Grüne kritisieren "Kulturkampf" um Nationalpark in Ostwestfalen-Lippe

Düsseldorf. Es grünt auf der Kongressbühne. Mitarbeiter des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums haben vor der Illustration eines Waldes zehn junge Hainbuchen aus Plastik aufgestellt. "Nationalparke – gut auch für NRW", schallt es aus dem Wald.

"Wir merken, dass natürliche Räume immer weniger werden", sagt Minister Oliver Krischer, der Gastgeber der Nationalpark-Konferenz in Düsseldorf. Dabei gebe es ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung, mehr von diesen Landschaften entstehen zu lassen. Herausragend gezeigt habe sich dieses Gefühl durch den riesigen Besucherandrang während der Corona-Pandemie im Nationalpark Eifel.

Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen auszuweisen. Der Nationalpark Eifel, schreibt das Umweltministerium, habe sich in den vergangenen 20 Jahren "zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt". Von dem Großschutzgebiet profitiere nicht nur die Natur, heißt es im jüngsten Jahresbericht der Nationalparkverwaltung, über die Region hinaus sei es zu einem beliebten Ziel für den Naturtourismus geworden. In wenigen Wochen soll nun die Bewerbungsfrist für einen weiteren Nationalpark beginnen.

Das Motto "Natur Natur sein lassen" gefällt Krischer Die landeseigenen Flächen des Eggegebirges wären aus Sicht des regionalen Fördervereins geeignet. Gegner sorgen sich derweil um die Wirtschaftskraft. Ungeduld trifft auf Urwaldangst, so könnte man die Lage in der Region zugespitzt beschreiben. Von den 120 Gästen im Ministerium ist mehr als ein Drittel aus Ostwestfalen-Lippe angereist.

Als Nationalpark gilt ein ausgedehntes, möglichst zusammenhängendes Schutzgebiet für Tiere und Pflanzen. Ein Rückzugsraum für die heimische Natur – ohne menschlichen Eingriff. In Deutschland gibt es 16 Nationalparke, laut dem Bundesamt für Naturschutz mit einer Gesamtfläche von 1.050.442 Hektar: "Hier soll sich die Natur auf großer Fläche ungestört entwickeln können." Das Motto "Natur Natur sein lassen" gefällt dem Grünen-Politiker Krischer, sagt er. "Nicht der Mensch entscheidet über die Baumarten, sondern die Natur."

In Ostwestfalen-Lippe wird seit Anfang der 1990er Jahre über einen Nationalpark gestritten. Raphael Tigges sieht in der Region noch immer "eine kritische Haltung, die ich nachvollziehen kann". Die Egge sei nicht mit der Eifel vergleichbar, erklärt der CDU-Landtagsabgeordnete aus Gütersloh. "Wir sind eine starke Wirtschaftsregion, gerade in den Anrainerkommunen profitiert die Industrie von der Bewirtschaftung des Waldes und benötigt eine Entwicklungsperspektive."

"Nationalpark – Nein, danke" Matthias Goeken, CDU-Abgeordneter aus Höxter, lehnt einen Nationalpark in der Egge ebenfalls ab. "Zum einen bietet dieser keinen wirklichen Mehrwert für die Region, zum anderen ist zweifelhaft, ob wir den Zielen gerecht werden könnten." Der CDU-Abgeordnete Bernhard Hoppe-Biermeyer aus Paderborn hält den Staatsforst in der Egge für zu lang gezogen und zu schmal, sagt er. "Es braucht schon viel Fantasie, um daraus einen Nationalpark entwickeln zu wollen."

Die Befürworter eines Nationalparks ärgert vor allem, dass die Gegner sich per se verschließen. "Wir wissen doch noch gar nicht, um welche Fläche es konkret gehen soll", sagt Norika Creuzmann in Düsseldorf. Die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen im NRW-Landtag lebt in Bad Lippspringe und setzt sich ihr gesamtes politisches Leben für einen Nationalpark ein. "In der nördlichen Egge ist schon einiges stillgelegt", sagt sie. Doch schon allein der Begriff "Nationalpark" würde gerade konservative Milieus in der Region aufregen. "Aus dem Streit ist eine Art Kulturkampf geworden."

Diesen Eindruck gewinnt Creuzmann vor allem in den Kreisen Höxter und Paderborn. "Nationalpark – Nein, danke", plakatieren dort lokale Initiativen. Mobil gemacht hat auch die Holzwirtschaft gegen den "Irrsinn einer Nationalparkplanung“. Man bangt um das Geschäft.

"Es ist an der Zeit, die Segel neu zu setzen" Während der Nationalpark-Konferenz im Ministerium wird auf die Existenzängste eingegangen. Die Erfahrungen im Nationalpark Bayerischer Wald zeigten, dass sich die Aufgaben verändern, erklärt ein Referent. "Auch für Beschäftigte in der Holzwirtschaft wird es jede Menge Arbeit geben", versichert Karsten Otte von der Bezirkskonferenz Naturschutz in Ostwestfalen-Lippe in einer Kaffeepause. "Es ist an der Zeit, die Segel neu zu setzen." Otte, der den regionalen Konflikt um einen Nationalpark wie kaum ein Zweiter kennt, kritisiert, dass das Ministerium noch immer keine klare Leitlinie für den Bewerbungs- und Beteiligungsprozess vorgegeben habe.

Dieser Prozess soll, das betont Krischer mehrfach, ergebnisoffen gestaltet werden. Der Minister hebt die Verantwortung des Landes hervor. "Es geht auch um die Bekämpfung der Biodiversitätskrise", sagt er. Der Diskussionsprozess habe auch in der Eifel eine gewisse Zeit gebraucht, "am Ende aber hat das gemeinsame Projekt eines Nationalparks ein positives Gefühl erzeugt, das weit über die Region hinausging".

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