„Absolut nicht zeitgemäß“: Haßelmann kritisiert Mailbox-Nachricht von Merz

Frau Haßelmann, Friedrich Merz hat Ihnen kürzlich Entscheidungen zu Milliarden-Schulden auf den Anrufbeantworter gesprochen. Ist das noch zeitgemäß?

Britta Haßelmann: Nein, ich halte das absolut nicht für zeitgemäß. Mir ist es selber ein bisschen unangenehm, dass ich so oft auf dieses Thema angesprochen werde. Und es wird dem Ernst der Lage nicht gerecht, denn es geht um essentielle Fragen der Sicherheits- und Friedensordnung. Natürlich gibt es andere Wege des Austauschs als die Mailbox.

Die Union hat Ihre Partei in den vergangenen drei Jahren regelmäßig stark kritisiert und auch persönlich diffamiert. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, dieser Union jetzt durch Ihre Stimmen für eine Grundgesetzänderung aus der Patsche zu helfen?

Am Ende ist mir das nicht schwergefallen. Ich habe ja nicht wegen Friedrich Merz oder der CDU zugestimmt, sondern weil wir in der Sache davon überzeugt waren. Wir treffen solche Entscheidungen nicht aus parteitaktischen Motiven. Wir Grüne haben die Pläne von Schwarz-Rot wirklich maßgeblich verändert. Klimaschutz nimmt nun eine viel wichtigere Rolle ein. 100 Milliarden Euro für Klimaschutz sind ein starkes Ergebnis. Ebenso, dass wir Sicherheit breiter definieren – also nicht nur die Bundeswehr, sondern auch den Zivilschutz und weitere Bereiche stärken wollen. Das sind ganz wichtige Schritte für unser Land.

Dennoch haben Sie die Union in dieser Woche scharf kritisiert. Wie ist Ihr Verhältnis nun?

Die Art und Weise, wie sich die Union an uns Grünen abgearbeitet hat, ist nicht stilprägend und tut der Demokratie und dem Parlament nicht gut. Ich hoffe, dass die Union da lernfähig ist.

Hat sich dieser Stil gegenüber politischen Mitbewerbern in der Merz-CDU im Vergleich zur Merkel-CDU verändert?

Ja, natürlich sind die Auseinandersetzungen schärfer geworden. Das ist eine ganz andere CDU gewesen, die wir mit einer Kanzlerin Merkel erlebt haben.

Trauen Sie Merz zu, als Kanzler Brücken zu bauen?

Er wird den Ton ändern müssen. Die Antwort auf unsere Lage im Land mit all den Krisen kann nicht mehr Spaltung sein, sondern muss mehr Zusammenhalt sein. Da sind alle gefordert – und nicht erst dann, wenn es eine Zweidrittelmehrheit braucht. Wir dürfen dem zunehmenden, vergifteten Diskurs nicht erliegen. Da habe ich eine klare Erwartung an den nächsten Kanzler.

Sie haben in dieser Woche als Oppositionspartei in Verhandlungen Erfolge erzielt, die man Ihnen nicht mal mehr zu Regierungszeiten zugetraut hat. Wie ist das zu erklären?

Ich glaube, die Union brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass es uns Grünen wirklich ernst war damit, dem Gesetz in seiner ersten Fassung nicht zuzustimmen. Die Art der Politik per Ansage, die wir von Friedrich Merz kennen, stößt bei uns auf Granit. Davon lassen Katharina Dröge und ich uns nicht beeindrucken. Das prägt auch Verhandlungen. Letztlich haben wir aber anständige, konstruktive und vertrauliche Gespräche geführt.

Welche Form der Opposition wollen Sie machen? Ähnlich scharf wie die Union?

Nein, an der Union darf man sich kein Beispiel nehmen. Diese Art der Opposition war drei Jahre lang falsch, weil die Kraft der Argumente nicht mehr gezählt hat. Die Union hat sich verweigert, zum Beispiel bei Änderungen der Schuldenregeln, obwohl die nötig waren. Eine solche Art, Politik zu machen, beschädigt die Demokratie. Dazu werden wir Grüne nicht beitragen.

Sondern?

Wir werden eine starke Stimme sein, mit Verantwortung und Klarheit in der Sache. Wir werden eine harte Opposition sein und gleichzeitig Brücken bauen. Nicht spalten, zusammenführen. Da weiß ich um unsere grüne Verantwortung. Das können die Bürger von uns erwarten. Und das haben wir in dieser Woche ja auch sehr deutlich gemacht mit unserem Abstimmungsverhalten zur Grundgesetzänderung.

Werden die Grünen nach Habeck wieder erkennbar grüner und linker, um zum Beispiel das Verhältnis zur Klimabewegung zu erneuern?

Wir haben in drei Jahren Regierungsbeteiligung viel erreicht. Unsere Erkennbarkeit wird an den konkreten Themen deutlich werden. Ich weiß schon, wie wichtig wir Grüne bei Klima, Sozialem oder Schutz der Demokratie werden. Natürlich werden wir als Partei die Bündnisse mit vielen Vereinen, Verbänden und Organisationen stärken.

Wie muss sich die neue demokratische Mitte definieren?

Wir sehen überall Angriffe auf liberale Demokratien. Es ist wirklich zentral, das Fundament der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit zu sichern. Bedeutende Fragen werden eine Antwort Europas auf Trump sein, die Klimaneutralität, Menschenrechte, selbstbestimmtes Leben, sozialer Zusammenhalt. Dafür braucht es eine starke Stimme im Parlament.

Katharina Dröge und Sie gelten jetzt als Grüne der ersten Reihe. Wie finden Sie das?

Ich muss da ein bisschen schmunzeln und frage mich, wo da die Sensation ist. Wir waren drei Jahre lang Vorsitzende einer Regierungsfraktion. Aber es freut mich auch mit ein paar Tagen Abstand, dass wir in dieser Woche gut verhandelt haben. Bei uns beiden wird Teamwork großgeschrieben.

„Absolut nicht zeitgemäß“: Haßelmann kritisiert Mailbox-Nachricht von Merz

Merz: Hätte besser anders Kontakt zu Haßelmann aufgenommen

Extra-Milliarden: Grüne legen sich nicht auf Zustimmung fest

Grüne lehnen schwarz-rote Finanzpläne ab - aber wollen reden

NRW-Ministerin: „Demos gegen die CDU sind eine Unverschämtheit“

Milliarden-Paket für Verteidigung und Infrastruktur steht

Merz im Verteidigungsmodus: Reformen sind kein Kahlschlag

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €