Gütersloh. Es stockte zu Beginn. Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann und Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer mussten Schlange stehen, bevor sie beim Landespresseball schwofen konnten. Schirmherrin Löhrmann erreichte dann von vielen unerkannt den Ballsaal, nachdem sie die Einlasskontrolle passiert hatte.
Der Stau, in dem auch die Promis standen, bildete sich, weil im Auftrag des ausrichtenden Deutschen Journalistenverbandes jeder Gast fotografiert wurde. Das Blitzlichtgewitter schuldete sich aber nicht dem Presseauflauf; denn nur etwa 15 Journalisten feierten mit den etwa 800 Gästen, die der Veranstalter gezählt hat.
Wilfried Burmann, der seit 25 Jahren die Gala für den Journalistenverband Ostwestfalen-Lippe organisiert, hatte aus der Region zirka 600 Mitglieder eingeladen – mit wenig Erfolg. Eine Erfahrung, die Burmann nicht neu ist. "Nie standen mehr als 30 Journalisten auf der Gästeliste des Landespresseballs", der am Samstag seine 64. Auflage erlebte. Dabei dürften den Abwesenden die Ohren geklingelt haben, denn der französische Botschafter in Berlin, Maurice Gourdault-Montagne, schüttete als Vertreter des Partnerlandes der Mediengala Lob über die deutsche Zeitungslandschaft aus: "Als Franzose kann man die dezentralen, föderalen Strukturen und die journalistische Qualität der deutschen Tageszeitungen nur bewundern", sagte der Botschafter. "Der intellektuelle Anspruch der deutschen Presse und ihre Gründlichkeit sind uns Vorbilder."
Löhrmann und die Fraktion "Genuss und Vernunft"
Gourdault-Montage betonte auch, wie eng die Beziehungen seines Heimatlandes zu Nordrhein-Westfalen seien. Mehr als 300 französische Firmen beschäftigen an Rhein, Ruhr, Lippe und Weser mehr als 75.000 Mitarbeiter. Der Botschafter erinnerte an den Élysée-Vertrag, den Charles de Gaulle und Konrad Adenauer vor 50 Jahren zum Fundament der deutsch-französischen Freundschaft gemacht hätten und stellte augenzwinkernd mit Blick ins Geschichtsbuch fest, dass die Franzosen wiederholt "uneingeladen" im heutigen NRW zu Gast gewesen seien. Die deutschen Übergriffe auf das Nachbarland ließ er höflich unter den Tisch fallen.
Schirmherrin Sylvia Löhrmann verriet ein Geheimnis: "Ich tanze gern und zähle bei den Grünen zur ,Fraktion Genuss und Vernunft", sagte die Schulministerin, die wie Fred Astaire im Tanz ein Telegramm an die Sonne mit der Bitte sieht, die Schwerkraft aufzuheben. Wie eine solche Botschaft aussieht, zeigten die 25 Debütantenpaare, die die Gala eröffneten. Zum Kommando "Alles Walzer" drehten sie sich links herum und Organisator Wilfried Burmann stellte zufrieden fest: "Was der Wiener Opernball kann, können wir schon lange."
Während der Opernball aber eher zu Johann-Strauß-Kompositionen tanzt, sangen für die Gütersloher Gala-Gäste die Les Humphries Singers. Drei Mitglieder der nun neunköpfigen Formation zählten in den 1970er-Jahren zu jener Gesangsgruppe, die 54 Millionen Tonträger abgesetzt hatte. Mit "Promised Land", "Mexico" und "Mama Loo" erinnerten sie an die multikulturelle Hippie-Gruppe von einst.
Wer nicht tanzte oder tafelte, vergnügte sich am Roulettetisch, fütterte Spielautomaten eines Sponsoren oder kaufte zum Preis von fünf Euro pro Stück Lose für die große Tombola. Viele wussten, was sie erwartete, denn der Presseball verfügt über ein solides Stammpublikum, das die Galaatmosphäre schätzt. Modische Ausreißer gab es keine, denn dem Veranstalter-Wunsch nach "festlicher Abendgarderobe" kamen die Gäste nach. Nur eins war offensichtlich: Mann trägt wieder Fliege.