Bünderin erhält Rechnungen vom Pflegeheim - für ihre vor Jahren verstorbene Tante

Bünde . Manuela Z. (Name geändert) aus Bünde hat sich sehr um ihre Tante gekümmert. Ihre letzten Jahre verbrachte die Seniorin im Stephanus-Zentrum in Hiddenhausen. Im August erhielt Manuela Z. Post vom Evangelischen Johanneswerk, dem Träger der Pflegeeinrichtung, mit der ihr eine Rechnung über 315,27 Euro zugestellt wurde. Die Bünderin war ziemlich irritiert, wie sie der Redaktion erzählt, denn ihre Tante wurde schließlich schon vor etwa fünf Jahren beerdigt.

Ein Fehler in der Buchhaltung? Nein, denn wie Manuela Z. geht es unzähligen Angehörigen von bereits verstorbenen Bewohnern von Einrichtungen in NRW. Die Rechnungen, die offenbar von vielen Trägern gestellt werden, gehen teilweise auch bis in die Tausende.

37,41 Euro pro Monat für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2020 sind in der Sammelrechnung aufgelistet. Manuela Z. hat das erst für einen Fehler gehalten. &bdquo;Aber schon im Anschreiben vom Johanneswerk wird darauf eingegangen, dass man sich möglicherweise fragen könnte, warum man erneut Post bekommt“, sagt Manuela Z. Bei anderen Trägern soll das nach Informationen weniger informativ kommuniziert werden.

Angehörige sollen bis zu 2.000 Euro zahlen Das Johanneswerk schreibt: &bdquo;Die Tatsache, dass uns der Kostenträger erst jetzt zwei Bescheide rückwirkend ab dem 31.12.2019 übermittelt hat, führt leider dazu, auch Sie noch einmal anzuschreiben. In diesen Bescheiden wurden die anerkennungsfähigen Investitionskosten festgelegt. Auf dieser Grundlage erhalten Sie nun Nachberechnungen der Investitionsentgelte.“

Damit ist Manuela Z. längst nicht allein. Wie sie selbst sagt, kenne sie Angehörige von ehemaligen Mitbewohnern ihrer Tante, die sogar bis zu 2.000 Euro nachzahlen sollen. Gerechnet hat damit allerdings niemand mehr – und schon gar nicht, wenn das liebe Familienmitglied schon vor Jahren verstorben ist.

Der Verbraucherzentrale NRW sind solche Fälle seit einiger Zeit bekannt. Auf Nachfrage der Neuen Westfälischen bestätigen die Verbraucherschützer, dass Manuela Z. kein Einzelfall ist und das Johanneswerk auch längst nicht der einzige Träger, der diese Investitionsentgelte nachberechnet. &bdquo;Viele Angehörige erhalten aktuell Nachforderungen für sogenannte ’Investitionsentgelte’ – Kosten, die Pflegeeinrichtungen für Investitionen wie Gebäude und Ausstattung berechnen. Das Problem: Diese Nachforderungen kommen oft nach dem Tod des Pflegebedürftigen“, heißt es aus der Verbraucherzentrale.

Verbraucherzentrale rät: Rechnungen genau prüfen Dass Manuela Z. für ihre verstorbene Tante zur Kasse gebeten wird, hängt nach ihrer Erklärung damit zusammen, dass sie sich um ihre Angelegenheiten – den Papierkram – gekümmert hat.

Von der Verbraucherzentrale NRW heißt es mit Blick auf die Zuständigkeiten: &bdquo;In solchen Fällen sind die Erben grundsätzlich für die Bezahlung verantwortlich. Es ist daher wichtig, die Berechnungen genau zu prüfen, um sicherzustellen, dass sie korrekt sind. Sollte etwas unklar oder zu hoch erscheinen, können sie die Pflegeeinrichtung um Klärung bitten.“

Aber bis wann müssen Angehörige auch von längst Verstorbenen damit rechnen, Zahlungsaufforderungen von Pflegeheimträgern zu erhalten? &bdquo;Es gibt auch Fristen, innerhalb derer Nachzahlungen fällig werden. Wenn diese schon abgelaufen sind, sollten Betroffene dennoch nicht aufgeben – in einigen Fällen gibt es Kulanzregelungen“, heißt es in der Erklärung der Verbraucherzentrale NRW. Und weiter: &bdquo;Betroffene sollten ihre Rechte kennen und sich bei Unsicherheiten frühzeitig Hilfe holen. Anlaufstellen sind die Pflegerechtsberatung der Verbraucherzentralen, Fachanwälte für Sozialrecht, die BIVA sowie das zuständige Pflegeheim.“

Nachberechnungen sind finanzielle und emotionale Belastung Das Johanneswerk hat schon im vergangenen Jahr eine Stellungnahme zu den rückwirkenden Berechnungen gegeben und kritisiert darin &bdquo;erhebliche Zahlungsverzögerungen durch Kostenträger“, zu denen die Sozialämter zählen, die für einen wachsenden Anteil bedürftiger Menschen die Heimkosten übernehmen. &bdquo;Um den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten, sind Einrichtungen und ambulante Dienste auf eine rechtzeitige Überweisung der finanziellen Mittel angewiesen“, heißt es in der Erklärung des Johanneswerks.

Aber bei den Nachberechnungen geht es konkret um Investitionskosten und nicht den laufenden Betrieb. Die Belastung für die Angehörigen längst verstorbener ehemaliger Heimbewohner ist dem Johanneswerk bewusst. &bdquo;Weil es aufseiten der zuständigen Landschaftsverbände erhebliche Bearbeitungsrückstände gibt, können Träger wie das Johanneswerk erst viele Jahre nach dem Versterben der betroffenen Menschen Kosten erheben – und müssen sie nachberechnen“, heißt es von dem Träger mit Hauptsitz in Bielefeld. Die Verzögerungen resultieren aus den Rückständen bei der Antragsbearbeitung sowie aus Widerspruchsverfahren der zuständigen Landschaftsverbände.

Die Nachberechnungen stellen für Angehörige nicht nur eine unerwartete, sondern oft auch eine emotionale Belastung dar, wenn Jahre nach dem Tod eines Angehörigen Rechnungen in der Post liegen. Bodo de Vries, stellvertretender Vorsitzender der Johanneswerk-Geschäftsführung sagt: &bdquo;Das kann man eigentlich keinem vernünftigen Menschen erklären.“

Dem stimmt Manuela Z. zu. Sie sagt aber auch mit Blick auf den baulichen Zustand einiger Pflegeheime, die sie kennt: &bdquo;Wenn man das Geld dann wenigstens zweckgebunden einsetzen würde.“ Das könne sie vielerorts nicht erkennen.

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