Bad Oeynhausen-Rentner wandern aus – jetzt leben sie in bezahlbarem Luxus-Haus

Bad Oeynhausen. Während das Thermometer in Bad Oeynhausen an diesem Oktobertag schnöde zwölf Grad Celsius zeigt, sitzen Andrew und Anna Brett im klimatisierten Arbeitszimmer ihres Anwesens vor der Laptopkamera. Eine halbe Autostunde von der namibischen Hauptstadt Windhoek entfernt sind es 32 Grad, &bdquo;aber jetzt ist erst Frühling“, sagt Anna. Sie ist eine resolute Frau, gerade 70 geworden und scheint immer noch verzaubert vom weitreichenden Tapetenwechsel. Ihr Mann Andrew, nur unwesentlich jünger, spricht weniger als sie.

Die beiden genießen ihren Ruhestand nicht in der Kurstadt, in der sie viele Jahre eine kleine Firma für Heizkostenabrechnung betrieben haben. Sondern sind im Mai 2023 mit Sack und Pack, einem Container und zwei Hunden, nach Afrika ausgewandert.

Werden sie nach einem Schlüsselmoment für ihre Auswanderung gefragt, antwortet Anna, dass sie im Fernsehen eine Auswanderer-Dokumentation gesehen hätten. Australien! Da Andrew Halb-Engländer sei, wäre die Sprachbarriere vernachlässigbar. Doch die Lebenshaltungskosten seien immens hoch, vor allen Dingen durch ihre Selbstständigkeit hätten sie wenig Renteneinkommen. Darum fiel auch Südafrika, wo Andrews Schwester mittlerweile lebe, weg.

Luxushäuser für kleines Budget In Namibia hingegen sind die Preise niedrig. Das Haus, in dem Anna und Andrew leben, steht mit etwa 400 weiteren Häusern inmitten eines riesigen Golfareals. Einige Golf Klubs in Namibia bieten diese Mischung: Ein Ressort aus Wohn- oder Ferienhäusern und ein ausgedehnter Golfplatz. Von Bällen zerschossene Fenster müssen die beiden nicht fürchten, denn allein ihr Grundstück umfasst 1.900 Quadratmeter und das sei &bdquo;eins von den kleineren“, wie Anna berichtet.

In Bad Oeynhausen haben sie ihrem Zahnarzt von den Auswanderungsplänen erzählt. &bdquo;Da hat er uns gefragt: ’In welcher Hütte leben Sie dann?’“, erinnert sich Anna. Noch heute muss sie lachen, wenn sie die Formulierung zitiert. Ihr Haus hat 350 Quadratmeter Bodenfläche, &bdquo;aber mit Garage“ wie Andrew beschwichtigt. Trotzdem: Beim Aufzählen der Räume müssen sie einen Moment überlegen. &bdquo;Wir haben eins, zwei, drei Schlafzimmer“, beginnt Anna, &bdquo;drei Bäder, eine Gästetoilette, ein Wohnzimmer mit 85 Quadratmetern“. Dann eine Hauptküche und eine zusätzliche, kleinere Küche. Dazu eine große Terrasse, hinter dem Haus steht ein Whirlpool, außerdem ein großer Schüsselgrill, um den man an einem Mauerkreisel sitzen kann.

Vergleichbare Häuser findet man auf der Website des Ressorts für zwischen 3.5 und 5.5 Millionen namibische Dollar. Umgerechnet jeweils etwas über 170.000 und 270.000 Euro. Wohlgemerkt: Vollausgestattet, klimatisiert und möbliert, ein Gärtnerservice inklusive. Die Bretts hatten Namibia 2022 besucht, sich das Land und das Ressort angeschaut. Die Firma verkauft, auch das Zweifamilienhaus, in dem außer ihnen noch Annas 2018 verstorbene Mutter gewohnt hat. Sich von den Kunden, den Freunden und Nachbarn verabschiedet, einen Container mit Möbeln mit dem Schiff losgeschickt und ihr ostwestfälisches Hab und Gut mit der Einrichtung des Hauses kombiniert.

Affenfamilien auf der Straße und eine deutsche Tageszeitung Auch wenn der Weg nach Namibia für die Bretts zunächst nach einer Vernunftentscheidung klingt, schwärmen sie von der Schönheit ihrer neuen Heimat. Von den bunten Liebesvögeln, die sie einfach nur anschauen und sich an ihnen erfreuen, von Affenfamilien, die in Windhoek auf der Straße laufen. Mit einer Bevölkerungsdichte von gerade einmal vier Menschen pro Quadratkilometer gehört Namibia zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Erde; Deutschlands ist 60 Mal so hoch. Darum müssten sie viel Strecke mit dem Auto zurücklegen – allerdings koste der Liter Benzin auch nur einen Euro.

Die Spuren deutscher Kolonialgeschichte sind in Namibia wohl noch sehr präsent: In den Supermärkten sprechen die Menschen deutsch, Andrew und Anna haben auch schon deutsche Bekannte zum Grillen eingeladen, die wie sie, ausgewandert sind. Sogar eine Tageszeitung gibt es in deutscher Sprache in Namibia, die Allgemeine Zeitung, eigenem Bekunden zufolge die älteste Tageszeitung Namibias, seit 1916 gibt es sie – Andrew und Anna haben sie abonniert.

Dass sie keine Pflichten mehr zu erledigen haben, scheinen sie in vollen Zügen zu genießen. Nicht mehr wie einst für die berufliche Selbstständigkeit schuften müssen, die Wochenenden zu arbeiten, immer verfügbar sein. Daran hätten sie sich erst gewöhnen müssen, ein Jahr habe es gedauert. &bdquo;Die Ruhe ist eine ganz andere“, sagt Anna, ihr Ressort gehöre ja noch zur Kalahari. Zur Ruhe kommen in der Savanne, das sollte möglich sein.

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