Verschärfte Regeln: Bielefeld verbietet Meisenknödel und mehr in der City

Bielefeld. Die Temperaturen sinken und vielen Tierfreunden juckt’s in den Fingern: Die Meisenknödel-Zeit beginnt. Was viele wohl nicht ahnen: In großen Teilen der Bielefelder Innenstadt sind Meisenknödel verboten.

Seit Juni 2025 gilt dort ein pauschales Fütterungsverbot für wildlebende Tiere – ein Beschluss, der eigentlich die Taubenpopulation eindämmen soll, aber auch die Wintertradition der Vogel-Fütterung in Wohnquartieren wie rund um den Siegfriedplatz mit einschließt.

Klingt absurd? Ist es im Alltag auch. Doch die Regelung steht schwarz auf weiß in der überarbeiteten ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt.

Ein großes Gebiet, ein großes Verbot Betroffen ist ein weit ausgedehntes Areal rund um die Innenstadt – begrenzt von August-Bebel-Straße, Detmolder Straße, Ostwestfalendamm, Stapenhorststraße, Siegfriedstraße und Schildescher Straße. Die Straßen gehören in voller Breite mitsamt Gehwegen zur Verbotszone, heißt es in der Verordnung.

Und die neue Regelung wird streng formuliert: &bdquo;Wildlebende Tiere dürfen in dem im Folgenden beschriebenen Bereich nicht gefüttert werden. Als Füttern gilt auch das Auslegen oder Anbieten von Futter in sonstiger Weise. Das Verbot gilt nicht für Futterplätze, die von der Stadt Bielefeld oder im Einverständnis mit der Stadt Bielefeld eingerichtet werden.“ Das schließt ausdrücklich jedes Auslegen von Futter ein – also auch Meisenknödel an Balkonen oder Bäumen.

Was als Baustein des Bielefelder &bdquo;Taubenkonzepts“ gedacht war, trifft damit auch Singvögel, Eichhörnchen – und all jene, die ihnen in kalten Monaten etwas Gutes tun wollten. Denn damit steht fest: Wer im genannten Bereich einen Meisenknödel aufhängt, verstößt gegen die Verordnung – zumindest juristisch.

Müssen wir jetzt alle eine Genehmigung beantragen? Michael Gugat, Fraktionsvorsitzender der Lokaldemokratie Bielefeld, stellte im Mai die Frage, ob Anwohnerinnen und Anwohner tatsächlich eine Genehmigung der Stadt einholen müssen, wenn sie einen Meisenknödel aufhängen? Die Verwaltung antwortete seinerzeit überraschend deutlich: &bdquo;Zusammenfassend ist die Annahme in letzter Konsequenz zutreffend.“

Begründung der Stadt: Futter zieht Tauben und Ratten an Zur Erklärung verweist die Stadt auf drei Kernpunkte:

Vogelfutter lockt nicht nur Singvögel, sondern auch Tauben und Ratten an. Die Winterfütterung helfe ohnehin überwiegend Arten, die nicht gefährdet sind. Milder werdende Winter stellten den Sinn traditioneller Fütterung grundsätzlich infrage. Unterstützung erhält die Verwaltung vom NABU, der eine ganzjährige Vogel-Fütterung ebenfalls kritisch sehe. Die Gründe:

Krankheitsübertragung: An großen, gemeinsam genutzten Futterplätzen können sich laut NABU Krankheiten schnell verbreiten, was für Vögel gefährlich ist. Abhängigkeit von Fütterung: Einige Experten sind der Meinung, dass Vögel, die regelmäßig gefüttert werden, die Fähigkeit verlieren, Nahrung in der Natur zu finden. Falsche Fütterungsmethoden: Eine Fütterung mit Speiseresten oder ungeeigneten Futtermitteln kann Vögeln schaden.

Vogelgrippe und Vogelfütterung? Viele Anfragen bekommt nach eigenen Angaben derzeit der &bdquo;Landesbund für Vogel- und Naturschutz“: &bdquo;Im Zuge der aktuellen Meldungen zum Thema Vogelgrippe erreichen uns viele besorgte Anfragen, ob Naturliebhaber jetzt auf die Vogelfütterung im Garten verzichten sollen. Die Antwort: Nein.“

Die Vogelgrippe sei nur gefährlich für Wasservögel (Schwäne, Gänsen, Enten, Möwen etc.) und Hühnervögel. Die im Umfeld des Menschen lebenden Singvögel – vom Rotkehlchen bis zum Spatz – spielten als Vektor für das Virus dagegen keine Rolle. Es seien keinerlei Einschränkungen für die Vogelfütterung im Garten nötig. Alle Bielefelder, die außerhalb des beschriebenen Bereichs in der Innenstadt leben, können also weiter füttern. Achten sollten sie dabei auf artgerechtes Futter. Außerdem sollte man laut Tierschützern Futterknödel in Netzen vermeiden, weil Tiere sich darin verheddern und im schlimmsten Fall sterben können.

Ein Verbot, das die Stadt selbst nicht durchsetzen will Und wie sieht es in der Innenstadt aus? So konsequent das Verbot klingt – so weich fällt die Umsetzung aus. Das Ordnungsamt betont, man werde &bdquo;mit Augenmaß“ handeln und im Regelfall nicht gegen Meisenknödel vorgehen. Juristisch beruft sich die Stadt auf das Opportunitätsprinzip: Sie kann ahnden – muss aber nicht. Genau darin sieht Michael Gugat ein strukturelles Problem: &bdquo;Ein Verbot, das gilt, aber vielleicht nicht durchgesetzt wird, schafft Unsicherheit. Und es öffnet die Tür für willkürliche Entscheidungen.“

Die anderen Parteien nahmen die Regelung im Mai im Gegensatz zur Lokaldemokratie übrigens erleichtert auf. Die FDP war froh, dass das Taubenkonzept &bdquo;endlich umgesetzt wird“. Die CDU führte an, dass die Alternative zur Fütterung eines unfruchtbar machenden Medikaments die Tötung von Tauben wäre. Auch die SPD zeigte sich seinerzeit erleichtert, dass das Thema vom Tisch sei.

Gutachten sieht Fütterungsverbote als rechtswidrig

Doch ist es das wirklich? Im Jahr 2022 hat laut den Tierschützern von &bdquo;Animals United“ die Landestierschutzbeauftragte Berlin, Dr. Kathrin Herrmann, ein juristisches Gutachten (verfasst von Christian Arleth) vorgelegt, das Fütterungsverbote für Stadttauben als rechtswidrig ansieht – und zwar aus folgenden Gründen:

Das Gutachten argumentiert, dass Stadttauben keine &bdquo;Wildtiere“ sind, sondern verwilderte Haustiere, also Nachfahren von einst domestizierten Brieftauben. Sie gelten demnach rechtlich als Fundtiere und unterliegen einer kommunalen Fürsorgepflicht gemäß Tierschutzgesetz und Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Kommunen, so das Gutachten, seien verpflichtet, für verwilderte Haustiere zu sorgen und dürften durch pauschale Fütterungsverbote nicht deren Hungern und Sterben riskieren. Derartige Verbote widersprächen dem Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz und seien daher rechtswidrig. Allerdings: Dieses Gutachten entfaltet zunächst nur juristische Fachwirkung – es gibt (noch) kein höchstrichterliches Urteil, das alle kommunalen Regelungen bundesweit aufhebt. Viele Städte argumentieren weiterhin, dass kommunale Allgemeinverfügungen rechtlich zulässig sind, insbesondere aus Gründen der Seuchenprävention und Stadthygiene.

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