Weihnachten im Gefängnis im Kreis Gütersloh: Vierfach-Mutter gewährt seltene Einblicke

Steinhagen. Seit zwei Jahren ist Jaqueline in Haft. &bdquo;Der Vollzug hat mein Leben und meine Familie gerettet“, sagt die Mutter von vier Kindern strahlend. &bdquo;Ich bin dadurch seit zwei Jahren clean. Durch den Vollzug habe ich gelernt, den Hintern hochzukriegen. Ich gehe jetzt arbeiten - und ich mache es gerne.“ Cannabis hat ihr jahrelang den Boden unter den Füßen weggerissen. Die Sucht kostete sie extrem viel Geld. &bdquo;Ein halbes Haus hätte ich damit finanzieren können“, gesteht sich die 36-Jährige ein. &bdquo;Und dann wurde ich beim Klauen erwischt“, erzählt sie. Als sie sich energisch gegen die Festnahme wehrte, folgte eine Haftstrafe.

Sucht und finanzielle Nöte sind kein seltenes Thema in der Steinhagener Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne an der Brockhagener Straße. Die meisten Frauen sind dort, weil sie für Betrugsverbrechen verurteilt wurden. Oft im Zusammenhang mit bestellter Ware aus dem Internet.

Die Haft im offenen Vollzug ist nicht nur eine Strafe, sondern auch eine Chance. Jaqueline weiß das mittlerweile ganz besonders zu schätzen: Nach einigen Monaten im offenen Vollzug hielt sie es nicht mehr aus - sie bekam Panik: &bdquo;Ich bin abgehauen.“

Kein Ausgang, kein Hafturlaub, Einschluss ab Nachmittag Ihr Schwiegervater war damals krank gewesen und sie konnte sich nicht vorstellen, ihre Familie alleine zu lassen. Nach zwei Tagen realisierte sie, dass die Situation ausweglos war, und stellte sich.

Zwei Tage, die nicht folgenlos blieben: Sie musste für sieben Monate in den geschlossenen Vollzug. Kein Ausgang, kein Hafturlaub, Einschluss ab Nachmittag, Zeit absitzen in der Zelle ...

Die Rückkehr in den offenen Vollzug wurde zur Befreiung. &bdquo;Ich habe mich wie ein kleines Kind über viele Kleinigkeiten gefreut - zum Beispiel, dass ich wieder selbst meine Wäsche waschen durfte. Mit Weichspüler!“ Endlich roch die bunte Kinder-Bettwäsche, die ihr eines ihrer Kinder mitgegeben hat, wieder vertraut.

Ende Januar wird die Mutter aus dem Gefängnis entlassen Und das war erst der Anfang. Wer im offenen Vollzug angekommen ist und sich an die Regeln hält, kann auch außerhalb der Arbeit die Anstalt verlassen. &bdquo;Bei meinem ersten Begleitausgang war ich mit meinem Mann in einem Combi-Supermarkt. Ich wusste gar nicht, wohin mit mir. Ich war so überfordert“, schildert sie. Gefühle, die andauern: &bdquo;Wir haben hier zwar eine Top-Köchin, aber ich bin immer noch jedes Mal überwältigt, wenn ich auswärts Essengehen kann.“

Auch die Arbeit gibt ihr Freiraum und gleichzeitig Struktur. Morgens wird sie am Gefängnis abgeholt und zu einem Gartenbau-Unternehmen gefahren. Das Gärtnern macht ihr Spaß. Sie erlebt ein normales Leben - mit durchschnittlichen Menschen - keine Häftlinge. Jaqueline lächelt, wenn sie von diesen Erfahrungen erzählt.

Ende Januar wird sie entlassen. &bdquo;Ich werde definitiv nicht wiederkommen“, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. Vorher muss die Mutter von vier Söhnen noch einen schwierigen Moment aushalten. Sie hat zwar ihre Urlaubstage für das Weihnachtsfest gespart - doch die beiden Jüngsten sind erst vier und fünf Jahre alt und weinen jedes Mal, wenn ihre Mama nach solchen gemeinsamen Tagen wieder gehen muss. &bdquo;Sie denken, dass ich im Krankenhaus bin.“

70 Prozent der Insassen haben Kinder Schwierigkeiten, die viele Frauen in Steinhagen kennen. Etwa 70 Prozent der 50 Insassinnen haben Kinder, die teilweise bei Familienangehörigen oder in Pflegeeinrichtungen unterkommen. Das macht die Adventszeit für viele Frauen zu einer traurigen Zeit, schildert Jela Esselmann. Sie ist stellvertretende Bereichsleiterin in Steinhagen. &bdquo;Wir versuchen, in dieser Zeit mit Sonderausgängen zu arbeiten.“

Über den Sozialdienst gebe es zudem ein Projekt, das sich dafür einsetzt, dass die Kinder der Häftlinge Geschenke bekommen. Zudem durften die Frauen eine Weihnachtsfeier mit Apfelpunsch und Gewürzkuchen feiern und einen Weihnachtsbaum schmücken.

&bdquo;Ich habe in 38 Dienstjahren noch nie so einen schönen Baum im Gefängnis gesehen“, lobt Axel Berger, Pressesprecher der JVA Bielefeld-Senne, beim Anblick der Tanne. &bdquo;Der Frauenvollzug ist immer mit vielen Emotionen verbunden. Das sieht man auch an solchen Details.“

Zusätzlicher Kontakt zu den Kindern möglich Die Steinhagener Außenstelle ist etwas Besonderes - hier hat man sich auf den familienorientierten Strafvollzug spezialisiert. Ein Ansatz, der vor allem denen zu Gute kommt, die oft am meisten unter der Gefängnisstrafe leiden: den Kindern.

&bdquo;Wir ermöglichen, dass die Mütter ihre Kinder regelmäßig kontaktieren und sehen können“, erklärt Jela Esselmann. Dafür gibt es einen Besuchsraum mit Spielecke. Oder auch die Möglichkeit, abends unter Aufsicht eine Stunde per Skype mit den Kindern zu telefonieren - danach werden die Handys ursprünglich üblich eingeschlossen. Dieser zusätzliche Kontakt wurde während der Corona-Ausgangssperre eingeführt, berichtet die Justizvollzugsamtinspektorin. &bdquo;Das hat so viel Ruhe gebracht, dass wir diese Regel fortgesetzt haben.“

Eine gute Basis, um den Kernauftrag einer JVA zu erfüllen, erläutert Pressesprecher Axel Berger: &bdquo;Es geht darum, die Menschen zu resozialisieren - und dabei ist ein ungewisses soziales Umfeld nicht förderlich. Wenn Familien während der Haft kaputt gehen, ist das sehr belastend.“

Das mache gerade den offenen Vollzug so wertvoll. Denn gerade die Familie kann auch ein Antrieb für die Resozialisierung sein - wie bei Jaqueline. In ihrer kleinen Zelle hängen zahlreiche Fotos von ihren Kindern. Die will sie nicht enttäuschen - und auch ihren Mann nicht. &bdquo;Er hält seit 20 Jahren zu mir. Ohne ihn und ohne die Haft hätte ich den Drogenentzug nicht geschafft.“

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