Warum sich der Kreis Höxter Schlangen-Dame Chantal als Haustier hält

Brakel/Kreis Höxter. &bdquo;Chantal, du wirst berühmt“, verkündet Sven Dietrich der rund zwei Meter langen Boa und hebt sie umsichtig mit beiden Händen aus dem Terrarium. Unter der Wärmelichtlampe hatte sich die Schlange dort gerade ganz gemütlich zusammengerollt. Aber Chantal steht der Sinn offenbar nicht nach Ruhm und Blitzlichtgewitter. Der kalten Linse zeigt sie die wechselwarme Schulter. Vielmehr scheint sie ihr ruhiges Leben in der Brakeler Tierwelt zu genießen. Es gab ja auch schon genug Aufregung.

Chantal ist bei Weitem nicht das einzige Tier in dem Geschäft. Kleine Nager flitzen herum, Zierfische schillern in allen Farben des Regenbogens, und selbst andere Schlangen wie &bdquo;Kornelia“, die geringelte Kornnatter, machen sich einen lauen Lenz. Chantal aber ist etwas Besonderes, denn die Schlangendame kam nicht auf dem üblichen Wege in den Laden und steht auch nicht zum Verkauf.

Im Mai 2022 bekam Sven Dietrich, Inhaber der Brakeler Tierwelt, einen Anruf von der Feuerwehr. Die Polizei habe eine Schlange im Wald gefunden. Er fährt direkt los. Wenn die Behörden Tiere finden oder beschlagnahmen, melden sie sich immer mal wieder bei der Brakeler Tierwelt.

Fundort der Schlange an der B252 bei Brakel An der Bundesstraße 252 hinter Bellersen führt eine Abfahrt in den Wald. Ein abgestelltes Polizeiauto zeigt Dietrich, dass er hier richtig ist. Er fährt in den Waldweg hinein, parkt, steigt aus, trifft die Polizeibeamten und fragt: &bdquo;Na, wo ist denn die Anakonda?“ Zur Antwort bekommt er: &bdquo;Die haben Sie gerade überfahren.“

Chantal hatte an diesem Tag im Mai aber mehr als einen Schutzengel. Sven Dietrich hatte sie mit dem Auto knapp verfehlt. Gleichwohl geht es dem Tier sichtlich schlecht: &bdquo;Da hat man das Elend da liegen sehen.“

Fundtier Chantal ist in einem schlechten Zustand Auf seinem Smartphone zeigt der Reptilienexperte Fotos, die er damals von der Boa geschossen hat. Sie zeigen ein deutlich kleineres Tier als das, das sich nun um Dietrichs Schultern schlängelt. &bdquo;80 Zentimeter war sie lang“, erklärt Dietrich. Er formt mit Daumen und Mittelfinger einen Kreis: &bdquo;So eine kleine Wurst.“

Der Ladeninhaber schätzt, dass Chantal etwa ein Jahr alt war damals. Boas schlüpfen in der Regel mit 40 bis 50 Zentimetern Körperlänge. Dietrich deutet auf Details auf den Bildern. Das Tier wirkt bei genauerem Hinsehen etwas eingefallen, am Kopf sogar faltig. An der Rückenpartie zeichnet sich das Skelett ab. &bdquo;Sobald Schlangen kantig wirken“, stimmt was nicht mit ihnen. Chantal hatte außerdem stumpfe Haut und war dehydriert.

Brakeler Boa Chantal entwickelt eine Lungenentzündung Sven Dietrich nimmt die kleine Boa mit, im Brakeler Geschäft angekommen, bekommt Chantal ein eigenes Terrarium und darf sich erholen. Es stand nämlich wirklich übel um das Reptil. &bdquo;Ein, zwei Tage noch draußen und . . .“, sagt Dietrich. Boas sind keine einheimischen Tiere. Sie leben vornehmlich in Mittel- und Südamerika und sind dementsprechend an kuschelige Temperaturen gewöhnt. &bdquo;Sie mögen 25 Grad“, weiß der Fachmann, &bdquo;natürlich kommen sie auch mal mit 18 oder 20 Grad klar“. Aber die Mainächte in Deutschland sind kalt.

Und tatsächlich hatte sich Chantal auch verkühlt. Sie entwickelt eine Lungenentzündung. &bdquo;Naja“, schränkt Dietrich ein, &bdquo;vermutlich hatte sie die auch vorher schon“. Der Schlange läuft die Nase und den Bakterien muss mit Antibiotika zu Leibe gerückt werden. Die Medizin wird injiziert. So kommt sie garantiert im Körper an.

Alle paar Wochen freut sich Boa Chantal über leckere Ratte Der Genesung der Schlange tut eine Eigenheit ihrer Gattung ihr Übriges: &bdquo;Boas sind verfressen.“ Und Chantal bildet da keine Ausnahme. Nach Schlangenmaßstäben bedeutet das aktuell 400 Gramm Ratte alle zwei bis vier Wochen. &bdquo;Dieses Tier frisst und liegt“, fasst Dietrich schmunzelnd zusammen.

Sie hat allerdings auch ein Faible für die gefüllten Regale im Laden. Auf den Schultern des Inhabers ziehen die Töpfchen, Beutelchen, Schächtelchen und Utensilchen immer wieder ihren Blick an. &bdquo;Ich muss immer schauen, wo ihr Kopf ist, sonst räumt sie mir hier alles ab“, erklärt der Chef und fängt Chantals Vorderteil ein.

Besitzer der Brakeler Fund-Schlange nicht auffindbar Boas zählen zu den Riesewürgeschlangen, weil sie eine Länge von bis zu vier Metern erreichen können. Boa ist aber nicht gleich Boa. Manch eine Art bleibt auch kleiner. Was für eine Boa Chantal genau ist, kann Sven Dietrich nicht mit Bestimmtheit sagen. Im Zweifel eine &bdquo;Terraristik-Boa“. Terraristik-Begeisterte hätten früher gern Boas mit Boas verpaart, ohne auf die genaue Unterart zu achten. Daraus entstanden dann Mischformen.

Als Chantal neu im Laden war, haben Sven Dietrich und sein Team versucht, ihre Besitzer ausfindig zu machen. Vielleicht war die Schlange ja in einem günstigen Moment ausgebüxt? Bei Facebook und auch ganz analog im Fundbüro suchten sie nach Menschen, denen eine kleine Boa abhandengekommen war. Ohne Erfolg. Dietrich hält es deswegen für wahrscheinlicher, dass Chantal ausgesetzt wurde.

Brakeler-Tierwelt-Chef hat ein Herz für &bdquo;die dicke Chantal“ Das führt zu interessanten Besitzverhältnissen. &bdquo;Chantal gehört eigentlich noch dem Kreis Höxter“, sagt der Ladeninhaber, in dessen Terrarium das Tier quasi im Dauer-Urlaub ist. &bdquo;Rein theoretisch könnte ich Anspruch auf sie erheben“, erklärt er. Aber wozu? Verkaufen könne er Chantal ohnehin nicht. Weil es sich um eine bedrohte Art handelt, müsste er mit Dokumenten nachweisen können, dass Chantal ein Zuchttier und kein Wildfang ist. Und diese Papiere hat er natürlich nicht.

Wahrscheinlich würde er sie aber auch gar nicht verkaufen. &bdquo;Sobald sie einen Namen haben. . .“, setzt er an und meint wohl, dass ihm &bdquo;die dicke Chantal“ ans Herz gewachsen ist. Ohnehin sei er begeistert von Reptilien. &bdquo;Chamäleons, Bartagamen, das ist meins“, sagt er. Und ja, Boas auch. Die Schlangen hätten durchaus eine Persönlichkeit, könnten &bdquo;zickig“ werden, besonders, wenn sie Hunger hätten. &bdquo;Dann beißen sie auch schon mal, auch wenn das sonst gar nicht ihre Art ist.“ Und Chantal, wie ist die so? &bdquo;Cool“, sagt Sven Dietrich, ohne zu zögern, und ohne große Worte verlieren zu müssen.

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