Bielefelder Ermittler: So leicht manipulieren Täter schon Kinder zum Nacktbild-Versand

Bielefeld. Es begann bei Snapchat. Immer mehr Nachrichten schickte ein Familienvater einer 12 Jahre alten Schülerin, der er zunächst eine andere Identität vortäuschte. Bald schrieb er ihr, er sei in sie verliebt, machte ihr Komplimente, beteuerte, sie sei die Einzige für ihn. Als er sich ihrer emotionalen Abhängigkeit sicher war, gestand er dem Kind sein wahres Alter und begann, Bilder und Videos von sexuellen Handlungen einzufordern. Monatelang bereitete der Täter so ein Treffen im echten Leben vor, bei dem es schließlich zu schwerem Missbrauch kam.

Der Fall, in dem die Ermittlungen mittlerweile abgeschlossen sind, zeigt einen typischen Verlauf von Cyber-Grooming, sexuellen Missbrauch eines Kindes im Netz. Immer häufiger erfasst das Landeskriminalamt NRW diese Taten. Von 2020 bis 2024 ist ihre Zahl um 73 Prozent von 534 auf 926 angestiegen. Experten schätzen das Dunkelfeld, wie beim Missbrauch in der analogen Welt, gewaltig ein. Der Großteil der Taten wird also nicht bekannt.

Auch in dem bereits beschriebenen Fall dauerte es Monate, bis das Mädchen sich ihren Eltern anvertraute. Ihnen waren Verhaltensauffälligkeiten an ihrem Kind aufgefallen, ihr Handy aber kontrollierten sie nicht. Bis zu 100 Nachrichten schickte der Täter dem Mädchen pro Tag und band sie so immer enger an sich. Wollte das Mädchen seinen Forderungen nicht nachkommen, drohte er mit Aufmerksamkeitsentzug und teilte ihr mit, wie enttäuscht und traurig er von ihrem Verhalten sei. Ständig kontrollierte er, ob sie den gemeinsamen Chatverlauf auch wirklich lösche, und schärfte ihr ein, ihren Eltern nichts zu erzählen.

Kinder an Bielefelder Schulen pornografische Bilder oft gewohnt Wie kalkuliert und manipulativ die Täter im Netz vorgehen, wissen der Bielefelder Kriminalhauptkommissar Björn Schirmer, Ermittler für Kinder- und Jugendpornografie und Diplom-Pädagogin Bianca Post vom Kommissariat Kriminalprävention und Opferschutz. &bdquo;Soziale Vernachlässigung, der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Wertschätzung, Unbedarftheit und Neugier bringen Kinder dazu, sich auch auf völlig Fremde einzulassen, dazu braucht es nicht viel“, sagt Schirmer. Teilweise arbeiteten die Täter auch mit Bestechung und Geschenken in Form von Online-Gutscheinen.

Ein anderes Problem in den Augen der Experten: Viele Kinder und Jugendliche sind den Anblick von pornografischen Bildern und Videos gewohnt. Das erlebt Bianca Post auch häufig bei ihren Besuchen in Schulen. &bdquo;Wird dort zum Beispiel die Verbreitung von pornografischen Inhalten thematisiert, geben die Schüler an, dass sie das lustig oder cool finden und dass das jeder macht. Da gibt es häufig kein Wissen darüber, dass es sich bei den gezeigten Videos oder Stickern oft um Darstellungen von sexuellem Missbrauch handelt.“

Stelle dann ein Täter Forderungen nach Fotos und Bildern, auf denen Kinder und Jugendliche sich zunehmend freizügig zeigen sollen oder sexuelle Handlungen vornehmen sollen, kommen viele dem Wunsch einfach nach. Und sind die Täter einmal im Besitz solchen Materials, nutzen viele dieses dann dafür, die Opfer zu erpressen und immer mehr Bilder und Videos zu erhalten. &bdquo;Aus dieser Situation können die Opfer nur schwer entkommen“, sagt Bianca Post, die in Schulen über Grooming aufklärt. Zudem hinderten Scham und das Gefühl, selbst schuld zu sein, viele Kinder und Jugendliche daran, sich Hilfe zu holen.

Studie aus NRW: Ein Viertel aller Minderjährigen im Netz betroffen Auch in dem Fall der Bielefelder Polizei ging der Täter immer weiter. Er forderte das Mädchen zu sexuellen Handlungen auf, Bilder davon sollte sie ihm senden. Irgendwann überredete er das Kind dann zu einem Treffen in der analogen Welt. Er reiste von weither an, brachte die 12-Jährige in ein Hotel und missbrauchte sie dort über Nacht mehrfach schwer.

Nach diesem Treffen vertraute sich das Kind irgendwann seinen Eltern an. Diese kontrollierten daraufhin das Handy ihrer Tochter und erstatteten Anzeige. Die Ermittler fanden heraus, dass der Täter zeitgleich mit vielen anderen Mädchen im jugendlichen und kindlichen Alter geschrieben hatte, und das sowohl im In- als auch im Ausland. Er kategorisierte die Kontakte bei Snapchat und machte sich auch Notizen über Alter und Aussehen der Mädchen. Bei einer Durchsuchung wurde eine Vielzahl kinderpornografischer und jugendpornografischer Dateien gefunden. Für die beschriebene Tat verhängte das Landgericht Bielefeld eine Haftstrafe von 8,5 Jahren.

.responsive23-8U5Wuqoqt8q7bEin-bar-vertical-sexueller-missbrauch-von-kindern { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-8U5Wuqoqt8q7bEin-bar-vertical-sexueller-missbrauch-von-kindern { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-8U5Wuqoqt8q7bEin-bar-vertical-sexueller-missbrauch-von-kindern { padding-top: 125%; } } Dass Fälle wie dieser und die Zahlen des LKA NRW allenfalls eine winzige Spitze eines gewaltigen Eisberges darstellen und wie riesig das Dunkelfeld sein muss, zeigt eine Studie der Landesanstalt für Medien NRW unter 2.000 Kindern und Jugendlichen von acht bis 17 Jahren. Sie geht davon aus, dass ein Viertel aller Minderjährigen im Netz bereits einmal von Cyber-Grooming betroffen war.

Bielefelder Experte: Täter nutzen auch Kleinanzeigen-Portale Jeder siebte minderjährige Befragte gab zudem an, im Netz bereits von einer unbekannten Person zu einer Verabredung aufgefordert worden zu sein. Jeder achte gab an, dass ihm oder ihr im Netz bereits einmal Geld, Spielzeug oder etwas Ähnliches versprochen wurde als Gegenleistung für Fotos oder Videos. Sieben von 100 Minderjährigen wurden laut dieser Studie bereits konkret aufgefordert, sich vor der Kamera auszuziehen. Jeder achte Minderjährige hat bereits selbst Nacktbilder von Erwachsenen zugeschickt bekommen.

Am häufigsten nutzten Täter nach Aussagen der Opfer die Plattformen Snapchat und Instagram. &bdquo;Aber grundsätzlich ist jedes Kind auf jeder Plattform gefährdet“, sagt Experte Björn Schirmer. Neben Tiktok, Snapchat, Youtube und Spiele-Plattformen wie Minecraft, Roblox oder Fortnite nutzten die Täter auch Portale wie Kleinanzeigen oder Vinted, um Kontakt mit ihren Opfern aufzunehmen und eine Beziehung aufzubauen.

Eltern sind in der Verantwortung Für Expertin Bianca Post ist die Faustregel noch einfacher zu formulieren: &bdquo;Sobald Kinder Zugang zu einem Smartphone haben, sind sie durch sexuellen Missbrauch im Netz gefährdet, das muss Eltern klar sein.“ Und hier hilft in den Augen beider Fachleute nur eins: Kontrolle und Aufklärung. &bdquo;Eltern sind in der Verantwortung, genau zu prüfen, was Ihre Kinder im Netz tun“, sagt Björn Schirmer. &bdquo;Hier reicht es nicht, zu vertrauen, weil Kinder ihr Tun nicht überblicken. Und diese Kontrolle erfordert Zeit und Willen.“

Ein Social-Media-Mindestalter oder ein Smartphone-Verbot hält Schirmer für unrealistisch. &bdquo;Was wirklich helfen würde, wäre eine Altersverifikation über die Ausweisnummer.“ Denn grundsätzlich haben Plattformen wie Roblox oder Tiktok zwar Mindestalter von 16 oder 13 Jahren. Jüngere Kinder und Jugendliche können sich hier aber trotzdem registrieren, indem sie einfach ein falsches Alter angeben. &bdquo;Muss man aber die Ausweisnummer angeben, findet eine echte Überprüfung statt.“

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