Fledermaushöhlenkäfer: Ein Relikt der Eiszeit lebt in der Egge bei Paderborn

Kreis Paderborn. Es gibt in der Egge eine weltweit einmalige Besonderheit. Allerdings ist sie nicht so einfach zu entdecken. Sie ist nur 12 bis 15 Millimeter groß, liebt die Dunkelheit, eine konstante Temperatur von 8 Grad und eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit sowie die Exkremente von Fledermäusen. Und mit würzig riechendem Käse ist sie anzulocken. Es ist der Fledermaushöhlenkäfer, der in den Karsthöhlen im Eggegebirge lebt. Und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nur dort - weltweit.

Denn dort ist der perfekte Ort für ihn, um zu überleben. Schon seit tausenden von Jahren. "Wir nehmen an, dass diese Art diese Höhle seit dem Ende der Eiszeit nicht mehr verlassen hat. Denn dort herrschen ähnliche Bedingungen wie damals draußen. Der Käfer ist ein Relikt der Eiszeit", meint der Diplombiologe Günter Bockwinkel, der dem Käfer auch seinen neuen Namen gab. Er ist verwandt mit dem Höhlenkäfer "Choleva holsatica", der in den 1920er Jahren bei Bad Segeberg dokumentiert wurde. Der Hamburger Forscher Kurt Sokolowski fand 1956 in einer Höhle in der Egge dann einen Käfer, der dem Segeberger stark ähnelte. Nach seinem Entdecker wurde er &bdquo;Choleva septentrionis sokolowskii“ genannt.

"Man war sich nicht sicher, ob es nur eine Unterart des Käfers aus Bad Segeberg war oder sogar eine eigene Art. Unter dem Mikroskop entdeckte man, dass sie sich geringfügig unterscheiden", so Bockwinkel. "Heute würde man das gentechnisch überprüfen." Sokolowski verstarb aber kurz nach seiner Entdeckung und der Egge-Käfer geriet wie schon in den über 30.000 Jahren zuvor wieder in Vergessenheit. Bis die Biologin Anne Ipsen an die Aufzeichnungen von Sokolowski kam und sich 1996 auf die Suche nach dem Käfer in den Eggehöhlen machte.

Käfer lebt isoliert in seiner Höhle Mit kräftigem Käse lockte sie die kleinen kastanienbraunen Käfer an. Sie stellte, so Bockwinkel, bei ihren Untersuchungen fest, dass sich die in Segeberg und in der Egge gefundenen Exemplare nicht kreuzen lassen. Ein weiterer Beleg, dass es zwei verschiedene Arten sind - die eine lebt in den Felsspalten der Segeberger Kalkberghöhle, die andere in den Karsthöhlen des Eggegebirges. Und beide leben dort isoliert und verlassen ihre Höhle nicht.

"Dort haben sie alles, was sie brauchen. Das Klima, die Nahrung - aber nur so lange es die Fledermäuse dort gibt", sagt Bockwinkel. Denn die kleinen Käfer ernähren sich vom Fledermauskot und fressen auch die Kadaver der Fledermäuse, die den Winter nicht überstehen. "Die Käfer sind anspruchslos und haben einen geringen Stoffwechsel. Mit den Fledermäusen haben sie eine komplexe und sehr stabile Lebensgemeinschaft. Das ist ein perfektes ökologisches System - seit tausenden von Jahren", weiß der aus Elsen stammende Biologe.

Zum Glück gebe es in der Egge eine sehr starke Fledermauspopulation. Zehn Arten seien in der Egge aktuell registriert worden. "Fledermäuse kommen zum Teil aus Norddeutschland, Holland oder Bonn hierhin, um zu überwintern. Die meisten nutzen seit Generationen die vielen Höhlen", erklärt der Diplombiologe.

Käfer und Fledermäuse haben eine Lebensgemeinschaft Auch die sehr seltene Bechsteinfledermaus wurde vermehrt in der Egge gesichtet. "Die sucht sich aber Höhlenbäume. Und davon braucht sie 40 bis 60. Wenn sie zu lange in einer Baumhöhle wäre, würde sie von den Parasiten aufgefressen - daher wechseln diese Fledermäuse ihre Höhle so oft. Das ist ein weiteres Beispiel, wie komplex so ein Ökosystem hier in der Egge ist", erklärt der Fachmann, der sich seit Jahren ehrenamtlich für die Aktivitäten des Fördervereins Nationalpark Egge einsetzt. "Es ist unheimlich wichtig, dass die Biodiversität und die Eigenart der Egge geschützt werden. Denn es ist dramatisch, was ich schon alles habe verschwinden sehen", sagt der 65-Jährige eindringlich.

Er geht auch davon aus, dass es ein unterirdisches Verbindungssystem zwischen den vielen Karsthöhlen im Eggegebirge gibt. Nur so lasse sich erklären, dass die Fledermaushöhlenkäfer in verschiedenen Höhlen nachgewiesen wurden. "Es gibt winzige Spalten im Karst, die reichen für die Käfer", so Bockwinkel, der Geschäftsführer des Bielefelder NZO-Büros für Landschaftsplanung, Bewertung und Dokumentation ist.

Die Egge habe viele Alleinstellungsmerkmale. Die Karstlandschaft, die Höhlen, die vielen Quellen, die Vegetation und auch der Lebensraum für seltene Tiere. Unter anderem leben in der Egge die scheuen Wildkatzen und auch die extrem seltenen Haselhühner soll es dort wieder geben. "In den kalten Quellen findet man auch den Alpenstrudelwurm. Ähnlich wie der Fledermaushöhlenkäfer ist er ein Relikt der Eiszeit und eine ebenso hoch spezialisierte Art.

Aus seiner Sicht sei ein Nationalpark auch für die ganze Region wichtig. Und das i-Tüpfelchen für die Bewerbung sei der winzige, aber weltweit einmalige Fledermaushöhlenkäfer.

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