NRW könnte Kosten für Heimplatz um 600 Euro senken, tut es aber nicht

Düsseldorf/Bielefeld. Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen, doch immer weniger Menschen können sich eine Versorgung im Pflegeheim leisten. Die Kosten für den Eigenanteil, den Pflegebedürftige und ihre Angehörigen für die Versorgung leisten müssen, steigen seit Jahren kontinuierlich an. In NRW sind die Kosten mit durchschnittlich 3.312 Euro pro Monat im ersten Jahr besonders hoch. Nach Angaben von Experten könnte die Landesregierung den Eigenanteil jedoch deutlich um monatlich etwa 600 Euro senken, wenn das Land mit der Übernahme der Investitionskosten seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen würde.

&bdquo;NRW erfüllt die gesetzliche Verpflichtung zur Förderung der Investitionen der Pflegeheime seit vielen Jahren nicht“, kritisiert der Sprecher der Interessengemeinschaft Altersvorsorge in OWL, Wolfgang Diembeck. Hintergrund ist das Pflegeversicherungsgesetz, das die Länder zu einer auskömmlichen Investitionskostenfinanzierung für den Bau und die Instandhaltung von Pflegeheimen verpflichtet.

Das Gesetz gilt seit 1995 mit der Einführung der Pflegeversicherung, weil die Länder durch die Versicherung Kosten einsparen, da sich die Sozialhilfeleistungen verringern. &bdquo;Diese Einsparungen müssen die Länder eigentlich als Zuschüsse an Pflegeheime zahlen“, erklärt Diembeck.

Hohe Einsparungen durch Pflegeversicherung Die Statistik der Sozialämter zeigt, dass die Einführung der Pflegeversicherung bei den Ländern seit 1996 jedes Jahr zu Einsparungen in Milliardenhöhe im Bereich der Sozialhilfeleistungen führt. Der achte Pflegebericht von Ende 2024 zeigt, dass die Länder 2023 vier Milliarden Euro eingespart haben.

Davon haben die Länder nach Angaben des Verbands der Ersatzkassen 2023 aber nicht einmal 900 Millionen Euro in Pflegeheime investiert. &bdquo;Die Einsparungen aus dem Jahr 2023 mit vier Milliarden Euro ergibt für jeden der etwa 800.000 Pflegeheimbewohner in Deutschland einen Einsparbetrag von etwa 5.000 Euro“, erklärt Diembeck. In NRW leben etwa 210.000 Menschen in Pflegeheimen. &bdquo;Tatsächlich gibt NRW aber kaum Geld für Investitionen in Pflegeheime aus.“

Pflegeheimbewohner tragen den größten Teil der Investitionskosten Das NRW-Gesundheitsministerium erklärt hingegen, dass das Land regelmäßig Zuschüsse an die Pflegeheime zahlt, verweist jedoch nur auf die Zahlungen für Pflegeheimbewohner, die die Eigenanteile nicht mehr selbst oder durch Angehörige finanzieren können, also hilfsbedürftig sind und einen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme der Kosten haben.

Allein 2023 wurden dadurch nach Angaben einer Sprecherin Pflegeheimbewohner in NRW um 536 Millionen Euro entlastet. Diese Zahlungen entsprechen jedoch nicht der gesetzlichen Vorgabe, wonach die Länder die Einsparungen, die durch die Pflegeversicherung entstehen, an die Pflegeheime zahlen müssen.

Der Bericht des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung, der die Förderung der Länder von Pflegeheimen für das Jahr 2022 abbildet, zeigt hingegen, dass NRW in dem Jahr lediglich 160 Millionen Euro als Zuschüsse für Investitionskosten an drei Pflegeheime gezahlt hat, jedoch etwa eine Milliarde Euro durch die Pflegeversicherung eingespart hat. Genaue Zahlen dazu nennt das Land jedoch nicht. Daten für die Jahre 2023 und 2024 liegen noch nicht vor. &bdquo;Das zeigt, dass NRW seiner Verpflichtung kaum nachkommt“, moniert Diembeck. Insgesamt haben die Länder nach Angaben des Verbands der Ersatzkassen 2022 lediglich 876 Millionen Euro der Investitionskosten übernommen, während die Pflegeheimbewohner 4,4 Milliarden Euro schultern mussten.

In Niedersachsen zahlen Pflegeheimbewohner 673 Euro weniger als in NRW Das ist nach Angaben Diembecks ein Grund dafür, warum sich die Kosten für die Eigenanteile in Pflegeheimen bundesweit so stark unterscheiden. Bundesweit liegt der durchschnittliche Eigenanteil bei monatlich 2.984 Euro. In Bremen (3.456 Euro), im Saarland (3.380 Euro) und in NRW (3.312 Euro) sind die Kosten am höchsten. In Sachsen-Anhalt (2.443 Euro), Niedersachsen (2.639 Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (2.657) und am geringsten. &bdquo;Obwohl es sich bei dem Pflegeversicherungsgesetz um ein bundesweit geltendes Gesetz handelt, sind die Zuzahlungen der Länder sehr unterschiedlich. So zahlen Pflegebedürftige in NRW im Durchschnitt 673 Euro mehr als Pflegebedürftige im benachbarten Niedersachsen“, kritisiert Diembeck.

Infolge der fehlenden Zuschüsse steigen die Eigenanteile für Pflegeheimbewohner immer weiter an, vor allem in NRW. Die vollständige Übernahme der Investitionskosten durch die Länder würde nach Angaben der Vorstandsvorsitzenden des Verbandes, Ulrike Elsner, Pflegeheimbewohner aktuell um durchschnittlich 498 Euro im Monat entlasten. In NRW sogar um etwa 600 Euro.

Der Eigenanteil für Pflegeheimbewohner setzt sich aus drei Teilen zusammen: Den Investitionskosten, den Kosten für Unterkunft und Verpflegung und dem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil für die Kosten für Pflege und Ausbildung, von dem die entsprechend der Aufenthaltsdauer gestaffelten Zuschüsse der Pflegeversicherung abgehen. Im ersten Aufenthaltsjahr beträgt der Zuschuss 15 Prozent, im zweiten Jahr 30 Prozent, im dritten Jahr 50 Prozent und ab dem vierten Jahr 75 Prozent.

Investitionskosten in einem Bielefelder Pflegeheim steigen um 39 Prozent Viele Betroffene in NRW berichten von jährlichen Anpassungen der Investitionskosten, die Pflegeheime selber festlegen dürfen. So berichtet Horst Willeweit, dessen Frau Annette seit Januar 2023 aufgrund schwerer Erkrankungen in einem Pflegeheim in Bielefeld versorgt wird, von einer Steigerung der Investitionskosten innerhalb von zwei Jahren um 39 Prozent.

Im März erwartet Willeweit die Umsetzung der angekündigten Steigerungen der monatlichen Investitionskosten aus dem vergangenen Jahr von bisherigen 477 Euro auf 666 Euro pro Monat. &bdquo;Zudem wird die Differenz von den jeweiligen Ankündigungen im Juni und November 2024 bis zur tatsächlichen Umsetzung nachbelastet“, sagt Willeweit.

In dem Bielefelder Pflegeheim gibt es nach Angaben Willeweits 70 Plätze. &bdquo;Für ein Jahr ergeben sich durch den Anstieg der Investitionskosten Mehreinnahmen von mehr als 160.000 Euro für das Heim. So steigen für den Träger die Einnahmen aus den Investitionskosten von rund 494.000 Euro auf etwa 655.000 Euro.“

Wofür Pflegeheime die seit Jahren steigenden Einnahmen einsetzen, bleibt in den allermeisten Fällen unklar. Willeweit erfährt auf Nachfrage, dass die Fassade der Einrichtung gestrichen wurde. &bdquo;Welcher Vermieter kann den Außenanstrich auf seine Mieter umlegen? Das sind Erhaltungskosten, die der Vermieter zahlen muss. Für Menschen, die in Pflegeheimen versorgt werden, gilt das offenbar nicht.“

Pflege wird in Deutschland zunehmend zu einem Armutsrisiko Auch Diembeck moniert die Intransparenz. &bdquo;Pflegeheimbewohner und ihre Angehörigen erhalten in der Regel keine Auskünfte zum Einsatz der Investitionskosten und erleben im Alltag eher, dass sich die Lebensbedingungen in den Heimen verschlechtert“, erklärt Diembeck. &bdquo;Insgesamt zeigt die Entwicklung, dass Pflegebedürftigkeit ein Lebensrisiko ist, gegen das sich der Durchschnittsverdiener in Deutschland aufgrund der unkalkulierbaren Kosten kaum absichern kann.“

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