„Gruß nach Bayern“: Wie sich Wüst und Söder um die Merz-Nachfolge beharken

Düsseldorf. Sie eint der Hunger nach Macht. Hendrik Wüst und Markus Söder senden sich aktuell regelmäßig Kampfansagen hin und her – und lassen die Republik daran teilhaben. Für beide geht es darum, sich vorsichtig für die Zeit nach Friedrich Merz an der CDU-Spitze zu positionieren.

Wüst führt den größten CDU-Landesverband in NRW. Söder die CSU in Bayern. Wüst ist Regierungschef im einwohnerstärksten Bundesland; Söder im zweitstärksten. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich beide Politiker für höhere Aufgaben berufen fühlen. Daraus machen sie keinen Hehl. Und dafür steht ihnen der jeweils andere im Weg.

Deutlich machen das beide auf ihre eigene Art – und oft, aber nicht immer wohltemperiert. Kaum ein deutscher Spitzenpolitiker aus der demokratischen Mitte agiert öffentlich so plump und stillos wie Söder. Armin Laschet lässt grüßen. Seiner Linie bleibt sich Söder auch heute bei parteiinternen Widersachern treu. Wüst nannte er kürzlich einen &bdquo;geschätzten Kollegen“, sagte Söder der FAZ. &bdquo;Aber gerade seine leidenschaftliche Hingabe an die Grünen hat viele Unionswähler verunsichert“, meinte der CSU-Chef – und betonte, dass die Frage eines Regierungsbündnisses &bdquo;am Ende von den Vorsitzenden von CDU und CSU entschieden“ werde. An anderer Stelle sagte er: &bdquo;Es gibt viele Ministerpräsidenten und nur zwei Parteivorsitzende der Union.“ Mit anderen Worten: Wüst habe da als Provinzfürst nichts zu melden.

Söder weiß als gelernter Journalist, wie er Botschaften senden muss Nun muss man wissen, dass dem Politprofi und gelernten Journalisten Söder eine Formulierung wie &bdquo;leidenschaftliche Hingabe“ öffentlich nicht unüberlegt über die Lippen geht. Er ist sich dessen Botschaften bewusst. Insofern wurde sein Satz als unmissverständlicher Affront in Richtung Wüsts gedeutet.

Der NRW-Ministerpräsident soll, so heißt es, Söder im September massiv verärgert haben, als er am Vorabend eines gemeinsamen Auftritts von Söder mit Parteichef Merz zur K-Frage in der Union spontan selber vor die Kameras trat, um gönnerhaft seinen Verzicht als Kanzlerkandidat zu verkünden – und sich als Kronprinz eines Kanzlerkandidaten Merz zu inszenieren. Neben Merz waren auch Wüst und Söder über Monate von Medien als mögliche Kanzlerkandidaten der Union gehandelt worden. Wüst stahl Söder mit seinem abendlichen Auftritt (und Foulspiel) erfolgreich die Show – und die öffentliche Deutungshoheit.

Auf Söders schamlose Frotzeleien über die Grünen, die indirekt auch immer Wüst treffen, da der in NRW eine schwarz-grüne Koalition führt, reagiert Wüst seitdem auf seine eigene besondere Art – mit fein austarierten Seitenhieben. Mit denen hatte er 2023 bereits Merz in Rage gebracht. Als Wüsts Landesverband Mitte Dezember Merz offiziell auf den ersten Listenplatz für die Bundestagswahl setzte, betonte Wüst in seiner Rede, dass die CDU Nordrhein-Westfalens das &bdquo;Kraftzentrum“ der CDU Deutschlands sei. Wüst erinnerte daran, dass die CDU in NRW bei der Europawahl im Sommer 2,6 Millionen Stimmen zum Gesamtergebnis der Union beigesteuert habe, also 100.000 mehr als die CSU aus Bayern. Auch solche Vergleiche führt ein Spitzenpolitiker öffentlich nicht zufällig an. Tenor: Mein Landesverband ist relevanter als deine Partei.

Wüst: &bdquo;Man muss Schwarz-Grün auch können“ Einen Monat zuvor, Mitte November, beantwortete Wüst in Düsseldorf die Frage von Journalisten, ob eine Koalition aus CDU und Grünen für den Bund tauge, selbstbewusst mit den Worten: &bdquo;Schwarz-Grün in NRW funktioniert.“ Aber: Man müsse Schwarz-Grün eben auch &bdquo;können“, sagte Wüst und grinste vielsagend. Der Westfale kennt den Franken Söder übrigens seit vielen Jahren, beide waren in den 2000er Jahren Chefs der Jungen Union in ihren Bundesländern.

Als er im Herbst direkt mit Söders Vorwurf der &bdquo;leidenschaftlichen“ Grünen-Hingabe konfrontiert wurde, sagte Wüst, dass er &bdquo;generell“ nicht dafür sei, dass man ein Jahr vor der Wahl den Leuten &bdquo;ständig“ erkläre, &bdquo;was man alles nicht macht“. Natürlich ging auch diese Botschaft in Wirklichkeit konkret an Söder.

In der TV-Sendung Maischberger legte Wüst jetzt nach, als die Moderatorin ihn auf aktuelle Umfragewerte ansprach. Maischberger wollte wissen, ob Söders Anti-Grünen-Kurs mit Blick auf die Umfragen strategisch erfolgreicher sei, schließlich komme die CSU in Umfragen aktuell für die Bundestagswahl auf 45 Prozent; Wüsts CDU in NRW aber &bdquo;nur“ auf 36. Wüst wirkt für einen Moment angefasst und beteuert zunächst, dass dies für eine CDU in NRW ja kein schlechter Wert sei – und sagt dann mit einem vieldeutigen Grinsen und einer Prise Ironie über Söders 45 Prozent-Werte: &bdquo;Ein sehr respektabler, toller Wert. Glückwunsch auch an Markus Söder und nach Bayern.“

In diesem Zusammenhang arbeitete Wüst geschickt einen weiteren Unterschied heraus. Er stellte sinngemäß klar, dass man die Wählersituation im urbanen NRW mit seinen vielen Großstädten nicht mit der in Bayern mit seinen vielen ländlichen Räumen vergleichen könne. Tenor: Ich Metropole, du Kaff. Am Ende müsse man als Volkspartei der &bdquo;Mitte“ eine Politik machen, die &bdquo;viele Menschen“ adressiere und &bdquo;nicht nur die Kernwähler“, sagte Wüst. &bdquo;Wenn man Wahlen gewinnen will, sowieso.“ Maischberger registrierte diese verdeckte Spitze an Söder und leitete sie prompt weiter, indem sie sagte: &bdquo;Schönen Gruß nach Bayern.“

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