Durchbruch im Uniklinikum OWL: System erkennt Sepsis am kleinen Blutbild

Detmold. Jedes Jahr sterben allein in Deutschland 85.000 Menschen an einer Sepsis und damit doppelt so viele Menschen wie an Schlaganfällen und Herzinfarkten. Und das, obwohl viele dieser Todesfälle vermeidbar wären, da Sepsis bei frühzeitiger Diagnose gut behandelt werden kann. Da die lebensbedrohliche Erkrankung, die im Volksmund auch als Blutvergiftung bekannt ist, jedoch oft gar nicht oder nicht rechtzeitig erkannt wird, ist sie inzwischen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Mediziner Thorsten Kaiser von der Medizinischen Fakultät OWL will das ändern und hat mit einem Team ein Modell entwickelt, das mithilfe künstlicher Intelligenz Sepsis an einem kleinen Blutbild erkennt. Im Klinikum Lippe wird das Modell bald zum ersten Mal im Klinikalltag zum Einsatz kommen.

Wenn eine Infektion durch Bakterien und andere Krankheitserreger außer Kontrolle gerät, sprechen Mediziner von einer Sepsis, die unbehandelt tödlich verläuft. &bdquo;Das Problem ist, dass diese Erkrankung im Anfangsstadium nicht einfach zu erkennen ist. Außerdem nehmen die Tests viel Zeit in Anspruch, die im Klinikalltag oft fehlt“, erklärt Thorsten Kaiser, Leiter des Universitätsinstituts für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und klinische Pathobiochemie am Campus Klinikum Lippe des Universitätsklinikums OWL. &bdquo;Einen einfachen Bluttest, der eine Sepsis erkennt, gibt es nicht.“

Entscheidend für Patienten mit Sepsis ist nach Angaben Kaisers jedoch der Faktor Zeit. &bdquo;Bei der Behandlung zählt jede Minute, weshalb eine frühzeitige Diagnose so wichtig ist.“ Um die zu ermöglichen, ist Kaiser mit einem Team aus Ärzten, Informatikern und Naturwissenschaftlern der Universitätskliniken OWL und Leipzig und der Universitäten Bielefeld, Leipzig und Greifswald der Frage nachgegangen, ob es Parameter im Blut gibt, mit denen sich die Früherkennung einer Sepsis verbessern lässt. &bdquo;Dafür haben wir ein Modell, das mit künstlicher Intelligenz funktioniert, mit 1,4 Millionen Blutbildern trainiert und dabei mit großem Erstaunen festgestellt, dass die Messparameter im kleinen Blutbild ausreichen, um sehr spezifische Vorhersagen über eine Sepsis zu erhalten“, erklärt Kaiser.

Ein kleines Blutbild reicht dem System aus Über die sogenannten kleinen Blutbilder werden nach Angaben des Mediziners routinemäßig die wichtigsten Parameter im Blut von Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden, erhoben, um Hinweise auf Infektionen und Entzündungen im Körper zu erhalten. &bdquo;Unser Modell zur Erkennung einer Sepsis benötigt nur diese Werte, sodass keine zusätzlichen Tests gemacht werden müssen, die Zeit und Geld kosten.“ Das Modell erkenne bislang verborgene Muster im kleinen Blutbild und fungiere so als Frühwarnsystem für eine Sepsis, sagt Kaiser. &bdquo;Wir werden das Modell als digitales Unterstützungsangebot im Klinikalltag etablieren, indem es bei jeder Laboruntersuchung bestimmte kritische Parameter überwacht, um Ärzten dabei zu helfen eine Sepsis möglichst früh zu erkennen.“

Löst das System eine Warnung für eine Sepsis aus, geht es laut Kaiser zunächst darum, den betroffenen Patienten intensiver zu überwachen. &bdquo;Eine Sepsis entwickelt sich sehr schnell. Als Arzt sehe ich Patienten aber oft nur ein Mal am Tag, sodass das System dabei unterstützt, gefährdete Patienten frühzeitig zu identifizieren und sie dann entsprechend untersuchen und behandeln zu können.“

System soll vor weiteren Erkrankungen warnen Neben der Sepsis sollen auch weitere lebensbedrohliche Zustände erfasst werden, um im Ernstfall schnell reagieren zu können. &bdquo;Dazu zählt zum Beispiel ein deutlich zu niedriger Kaliumwert, der zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Wenn innerhalb von sechs Stunden nicht reagiert wird, gibt es einen zusätzlichen Alarm, dass auf der Station nachgehakt werden soll.“ In allen Fällen dient das System nach Angaben Kaisers jedoch nur als Unterstützung für Ärzte. &bdquo;Solche Systeme ersetzen keine Ärzte.“

Zum Einsatz kommt das Modell laut Kaiser bereits in den kommenden Monaten im Klinikum Lippe. &bdquo;Wir begleiten die Etablierung sehr eng, um das System stetig zu verbessern.“ Eine große Herausforderung sei es, Fehlalarme zu verhindern. &bdquo;Dann besteht die Gefahr, dass das Personal in der Klinik irgendwann nicht mehr auf den Alarm reagiert.“ Nach der erfolgreichen Etablierung im Klinikum Lippe plant Kaiser die Ausweitung auf das gesamte Universitätsklinikum OWL, sodass auch Patienten im Klinikum Bielefeld und im evangelischen Klinikum Bethel von dem Frühwarnsystem profitieren können. &bdquo;Irgendwann hilft dieses Frühwarnsystem dann hoffentlich dabei, dass weniger Menschen an einer Sepsis versterben.“

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