Selbst ernannte Pädophilen-Jäger locken Bielefelder in Youtube-Falle

Bielefeld. Youtuber haben in Bielefeld mindestens zwei mutmaßliche Sexualstraftäter, die sich in einem Burgerladen an der Mauerstraße mit minderjährigen Mädchen treffen wollten, in eine Falle gelockt und diese anschließend mit den dabei dokumentierten Beweisen der Polizei übergeben. Die Kripo ermittelt seitdem in mindestens zwei Fällen wegen Cybergrooming-Verdachts. Trotzdem ist die Polizei nicht begeistert von den privaten Ermittlungen der &bdquo;Pedo Hunters“.

Es ist längst ein internationales Phänomen, das inzwischen auch in Deutschland um sich greift. Selbst ernannte Pädophilenjäger loggen sich mit ihren Lockvögeln in den bei Kindern und Jugendlichen beliebten Chats ein und warten dort als &bdquo;zwölfjährige Mädchen“ auf die oft unmissverständlichen Annäherungsversuche von älteren Männern. Andere Möglichkeit sind Kleinanzeigen, in denen sich die Lockvögel als Babysitter anbieten.

Der ehemalige Bundespolizist, Judo- und &bdquo;Mixed Martial Arts“-Kämpfer Nick Hein hat um sich eine solche Gruppe geschart. Seine sogenannte &bdquo;Einhorncrew“ hat auf Youtube inzwischen mehr als 400.000 Follower.

Der Bielefelder will der Zwölfjährigen alles zeigen Sein jüngstes Video spielt in Bielefeld. Ein halbes Jahr Arbeit steckt laut Hein in der Vorbereitung. Es geht um einen Bielefelder, der sich vor versteckten Kameras selbst als Rettungssanitäter bezeichnet. Er war in einem der Chats auf eine Schülerin aufmerksam geworden, chattete mit ihr explizit über Sex und sprach in Videotelefonaten über die Möglichkeit, dass sie schwanger werden könnte und weitere sexuelle Vorlieben.

Der Lockvogel – angeblich ein zwölf Jahre altes Mädchen – ist tatsächlich eine junge Frau, die sich in diesen Chats als völlig ahnungslos gibt. Er wolle ihr alles zeigen, sagt er in einem Mitschnitt eines Video-Telefonats. Dass sie erst zwölf Jahre alt ist, das störe ihn nicht, antwortet er, als der Lockvogel explizit danach fragt.

Die Pädophilenjäger haben inzwischen genug Beweise gegen den Bielefelder gesammelt. Dabei dürfen die Lockvögel nicht explizit nach sexuellen Dingen fragen. Das müsse alles aus eigenem Antrieb von den Männern kommen, sonst sei später die juristische Bewertung der Handlungen schwierig.

Sie locken den &bdquo;Sanitäter“ zu einem Treffen. Die &bdquo;Zwölfjährige“ schlägt ein Burger-Restaurant in der Bielefelder Innenstadt vor, das dafür bereits mit zahlreichen versteckten Kameras ausgestattet wurde. Ein Mitglied der &bdquo;Pedo Hunters“ gibt sich als Taxifahrer aus und holt den Bielefelder sogar von zu Hause ab. Auch im Fahrzeug laufen die Kameras mit. Der Mann gibt sich noch selbstbewusst: &bdquo;Menschen zu retten, ist mein Leben“, prahlt er.

Comic- und Gaming-Sequenzen sprechen junge Zielgruppe an Die Videos sind professionell produziert und sehr geschickt geplant, bei denen die offensichtlich sehr junge Zielgruppe mit bunten Comic- und Gaming-Einschüben mit auf die Jagd nach den Tätern genommen werden soll. Dazu kommen vom Kopf der Gruppe markige Sprüche wie &bdquo;Wir wollen, dass Pädophile Angst haben – wegen uns“. Nick Hein und sein Team wollen die mutmaßlichen Täter nicht nur der Polizei übergeben, sie wollen sie vor ihrem Publikum vorführen.

Und so erlebt der Bielefelder in dem Restaurant ein &bdquo;Horrordate“, wie es später im Titel des Youtube-Videos heißen wird. Erst taucht ein angeblicher Schlagerstar auf (es ist der verkleidete Nick Hein), dann benimmt sich die Zwölfjährige plötzlich völlig daneben und schließlich bauen sich zahlreiche breite Männer vor dem Bielefelder auf und konfrontieren ihn mit seinen Aussagen in den Chats und Videoanrufen. &bdquo;Ich gebe alles zu“, sagt er kleinlaut.

Mehr als 500.000 User sehen Bielefelder Video in zehn Tagen Nachdem die Show vorbei ist, übergeben Nick Hein und sein Team den Bielefelder der Polizei und überlassen ihnen ihre dokumentierten Aufnahmen und Chats. Seit Ende Januar ist das Video online. Mehr als eine halbe Million User haben es innerhalb von zehn Tagen angesehen.

Doch es ist nicht der einzige Auftritt der Einhorncrew in Bielefeld. Ein halbes Jahr zuvor veröffentlichten sie ein erstes Video in dem Burgerladen. Wieder wird ein Tatverdächtiger in die Falle gelockt und schließlich auch von Nick Hein und seinen kampfsporterfahrenen Kollegen zur Rede gestellt.

Der Familienvater bricht in Tränen aus, er findet keine Worte für sein Verhalten. In den Chats mit dem vermeintlichen Kind hört er sich deutlich selbstbewusster an, verschickt auch Nacktbilder von sich. Auf die Frage von Hein, was seine Frau und seine Töchter tun würden, wenn sie davon erführen, kommt nur ein Wort: &bdquo;Verstoßen“. Seine Kollegen in der Firma würden ihn &bdquo;hängen“, vermutet er. Dieses Video ist seit sechs Monaten online und hat die Grenze von einer Million Zuschauer bereits überschritten.

Bielefelder Kripo ermittelt wegen sexuellen Missbrauchs Wie Polizeisprecherin Sonja Rehmert bestätigt, sind beide Videos, die Beschuldigten und die Zeugen – also die Pedo Hunters – bei der Kripo bekannt. &bdquo; Zu beiden Sachverhalten wurden Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet.“ Die Kripo sieht in den dokumentierten Aussagen der Männer den Verdacht des Cybergroomings erfüllt, &bdquo;also der gezielten Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen“, erklärt Rehmert. Cybergrooming ist als Begehungsform des sexuellen Missbrauchs von Kindern verboten und mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren bewährt.

Trotzdem reagiert die Polizei sehr kritisch hinsichtlich der privaten Ermittlungen: &bdquo;Die Bekämpfung von Kriminalität und das Verhindern von Straftaten ist rechtsstaatliche Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft. Nur so ist eine rechtskonforme und nachhaltige Bekämpfung von sexuellem Missbrauch gegenüber Kindern und Jugendlichen zu erreichen.“

Polizei-Kritik: keine Ermittler- und keine Opferschutz-Erfahrung Zumal die Youtuber &bdquo;über keine Expertise hinsichtlich der Bekämpfung von Straftaten verfügen, keine Experten für Opferschutz sind und auch nicht im Umgang mit Personen in Krisensituationen geschult sein“, betont die Behördensprecherin.

Die Bielefelder Polizei kritisiert zudem, dass d as sensible Thema der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche als Unterhaltungsformat inszeniert werde. Rehmert betont: &bdquo;Diese Darstellung wird in keinster Weise den Opfern gerecht, die unter Umständen jahrelang unter dem Erlebten leiden und durch diese Videos getriggert, mit den Taten erneut konfrontiert und schlimmstenfalls retraumatisiert werden könnten.“

Profi-Käfigkämpfer Nick Hein kündigt bei der Polizei Nick Hein kennt diese Kritik bereits: &bdquo;Wir sind keine Therapeuten. Ich will, dass der Schiss kriegt.“ Der Kölner war von 2003 bis 2014 Polizist – unter anderem bei der Bundespolizei im Hauptbahnhof Köln. Nachdem seine Erfolge als Profi-Käfigkämpfer bekannt wurden (acht Kämpfe im &bdquo;Ultimate Fighting Championship“, UFC), zwang ihn sein Dienstherr, sich für eine der beiden Karrieren zu entscheiden. Seit Oktober 2020 arbeitet er als &bdquo;Pedo Hunter“.

Auch wenn sein Team bereits ein kindgerechtes Präventionsvideo produziert hat, bleibt Hein bei seinem Video-Konzept: &bdquo;Uns ist es relativ egal, ob die Leute uns feiern oder nicht. Denn wir haben uns schon entschieden. Wir werden weitermachen.“

Wichtige Tipps :

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