viele würden zwar positiv getestet, hätten aber keine Symptome. &bdquo;Dann ist das kein Impfdurchbruch, das ist ganz wichtig zu sagen."

Fälle im Krankenhaus

Bei der Einschätzung helfe ein Blick auf die aktuellen Zahlen aus den Bielefelder Krankenhäusern aus den vergangenen vier Wochen. &bdquo;86 Personen wurden beziehungsweise werden dort in diesem Zeitraum wegen Covid behandelt", berichtet Nürnberger. Davon seien 28 geimpft. Fünf von ihnen liegen oder lagen auf der Intensivstation. 58 seien ungeimpft, wovon 18 intensivmedizinisch behandelt werden müssen oder mussten.

Vier der 86 Krankenhauspatienten seien jünger als 20 Jahre – alle ungeimpft. 20 Coronapatienten seien zwischen 20 und 40 Jahre alt, und bis auf zwei ebenfalls alle ungeimpft. In der Altersklasse 40 bis 60 Jahre liegen oder lagen 18 Menschen im Krankenhaus, bis auf sechs alle ungeimpft. 25 Patienten sind 60 bis 80 Jahre, 16 von ihnen ungeimpft, neun geimpft. 20 Patienten sind über 80 Jahre, acht von ihnen ungeimpft, zwölf geimpft.

&bdquo;Bei einer Impfquote von über 90 Prozent bei den über 80-Jährigen dürften dann theoretisch von den 20 Fällen nur zwei ungeimpft sein", erläutert Nürnberger. &bdquo;Mit acht ist der Anteil viermal so hoch." Das zeige deutlich, dass das Impfen wirke. Der Anteil der Geimpften unter den Patienten nehme mit zunehmendem Alter aufgrund der dann ebenfalls häufig zunehmenden weiteren Erkrankungen zu, bestätigt Hans-Werner Kottkamp, Chefarzt der Zentralen Notaufnahmen am Evangelischen Klinikum (EvKB).

Dort werden aktuell 14 Covid-Patienten behandelt, vier davon auf der Intensivstation. Zudem sei die Immunabwehr im Alter reduziert. Wenn die Lungen angegriffen werden, Herz-Kreislauf- oder Tumorerkrankungen dazukommen, komme es häufig zu schweren Verläufen. &bdquo;Deshalb sprechen wir davon, dass die Patienten an oder mit Corona versterben", sagt Kottkamp.

Wirksamkeit der Impfung

Man könne aber nicht sagen, dass die Impfung bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen nicht wirke – im Gegenteil. &bdquo;Hätten wir nicht so einen hohen Anteil an Geimpften in dieser Altersgruppe, sähe es hier ganz anders aus", sagt Kottkamp. Im Vergleich zum vergangenen Jahr hätten sich die Aufenthaltsdauer und auch die Anzahl der Patienten mit schweren Verläufen glücklicherweise deutlich reduziert.

Aktuell seien darunter viele, die aufgrund fehlender Aufklärung, fehlender Eigenverantwortung, aus religiösen oder kulturellen Gründen eine Impfung ablehnten. Bei den jüngeren Krankenhauspatienten sei zu sehen, dass der fehlende Impfschutz sie &bdquo;in diese prekäre Situation" bringe. Welche Rolle die verschiedenen Impfstoffe bei den schweren Fällen unter den Geimpften spielten, könne er aber nicht sagen.

&bdquo;Wir schauen da aktuell nur, ob die Patienten doppelt oder dreifach geimpft sind", ergänzt Kottkamp. &bdquo;Wir wissen lediglich, dass der Schutz bei Astrazeneca und Johnson&Johnson grundsätzlich etwas geringer ist und es eher mal zu Impfdurchbrüchen kommt", sagt Ingo Nürnberger. Die aktuellen Daten zeigten aber wieder deutlich, dass ganz besonders die älteren und alten Menschen durch Corona gefährdet seien.

Cluster und Ansteckungen

&bdquo;In Altenheimen hatten wir schließlich auch mehrere Cluster. Die dritte Impfung ist also nicht nur sinnvoll, sondern medizinisch absolut notwendig." Bis einschließlich 18. Oktober hatten laut Impfbericht der Stadt insgesamt 258.878 Menschen in Bielefeld einen vollständigen Impfschutz, das entspricht einer Quote von 77,46 Prozent.

Bezogen auf die impfberechtigten Personen über zwölf Jahren liegt die Zweitimpfungsquote bei 87,51 Prozent. Ansteckungen passierten bei der Arbeit, in der Freizeit, in der Familie, so Nürnberger. &bdquo;Überall dort, wo Menschen eng zusammenkommen." Beispielsweise in Betrieben, wo körperlich gearbeitet würde und Homeoffice nicht möglich sei. Auch in Kitas und Schulen gäbe es vereinzelt Cluster.

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