Krankenkasse verweigert Krebspatient aus Lübbecke Kostenübernahme für Medikament

Lübbecke. &bdquo;Mein Mann ist im März 2024 an einem Glioblastom (Anm. d. Red.: ein häufig bösartiger Hirntumor) operiert worden. Diagnostiziert wurde der Tumor, nachdem er im Familienurlaub plötzlich Ausfallerscheinungen hatte und dort im Krankenhaus bereits der erste Befund darauf hinwies.“ Mit diesen Worten hat sich die Lübbeckerin Nicole Spilker an die Lokalredaktion gewandt und um Unterstützung gebeten. Denn, so Nicole Spilker, die Krankenkasse weigere sich, die Kostenübernahme für ein Medikament zuzusagen, das den Tumor ihres schwerstkranken Ehemanns aufhalte: &bdquo;Zumindest für eine wertvolle Zeit“.

Die Vorgeschichte schildert die Lübbeckerin so: &bdquo;Nach der Operation erfolgte eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie, danach noch einmal ein halbes Jahr lang Chemotherapie sowie zusätzlich eine Therapiefeld-Behandlung“. Doch dann im Januar dieses Jahres: &bdquo;Rückfall. Wieder Chemo“. Die Standardtherapien hätten das Fortschreiten der Erkrankung nur kurz aufhalten können. Die Behandlung sei daraufhin medizinisch abgebrochen worden, mit der Begründung: austherapiert.

&bdquo;Es gibt jedoch noch eine medizinische Hoffnung“, sagt Nicole Spilker: Bevacizumab. Die Therapie mit diesem Medikament sei unter anderem von behandelnden Ärzteteams in Minden und Hannover angeraten worden.

Zugelassene Behandlungen bei Glioblastomen schnell ausgeschöpft Zwei Fachärzte der Mühlenkreiskliniken (MKK) bestätigen die Wirksamkeit von Bevacizumab. Martin Griesshammer, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Palliativmedizin am Johannes Wesling Klinikum in Minden sagt: &bdquo; Die Schilderung des Patienten ist leider keine Einzelerfahrung. Gerade beim Glioblastom sind die zugelassenen Behandlungen sehr oft schnell ausgeschöpft, und dann greifen die Patienten, aber auch die behandelnden Ärzte, richtigerweise auch auf nicht zugelassene, aber in der Literatur als wirksam beschriebenen Medikamente zurück. Ein solches Beispiel ist das Bevacizumab. Hier wissen wir, dass nicht wenige betroffene Patienten sehr gut auf Bevacizumab ansprechen. Es wäre nur recht und billig, dass dies dann auch von den Krankenkassen bezahlt wird“.

Griesshammers Kollege bei den MKK Ulrich Knappe, Direktor der Klinik für Neurochirurgie und Leiter des Neuroonkologischen Zentrums ergänzt: &bdquo;Wir stehen als Behandelnde oft vor dem Dilemma, keine andere Therapie mehr anbieten zu können als eine, die von den Kassen nicht übernommen wird. Für Menschen mit begrenzter Überlebensprognose ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn sie nach jahrzehntelanger Beitragszahlung den Rechtsweg gegen die eigene Krankenkasse einschlagen müssen – verbunden mit einer Zeitverzögerung, wo ihnen Zeit schlicht fehlt“.

Anders als etwa in der Schweiz und in den USA wird Bevacizumab Nicole Spilker zufolge auch bei Glioblastomen eingesetzt. In Deutschland hingegen übernähmen die Krankenkassen die Kosten derzeit nicht. Spilker: &bdquo;Die Behandlung kostet 1.250 Euro, alle 14 Tage, da wir diese letzte Chance auf jeden Fall nutzen wollen, tragen wir die Kosten selbst“. Immerhin habe ein MRT nach der 8. Infusion eine Verkleinerung des Tumors gezeigt.

Warum die IKK classic das Medikament nicht bezahlt

Von nw.de um eine Stellungnahme gebeten, teilt Viktoria Durnberger, Fachbereichsleiterin Unternehmenskommunikation der IKK classic mit: &bdquo;Wir haben den Fall noch einmal geprüft, da wir natürlich den Leidensdruck und das Bedürfnis des Versicherten nach der Therapie verstehen und nachvollziehen können. Als gesetzliche Krankenkasse sind wir aber verpflichtet, uns an die Gesetzeslage zu halten, und diese ist leider eindeutig und lässt uns keinerlei Entscheidungsspielraum für einen positiven Bescheid“.

Zum Hintergrund erläutert Durnberger: Bei rezidivierendem Glioblastom bestehe keine Zulassung. Diese sei seinerzeit vom Hersteller beantragt worden, jedoch habe das Gutachtergremium der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA im Mai 2014 eine negative Stellungnahme aufgrund eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses (fehlender Überlebensvorteil, unklare Effekte auf die Lebensqualität, mehr Nebenwirkungen) abgegeben. Der pharmazeutische Unternehmer habe daraufhin Widerspruch eingelegt, aber auch die erneute Prüfung durch das Gremium sei negativ ausgefallen.

Damit wollen Spilkers sich nicht zufriedengeben. Zumal die Kosten für Bevacizumab auf Dauer &bdquo;nicht zu stemmen sind“, so Nicole Spilker. Daher habe die Schwester ihres Mannes, Kirsten Eickhoff, eine Spendenaktion für ihren Bruder ins Leben gerufen. Von dem bislang gespendeten Geld – bislang knapp 46.000 Euro – hätten sie bereits ein gutes Jahr Behandlung bezahlen können. Zudem haben Spilkers juristische Schritte eingeleitet, &bdquo;um die Krankenkasse zu der Kostenübernahme gerichtlich zu zwingen“. Ob das gelingt, ist derzeit nicht abzusehen.

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