„Arbeitssuchend ist keine Schande“: Bürenerin wagt Neuanfang im Job

Paderborn. Ein Neuanfang erfordert Mut. Das Gewohnte hinter sich lassen und etwas Neues beginnen, diesen Schritt ist Anita Stöver gegangen. Nach 31 Jahren hat die Bürenerin ihren Job gekündigt und sich auf die Suche nach einer neuen Aufgabe gemacht. Und auch wenn es kein Spaziergang war, würde sie es jedem anderen empfehlen.

Es war der Tag, an dem ihr drittes Kind die Masterarbeit abgegeben hat, erinnert sich Stöver. An dem Tag habe sie eine große Freiheit gespürt und den Entschluss gefasst, dass es jetzt Zeit sei, für neue berufliche Herausforderungen. &bdquo;Der Gedanke war schon länger da, weil ich in meinem beruflichen Umfeld nicht mehr glücklich war“, erzählt die zu dem Zeitpunkt 57-Jährige. Vor allem die fehlende Wertschätzung für ihre Arbeit mit großer Verantwortung, aber auch die vielen Überstunden, eine unflexible Urlaubsplanung und andere Kollegen, die den Job wechselten, waren eine enorme Belastung. Der Erhalt der Gesundheit und Motivation bestärken Stöver in ihrer Entscheidung.

&bdquo;Ich habe zu der Zeit einen unheimlichen Entfaltungsdrang verspürt“, sagt Stöver. &bdquo;Obwohl meine bisherige Arbeit durchaus spannend war, wollte ich gerne mehr über den Tellerrand schauen.“ Auch beim bisherigen Arbeitgeber habe sie nach neuen und anderen Stellen Ausschau gehalten. &bdquo;Aber eine Übereinkunft gab es nicht und darum hatte ich am 31. Dezember 2021, etwa ein Dreivierteljahr nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, mich beruflich zu verändern, meinen letzten Arbeitstag.“

Agentur für Arbeit Paderborn hilft bei der Bewerbung Die ersten Initiativbewerbungen von Stöver wurden lediglich wohlwollend betrachtet, einige waren nicht erfolgreich. &bdquo;Weil ich aber weiß, was ich kann, wollte ich meine Bewerbungen verbessern.“ Stöver wandte sich erst an ihre drei Kinder, deren jüngsten Bewerbungserfahrungen nicht so lang her waren, und danach an die Agentur für Arbeit in Paderborn. Dort fand sie in Vanessa Rohde vom gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Paderborn und des Jobcenters Kreis Paderborn eine Bewerbungstrainerin.

&bdquo;In Zusammenarbeit haben wir für Frau Stöver einen knackigen, einseitigen Lebenslauf erstellt, der die Bewerbung zusammen mit den extra vom Fotografen gemachten Bewerbungsbildern professioneller wirken ließ“, berichtet Rohde. Als Ansprechpartnerin für Unternehmerinnen und Unternehmer weiß sie, worauf es für Arbeitgeber in der Bewerbung ankommt. &bdquo;Also haben wir jede Bewerbung von Frau Stöver individuell auf die Stellenausschreibung angepasst.“

Doch der Erfolg blieb trotz akribischer Vorbereitung jeder Bewerbung zunächst aus. &bdquo;Aber das habe ich sportlich gesehen, mir war bewusst, dass es nicht sofort klappen würde“, sagt Stöver. Man könne eben nicht immer gewinnen. &bdquo;Aber von Frau Rohde vom Arbeitgeber-Service habe ich immer das Feedback bekommen, das ich gebraucht habe“, sagt Stöver. Also habe sie auch nie der Mut verlassen. Im Gegenteil, Stöver wurde zur Vollzeit-Arbeitsuchenden, die in jede Bewerbung 150 Prozent Vorbereitung gesteckt hat und sich ihrer Vorteile für den Arbeitgeber bewusst war: &bdquo;Meine Kinder stehen auf eigenen Beinen, ich bin total flexibel, habe Erfahrung, und mein Netzwerk ist unersetzbar.“

Arbeitgeber suchen &bdquo;eierlegende Wollmilchsau“ Doch noch immer suchten viele Arbeitgeber mit einer starren Vorstellung: die junge, gut ausgebildete, &bdquo;eierlegende Wollmilchsau“ mit jahrelanger Berufserfahrung. Doch der Arbeitsmarkt befinde sich im Wandel. &bdquo;Eine lebensphasenorientierte Personalpolitik der Arbeitgeber wird immer wichtiger – insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels“, sagt Detlef Schmidt, Teamleiter des gemeinsamen Arbeitgeber-Services der Agentur für Arbeit Paderborn und des Jobcenters Kreis Paderborn.

Dass sich Menschen wie Anita Stöver nach vielen Jahren im Berufsleben neu orientieren, komme heute häufiger vor, sagt Schmidt. Darum sei es ein wesentliches Anliegen der Agentur für Arbeit am Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, dass sich Menschen während ihres gesamten Erwerbslebens in Beschäftigung befinden. Deshalb startete 2021 auch die Berufsberatung im Erwerbsleben.

Wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verändern möchten, erhalten sie dort berufliche Orientierung und Beratung. Mehr Menschen trauten sich, nach langjähriger Betriebszugehörigkeit einen Neuanfang, selbst wenn die Rente schon am Horizont sichtbar sei. Generell herrscht auf dem Arbeitsmarkt eine höhere Fluktuation als noch vor einigen Jahren, arbeitssuchend zu sein, ist keine Schande mehr.

Einige Monate sollte es dauern, bis für Stöver die passende Stellenanzeige auftauchte. In einem unbefristeten Arbeitsverhältnis trägt die 60-Jährige jetzt in ihrem neuen Job die Verantwortung für kommunale Förderungen und schätzt die offene Zusammenarbeit und die Wertschätzung ihrer Arbeit durch Kollegen und ihre Vorgesetzte. &bdquo;Nach Ablauf der Probezeit habe ich noch eine Mail an Frau Rohde geschrieben und mich für die Zusammenarbeit bedankt“, sagt Stöver. Denn die habe sie darin bestärkt, einen Neuanfang zu wagen.

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