Bielefelderin ist Personalmanagerin des Jahres: „Ein gutes Fixgehalt reicht nicht mehr“

Claudia Viehweger (49) ist &bdquo;total stolz" auf Bielefeld. Die Personalchefin sieht eine große Stärke der Generation Z und stellt Bewerbern eine Frage am liebsten.

Frau Viehweger, wie wird man zur deutschen Top-Personalmanagerin des Jahres?

Viehweger : Cool, oder? Ich war schon überrascht, dass ich es überhaupt auf die Liste des Personalmagazins der Haufe-Gruppe geschafft hatte und freue mich sehr. Ich bin Personal- und Nachhaltigkeitschefin bei Scout24 und dort Teil des erweiterten Vorstands. Unsere bekannteste Marke ist der Online-Marktplatz Immoscout24. Um ausgewählt zu werden, ist es wichtig, wofür man steht.

Und wofür stehen Sie?

Viehweger : Ich stehe für eine moderne Unternehmenskultur und für den Spaß an der Leistung. Ich möchte bei Scout24 durch die Gänge gehen und fühlen, dass es vibriert. Die Leute sollen Lust haben am wirtschaftlichen Erfolg und kriegen dafür eine Arbeitsatmosphäre, die diesen Spaß stark unterstützt. Aber wer nicht leistungsstark ist, der gehört hier auch nicht hin.

Die Bielefelderin arbeitet früher bei Axel Springer, dann ging es zu Scout24

Eine klare Ansage. Sind Sie auch mal gescheitert?

Viehweger : Ja, eintausendmal. Ich bin schon häufiger vor die Wand gefahren, hatte Hoffnungen, habe auf Karriereschritte hingearbeitet, die sich nicht erfüllt haben. Aber ich bin ein Stehaufmännchen und denke mir, jetzt erst recht.

Und wie blicken Sie als Personalmanagerin aufs Scheitern?

Viehweger : Da kommt es mir darauf an, wie jemand damit umgeht. Ich will sehen, wie eine Person ihr Scheitern reflektiert und was sie daraus gelernt hat. Im Innovationsbereich gehört Scheitern schließlich auch dazu, um weiterzukommen. Was ich nicht gut finde, ist, wenn Menschen in der Opferrolle verharren.

Sie waren erfolgreiche Anwältin in einer internationalen Großkanzlei. Warum der Wechsel ins Personalmanagement?

Viehweger : Als Anwältin für Arbeitsrecht kam ich erst auf die Bühne, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Man steht vor Gericht, es werden Kompromisse gefunden. Das Davor und Danach bekommt man nicht mit. Als ich zunächst zu Axel Springer ins Personalmanagement gewechselt bin, hatte ich viel mehr Gestaltungsspielräume und habe große Restrukturierungsprozesse mitverantwortet. Bei Scout24 bin ich noch mehr in die Unternehmensführung eingestiegen.

Ein gutes Fixgehalt reiche heute nicht mehr, sagt die Personalchefin

Was ist die größte Herausforderung, vor denen gutes Personalmanagement heute steht?

Viehweger : Das sind die vielen Herausforderungen gleichzeitig: Der volatile Markt, der jedes Unternehmen aktuell trifft, sorgt dafür, dass Strategien, Strukturen und Prozesse laufend angepasst werden müssen. Ich muss immer wieder prüfen, habe ich die richtigen Leute mit dem richtigen Fokus auf den richtigen Themen sitzen. Hinzu kommen der demografische Wandel und der damit einhergehende Kampf um Talente.

Was müssen Arbeitgeber tun, um attraktiv zu bleiben?

Viehweger : Man muss nach innen und außen kreativ sein und zeigen, wofür man steht. Also, wo setze ich mich für Nachhaltigkeit, Diversität und soziale Themen ein. Das muss authentisch sein. Wir setzen bei Scout24 beispielsweise auf Vertrauen in unsere Mitarbeiter und ein gutes Fixgehalt reicht heute nicht mehr. Man muss auch die richtigen Benefits anbieten. Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung und eine gute Unternehmenskultur sind wichtig. Und wer nicht mindestens Flexarbeitszeit anbietet, hat einen deutlichen Wettbewerbsnachteil. Da hat sich durch Corona-Krise und Generation Z viel verändert.

Andere meckern, Viehweger ist voll des Lobes für die Generation Z

Wie erleben Sie diese neue Arbeitnehmer-Generation der Jahrgänge 1997 bis 2012?

Viehweger : Ich reagiere allergisch, wenn die Generation Z als meckernde Generation, die nicht von 9 bis 17 Uhr arbeiten will, dargestellt wird. Ich habe diese Erfahrung überhaupt nicht gemacht.

Sondern?

Viehweger : Ich erlebe, dass das superengagierte junge Leute sind. Viele sind sehr selbstbewusst, wollen viel lernen und wissen genau, wo sie hinwollen. Sie sprechen Dinge an und fordern Dinge ein. Und sie zeichnet eine hohe Bereitschaft zur Veränderung aus. Das liegt auch daran, dass sie ganz anders aufgewachsen sind, als zum Beispiel ich selbst.

Was ist in ihrer Kindheit anders gewesen?

Viehweger : Ich gehöre noch einer Generation an, die mit sehr vielen Routinen und mit Stabilität groß geworden ist. Die Generation Z wächst schon durch die schnellen, technischen Entwicklungen in einer Atmosphäre der permanenten Veränderung auf. Der Großteil hat dabei die Fähigkeit entwickelt, sich in dieser Veränderung wohlzufühlen. Das brauche ich ja als Unternehmen: eine hohe individuelle Anpassungsfähigkeit.

Diese Frage stellt die Top-Managerin gerne Bewerbern

Gibt es eigentlich eine Frage, die sie in Bewerbungsgesprächen besonders gerne stellen?

Viehweger : Ich liebe diese Frage: Was sollte ich über Sie wissen? Ich lege den Lebenslauf dann zur Seite, weil er mich zu diesem Zeitpunkt gar nicht interessiert. Ich will einfach wissen, was ist das für ein Mensch, den ich da vor mir habe, wie tickt diejenige oder derjenige. Und die Antworten sind komplett unterschiedlich.

Was wäre denn eine gute Antwort?

Viehweger : Ich bin da überhaupt nicht festgelegt. Das kann etwas Privates sein oder etwas Berufliches. Die Frage hat viel damit zu tun, wie sich jemand selbst reflektiert. Wie wirke ich? Was ist mir wichtig? Was sollte diese Personalerin über mich wissen, wenn es um Einstellungen in diesem Unternehmen geht? Besonders gut finde ich es, wenn ich überrascht werde.

Sie leben und arbeiten seit vielen Jahren in Berlin. Schlägt Ihr Herz noch für Bielefeld?

Viehweger : Auf jeden Fall, ich bin in Bielefeld geboren und aufgewachsen, habe die Marienschule der Ursulinen besucht und bin bis heute der Stadt sehr verbunden geblieben, auch durch meine Familie. Nach dem Jurastudium und dem Rechtsreferendariat in Bielefeld wäre ich damals auch fast geblieben. Ich hatte schon alles für die Promotion klar gemacht und mir einen Nebenjob gesucht.

Für Viehweger ist OWL das Rückgrat auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Und dann?

Viehweger : Dann kam das Super-Angebot, bei einem sehr renommierten Professor an der Freie Universität Berlin zu promovieren.

Und wie denkt die Personalmanagerin über Ihre Heimastadt?

Viehweger : Das Spannende sind die vielen hoch attraktiven Unternehmen, die es hier gibt, darunter große Namen. Man wundert sich ja manchmal, was alles aus Bielefeld und Umgebung kommt. Darauf bin ich total stolz. Leider ist da draußen noch immer nicht richtig angekommen, dass Ostwestfalen-Lippe eine Region ist mit einem sehr starken Mittelstand und Weltunternehmen in Familienbesitz, die das Rückgrat auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind. Verbindlichkeit und Bodenständigkeit sind Werte, die ich außerdem aus meinen Wurzeln mitgenommen habe. Und ich hoffe sehr, dass gerade dieser Mittelstand, die aktuellen Krisen gut meistern wird.

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