Nationalpark durch die Hintertür? NRW will große „Wildnisgebiete“ ausweisen

Düsseldorf. Das Land Nordrhein-Westfalen will innerhalb des nächsten Jahres rund 5.000 Hektar Wildnisgebiete ausweisen, um die heimischen Wälder und die Artenvielfalt zu stärken. In diesen Gebieten ist die Natur sich selbst überlassen. In OWL gibt es erste Bedenken, dass es sich bei dem Vorhaben um einen &bdquo;Nationalpark durch die Hintertür“ handeln könnte. Das Thema hatte 2024 vor allem im Süden der Region hitzige Diskussionen ausgelöst.

Sogenannte Wildnisentwicklungsgebiete genießen einen hohen Schutzstatus. In ihnen ist forstwirtschaftliche Nutzung tabu. In den Gebieten darf also zum Beispiel kein Holz geschlagen werden. Schon jetzt gibt es in NRW rund 100 Wildnisgebiete auf einer Fläche von 7.800 Hektar. Das entspricht umgerechnet rund 11.000 Fußballfeldern. Das Land will die Anzahl künftig also um Wildnisflächen in einer Größenordnung von rund 7.000 Fußballfeldern ausbauen, um den Naturschutz zu erhöhen.

Dafür will es auf landeseigenen Flächen – also dem Staatsforst – weitere Gebiete ausweisen. Konkret heißt es in einem Schreiben des NRW-Umweltministeriums sowie des NRW-Landwirtschaftsministeriums von Montagnachmittag an die Mitglieder des Umweltausschusses im Landtag, welches dieser Redaktion vorliegt: &bdquo;Bei den neuen Wildnisentwicklungsgebieten wird es sich ausschließlich um Flächen im Eigentum des Landes handeln. Sukzessive wird in den verschiedenen Regionen das bestehende Netz aus Schutzgebieten für Wälder mit natürlicher Entwicklung erweitert.“ Die &bdquo;Rechte Dritter“ sowie die langfristige Versorgung mit Holz aus dem Staatswald blieben &bdquo;unberührt“.

Erste Pläne sehen Flächen in mehreren Kreisen vor Konkrete Pläne gibt es nach Informationen dieser Redaktion bereits für das Siebengebirge südöstlich von Bonn, wo eine Fläche von 200 Hektar vorgesehen ist. Ebenso 100 Hektar im Rhein-Sieg-Kreis auf dem Höhenzug Leuscheid. Weitere Flächen zum Start wird es auch in den Kreisen Coesfeld und Unna geben. Auch der Nationalpark Eifel soll im nördlichen Bereich um eine Fläche ergänzt werden, heißt es in dem Schreiben.

Grundsätzlich sei vorgesehen, dass die Gebiete bis Mitte 2026 im ganzen Land sukzessive ausgewiesen werden sollen, ist aus Düsseldorf zu hören. Dafür sollen vor allem Flächen an bereits bestehende Wildnisgebiete angekoppelt und vernetzt werden. Der Landesbetrieb Wald und Holz soll sich um die Entwicklung der Flächen kümmern.

Berühren die Vorhaben auch die Region OWL? Dort waren Pläne für einen Nationalpark in der Egge im vergangenen Jahr gescheitert, weil die Bürger in den Kreisen Paderborn und Höxter in Bürgerentscheiden mehrheitlich dagegen gestimmt hatten. Befürworter und Gegner eines Nationalparks hatten sich über Monate hinweg gegenseitig mit heftigen Vorwürfen überzogen. Auch CDU und Grüne, die in NRW die Landesregierung stellen, waren unterschiedlicher Meinung. CDU-Politiker aus OWL hatten vor Ort gegen einen Nationalpark in der Egge geworben – zum Ärger ihres Koalitionspartners in Düsseldorf.

Auch Landwirte, Förster, Jäger und Vertreter der Holzwirtschaft waren gegen das Projekt, weil sie befürchteten, durch einen Nationalpark in ihren Tätigkeiten beschnitten zu werden. Naturschützer hatten ihnen vorgeworfen, Falschaussagen zu verbreiten.

Konkrete Pläne für neue Wildnisgebiete in OWL soll es nach Informationen dieser Zeitung bislang noch nicht geben. Dennoch sei es keineswegs ausgeschlossen, dass Teile der Flächen auch in der Region entstehen könnten, heißt es.

Ein Wildnisgebiet unterscheidet sich von einem Nationalpark im Wesentlichen durch seine Größe. Der Nationalpark Egge hätte rund 12.000 Hektar groß sein sollen; die einzelnen Wildnisflächen in NRW sind hingegen oft nicht größer als 100 Hektar. Im bislang einzigen Nationalpark in NRW, dem Nationalpark Eifel, spielt der Tourismus eine große Rolle und spült viel Geld in die Kassen. Auch Wildnisgebiete sollen für den Menschen weiterhin zugänglich sein. In den neuen Gebieten sind Angebote im Bereich der Umweltbildung geplant, um sie &bdquo;der Öffentlichkeit erlebbar zu machen“, schreibt die Landesregierung in dem Bericht.

.responsive23-z76kPTiVeosSg6Kn-choro-nationalparks-in-deutschland { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-z76kPTiVeosSg6Kn-choro-nationalparks-in-deutschland { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-z76kPTiVeosSg6Kn-choro-nationalparks-in-deutschland { padding-top: 142.86%; } } NRW will die Gebiete im Dialog mit den Regionen ausweisen Offen ist aktuell, wie viele Wildnisgebiete das Land innerhalb des nächsten Jahres ausweisen will, um auf eine Größenordnung von 5.000 Hektar zu kommen. Fraglich ist auch, ob und wie die Regionen konkret in die Prozesse eingebunden werden sollen. In dem Schreiben an die Mitglieder des Umweltausschusses betont die Landesregierung, dass sie auf &bdquo;Dialog mit den Regionen“ setze. N RW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) und NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) reisen am Dienstag ins Siebengebirge, um über Erweiterungsflächen zu sprechen.

Im Paderborner Raum gibt es derweil bereits erste neue Plakate, auf denen Wildnisgebieten eine Absage erteilt wird. Kritiker befürchten, dass die Landesregierung nun versuche, nach dem Scheitern eines zweiten Nationalparks doch noch weitere Gebiete auszuweisen – diesmal eben in Form der Wildnisgebiete. Umstritten sein dürften diese Gebiete bei einigen OWL-Akteuren auch deshalb, weil der Paderborner Landrat Christoph Rüther (CDU) mit dem sogenannten Naturpark Plus eigene Vorschläge gemacht hat, wie der Naturschutz vor Ort erhöht werden könnte.

Aus den Reihen der Grünen wird jedoch auf eine gemeinsame Absprache im Koalitionsvertrag verwiesen. Darin haben CDU und Grüne angekündigt, 15 Prozent der Staatswaldflächen für den Waldnaturschutz zu sichern und somit zwei Prozent der nordrhein-westfälischen Waldfläche aus der Nutzung zu nehmen. Dieses Ziel werde durch die Ausweisung weiterer Wildnisgebiete erreicht, heißt es in dem Bericht an den Umweltausschuss.

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