Initiativen für Bürokratieabbau? „OWL sollte ganz vorn mit dabei sein“

In diesem Gespräch geht es um Bürokratieabbau: um Erfahrungen aus der Modellregion Ostwestfalen-Lippe 2002–2007, konkrete Ergebnisse, Widerstände und Lehren für aktuelle Initiativen – sowie um Vorschläge, wie OWL heute erneut eine Vorreiterrolle übernehmen könnte.

Herr Heinrich, aktuell starten in Berlin und auch in Düsseldorf große Projekte zum Bürokratieabbau. Sie haben vor rund 20 Jahren in Sachen Bürokratieabbau OWL zur Modellregion entwickelt. Welche Erfahrungen haben Sie damals gemacht?

Jürgen Heinrich: Von 2002 bis 2007 haben wir bei der OWL GmbH das Ziel verfolgt, Ostwestfalen-Lippe zur Region mit der wirtschaftsfreundlichsten Verwaltung zu machen. Das war eine regionale Initiative – beschlossen in den Gremien der OWL GmbH als Public-Private-Partnership von Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Nach der Expo-Initiative von 1997 bis 2002.

War das eine Initiative des Landes oder des Bundes?

Weder noch. Das war ein regionaler Beschluss. Wir haben in einem Fachbeirat &bdquo;Wirtschaftsnahe Verwaltung“ 45 praktische Vorschläge erarbeitet, um gute Regulierung zu stärken und Bürokratie abzubauen. Diese haben wir dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Land NRW übergeben. NRW hat dann 2004 ein Gesetz zur Modellregion OWL verabschiedet: Für drei Jahre wurden 27 Vorschriften in OWL außer Kraft gesetzt – mit dem Ziel, Dinge zu erproben und bei Erfolg landesweit auszurollen. Das ist auch geschehen.

Welche konkreten Änderungen gab es?

Es wurden Behörden zusammengelegt, etwa das staatliche Umweltamt und das staatliche Amt für Arbeitsschutz. Das wurde später landesweit umgesetzt. Es entfielen Genehmigungsschritte: z. B. musste der Gebietsentwicklungsplan für den Raum Paderborn nicht mehr von der Landesplanung genehmigt werden. Schulkooperationen mussten nicht mehr von der Schulaufsicht genehmigt werden.

Hochschulen konnten Start-ups Räume und Geräte gegen eine Pauschale zur Verfügung stellen. Und schließlich wurden Rechtswege verkürzt: In 17 Rechtsgebieten entfiel das verpflichtende Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) in der Behörde vor einer Klage. Das sparte Zeit und Ressourcen, weil über 95 Prozent der Widersprüche ohnehin den Erstbescheid bestätigt hatten. Konkret konnte durch das Justizmodell OWL beim Verwaltungsgericht Minden die Klage der Anwohner der Schüco-Arena zügig beigelegt und der Spielbetrieb von Arminia gesichert werden.

Bürokratieabbau gilt als &bdquo;dickes Brett“. Warum ist das so?

Weil jede Regulierung einen Anlass hat – oft ernste. Ein prägendes Beispiel ist der Brand am Flughafen Düsseldorf: Danach wurden Brandschutzvorschriften stark verschärft; das hatte berechtigte Gründe, führte aber zu hohen Investitionen in allen Schulen des Landes. Regulierung entsteht selten &bdquo;im luftleeren Raum“. Wer 100-prozentige Sicherheit anstrebt, riskiert am Ende Stillstand. Umso wichtiger ist es, regelmäßig zu prüfen, was nötig und was überzogen ist.

Gab es auch symbolische Aktionen?

Ja. Wir haben den Erfolg damals öffentlich sichtbar gemacht – etwa mit einer Akten-Schredder-Aktion im Ravensberger Park in Bielefeld und einer Riesensäule mit Papierschnitzeln als Zeichen für abgebauten Papierkram. Wichtiger war aber das &bdquo;Bündnis für wirtschaftsnahe Verwaltung“: Rund 130 Persönlichkeiten aus OWL – fast alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landräte, Spitzen aus Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft – haben sich verpflichtet, gemeinsam voranzugehen. So etwas braucht langen Atem, kleinteilige Arbeit und Überparteilichkeit.

Und wie bewerten Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen in OWL die aktuelle Initiative wie &bdquo;Handlungsfähiger Staat“ von Peer Steinbrück, Thomas de Maizière, Julia Jäkel und Andreas Voßkuhle?

Das ist eine großartige Sache. Dort wird u. a. das Prinzip von Modellregionen erneut vorgeschlagen. Ich wünsche mir, dass OWL wieder antritt. Erste Stimmen aus der Region – etwa die Handwerkskammer OWL und der CDU-Regionalchef Ralph Brinkhaus – haben sich bereits geäußert. Jetzt braucht es jemanden, der den Hut aufsetzt und die Akteure zusammenbringt.

Wer sollte diese Rolle in OWL übernehmen?

Das muss überparteilich passieren und professionell organisiert sein. Es braucht eine starke Mannschaft aus Unternehmen, Kammern, Hochschulen, Gewerkschaften und Verwaltungen. Mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet, könnte es vielleicht auch wieder die OWL GmbH sein.

Es gibt viele unterschiedliche staatlichen Ebenen. Wo sehen Sie an der Stelle Reformbedarf?

Grundsätzlich sind die Gemeinden unverzichtbar; dann lässt sich vieles interkommunal, also durch Zusammenarbeit organisieren. Ob Kreise in ihrer heutigen Form zwingend nötig sind, ist diskutabel. Auch die Zahl und Rolle der 16 Bundesländer kann man hinterfragen. OWL hat mehr Einwohner als einige Bundesländerländer und ist wirtschaftlich stärker als mehrere Länder und europäische Staaten – dennoch braucht es von hier Umwege über Düsseldorf. Solche Fragen sind politisch heikel und historisch gewachsen, aber man sollte sie zumindest konzeptionell denken.

Woher kommen die größten Widerstände gegen Bürokratieabbau?

Nicht nur aus den Ministerien. Viele Lobbygruppen verteidigen &bdquo;ihre“ Vorschriften. Auch Gewerkschaften – etwa ver.di – standen der &bdquo;wirtschaftsnahen Verwaltung“ damals skeptisch bis ablehnend gegenüber. Da haben wir offenbar nicht gut genug erklärt, dass es um effiziente, bürger- und unternehmensfreundliche Verwaltung geht, nicht um Aushöhlung.

Haben Sie ein Beispiel, wo gute Regulierung erhalten wurde, aber unnötige Hürden reduziert?

Bei den Fördermitteln: Wir konnten durchsetzen, dass im öffentlichen Raum Mittel noch sechs Monate über den Bewilligungszeitraum hinaus eingesetzt werden durften und nicht hektisch. Das ist praxisnah.

Wie unterscheiden Sie gute Regulierung von Überregulierung?

Das ist stets im Einzelfall zu prüfen. Welche Wirkung hat eine Regel? Steht der Aufwand (inkl. Kontrolle und Verfahren) im Verhältnis zum Nutzen? Ein Beispiel ist der Baumschutz: Schützt eine kleinteilige Genehmigungspflicht die Bäume messbar besser – oder erreicht man mit Vertrauen, sozialer Kontrolle und klaren, einfachen Regeln ähnliche Ergebnisse mit weniger Aufwand? Das Schlüsselwort ist Vertrauen – ohne Naivität.

Warum sieht man so selten große Reformen, wenn doch vieles dafür spricht?

Weil Widerstände tief verankert sind – politisch und in der Bevölkerung.

Hat die Modellregion OWL zum Bürokratieabbau über die Region hinaus Wirkung entfaltet?

Ja. Die Modellregion wurde bundesweit beachtet. Ich habe unsere Erfahrungen in anderen Regionen vorgestellt. Bürokratieabbau ist ein Dauerthema, das sich stets weiterentwickelt.

Ihr Fazit: Lohnt sich der permanente Einsatz für Bürokratieabbau?

Sich für gute Regulierung einzusetzen, ist eine Daueraufgabe. Jetzt, mit der Initiative &bdquo;Handlungsfähiger Staat“, ist das Thema im Fokus und eine günstige Gelegenheit, richtig was zu machen. OWL sollte ganz vorn mit dabei sein.

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