Obsthof Otte: Wie passen nachhaltiger Anbau und Plastikfolie zusammen?

Hiddenhausen. Als Ende Februar in Folge des Sturms kaputte Folien vom Feld die Umwelt verschmutzen, passte das nicht zum Bild von ökologischer, regionaler Landwirtschaft. Die NW hat beim Obsthof Otte nachgefragt, was da los war - und wie nachhaltiger Anbau und Plastikfolien zusammenpassen.

Erst für Montag, 14. März, kann Charlotte Otte entsprechende Aufräumarbeiten organisieren. Sie verstehe den Unmut. "Ich glaube, uns ärgert das am allermeisten", sagt die Obstbäuerin. Warum aber überhaupt Plastikfolien und Vliese? "Sie sind die Voraussetzung dafür, dass es regionale Erdbeeren gibt."

Kurze Wege schonen die Umwelt, sagt die Juniorchefin. Doch Regionalität hätte weitere Vorteile. Lagerung und Transport reduzieren den Vitamingehalt, die Qualität leide. "Erdbeeren mögen Transporte gar nicht", sagt Otte. Die weichen Früchte müssten am besten an dem Tag, an dem sie gepflückt werden, verspeist werden. "Erdbeeren sind totale Prinzessinnen", sagt Otte. "Sie brauchen optimale Bedingungen."

Klimawandel in Hiddenhausen spürbar

Als Obstbäuerin ist Otte vom Wetter abhängig. Seit einigen Jahren spüre sie die Auswirkungen des Klimawandels deutlich. Vor allem Wetterextreme machen ihr zu schaffen. Starkregen etwa spülen Stroh, das als Erosionsschutz zwischen den Reihen verteilt wird, vom Feld. Auch Stürme hätten zugenommen.

Daneben mache Landwirten in Deutschland extreme Hitze und die Intensität der Sonnenstrahlung zu schaffen. Ohne Bewässerung droht Trockenstress. Was aber die Folien und Vliese nötig macht, sind Spätfröste. "Erfriert die Blüte, gibt es keine Erdbeeren." Der Schutz vor Blütenfrost und extrem tiefen Temperaturen sind daher Ottes Hauptargumente für den Einsatz der Vliese.

"Wir haben nicht einfach selbstverständlich Erdbeeren im Mai"

In diesem Jahr rechnet Otte Anfang Mai mit den ersten Erdbeeren. Normal ist das nicht: Erst durch einen "Mini-Gewächshaus-Effekt" können verfrühte Erdbeeren geerntet werden. "In den 70er Jahren, als meine Großeltern angefangen haben, gab es vier bis sechs Wochen lang Erdbeeren", sagt Otte. Heute gebe es frühe, mittlere und späte Sorten. Bis Mitte August verkauft der Obsthof Otte regionale Erdbeeren. Es sei ein Fortschritt, den sie brauche, um ökologisch zu bestehen. "Wir müssen unsere Erdbeeren früh anbieten, sonst kommen die einfach woanders her."

Wer keine regionalen Erdbeeren findet, kaufe häufig Importware. Die seien nicht nur qualitativ schlechter. Auch belaste es die Umwelt stärker, wenn Obst und Früchte weit transportiert werden müssten, als der Einsatz von Folien und Vliesen in Deutschland. "Wir haben nicht einfach selbstverständlich Erdbeeren im Mai", sagt Otte. Entsprechend muss etwas dafür getan werden. "Natürlich finde ich diese romantische Vorstellung von Landwirtschaft ohne Müll auch toll." Aber man müsse realistisch bleiben - und abwägen.

Es gibt weitere Aspekte, die den Einsatz von Plastikabdeckungen für Otte zu einer nachhaltigen Entscheidungen machen: Flächeneffizienz etwa. Ohne Folien könnte Otte im schlimmsten Fall nicht nur die gesamte Ernte verlieren. Auch die Konkurrenz durch Unkraut werde so unterbunden. "Wir erzielen deutlich höhere Erträge und arbeiten flächen- und ressourceneffizienter."

Um den Boden gesund zu halten, stehen die Felder maximal zwei Jahre. "Wer wirklich nachhaltig arbeitet, hat immer eine Win-win-Situation", sagt Otte. Auf dem Feld an der Herforder Straße in Enger hat sie vergangenes Frühjahr Erdbeeren gepflanzt, dieses Jahr wird sie das erste Mal ernten. Auch 2023 werden noch Erdbeeren geerntet, dann folgen andere Kulturen, oft Weizen oder Mais. Otte kooperiert mit der lokalen Landwirtschaft. "Landwirte arbeitet hier Hand in Hand." Mindestens drei Jahre Pause müsse sein. Getreide sei eine gute Vorkultur. "Weizen wird wieder mehr, vor allem wegen der Ukraine."

"Konsum ist politisch"

Ihren Kundinnen und Kunden gehe es aber nicht nur um Nachhaltigkeit. "Mit dem Kauf unterstütze ich meine Region, das hören wir öfter", sagt Otte. Etwa 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Region beschäftigt sie. Dazu kommen externe Saisonkräfte. Zudem wird ihr Obst auch im regionalen Einzelhandel angeboten. "Konsum ist politisch", sagt Otte.

Und eine weitere Ebene betrifft den regionalen Anbau: Bildung. Über das EU-Schulobstprogramm lernen Kinder, wo Obst überhaupt herkommt. Seit 2010 ist der Obsthof Otte als Schulobstlieferant dabei. "Wir können damit ein Bewusstsein dafür schaffen, wie bedeutsam es ist, was ich meinem Körper zuführe", sagt Otte.

Nachhaltigkeit bedeute eben auch, ökonomisch und sozial nachhaltig zu arbeiten. "Wir freuen uns, dass es hier so viele Menschen gibt, die genau das wertschätzen." Es gebe viele Stellschrauben in Bezug auf Nachhaltigkeit.

"Wir arbeiten so nachhaltig, wie es geht, und wollen das weiter optimieren", sagt die Obstbäuerin. Den Einsatz von Plastik wolle sie reduzieren. Daher verfolge sie auch, welche Alternativen es gibt. "Es wäre schön, wenn wir das Material tauschen könnten." Es habe bereits Versuche mit biologisch abbaubaren Folien gegeben. Doch die hätten sich schlicht zu schnell zersetzt. Otte zeigt sich optimistisch: "Die Forschung ist da dran."

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