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Bielefeld

Tuberkulose-Patientin wurde einfach aus Bielefelder Klinik entlassen

Frau hatte Kontakt zu vielen Menschen / Diagnose: "Offene TBC"

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Bielefeld. Als Melanie B. (Name geändert) am 21. Dezember aus dem Franziskus-Hospital entlassen wird, ahnt sie nicht, welche Wendung ihr Fall nehmen wird. Die junge Herforderin war gut eine Woche lang mit Verdacht auf Tuberkulose untersucht worden, alle Tests verliefen negativ. Einer blieb offen. Der brachte vergangenen Donnerstag dieses Ergebnis: "Offene TBC".

Nun müssen sehr viele Menschen aus Bielefeld, Gütersloh und Herford untersucht werden – und Melanie B.’s Kind (5) droht eine Chemotherapie. Vergessen worden war bei ihrer Entlassung der Hinweis, dass sie Kontakt zu Menschen meiden solle.

Es ist ein Fall, in dem deutlich wird, dass Medizin immer unwägbar bleibt, ein Fall, der zeigt, in welchem Dilemma Ärzte und Patienten stecken, wenn es ums Abschätzen von Risiken geht. Oberarzt Dr. Thorsten Franz ist verantwortlich, er geht offen mit dem Fall um, spricht von "einer sehr tragischen Entscheidung".

Damit meint er, dass die Patientin nicht darüber informiert wurde, dass ein sehr kleines Restrisiko blieb und dass sie theoretisch ansteckend sein könnte – wenn auch nur "nach mehrstündigem Kontakt", wie Dr. Ruth Delius, Leiterin des Bielefelder Gesundheitsamtes, sagt.

"Patienten nicht wochenlang im Krankenhaus festhalten"

Bevor sie von der Stellungnahme von Dr. Franz erfährt, sagt sie aber auch: "Dass der Arzt die Patientin bei der Entlassung nicht informiert, das wäre so irritierend, dass ich es mir nicht vorstellen kann." Richtig sei, die Patienten nicht wochenlang im Krankenhaus festzuhalten – "dafür ist das Risiko zu gering".

Dr. Franz betont, dass er die ganze Zeit über mit dem Gesundheitsamt Kontakt gehabt habe, was Dr. Delius bestätigt – Dr. Francis Abel sei die Kontaktperson gewesen. Dr. Franz: "Mir tut das unglaublich leid, vor allem um das Kind, das nun vielleicht eine Chemotherapie-Prophylaxe bekommt." Darüber entscheidet laut Wolfgang Kuhlmann, Sprecher des Kreises Herford, ein Kinderarzt. Dr. Franz: "Mir geht das richtig an die Nieren."

Er sei sich nach dem üblichen Interferon-Test (Blut) sowie weiteren Untersuchungen (Bronchioskopie) sicher gewesen; "und es ist immer ein Abwägen, wie weit wir dann Patienten noch verunsichern – und dabei wurde leider die Information vergessen".

Bis zum Befund Kontakt mit Hunderten Menschen

Melanie B. wird nun in Bad Lippspringe in einer Spezialklinik behandelt. Ihre Schwester, die in der Windflöte lebt, ist empört: "Wir arbeiten beide im Gesundheitswesen, haben Silvester groß gefeiert." Sie habe zwei Kinder, darunter ein Kleinkind. "Ich mache mir riesige Sorgen." Ihre Schwester habe Kontakt zu Hunderten Menschen gehabt, bis sie Donnerstag den positiven Befund erhielt.

Das Gesundheitsamt Herford muss nun herausfinden, welche Menschen infiziert sein könnten. Kuhlmann spricht von drei Kontaktgruppen: "Die Familie und zwei weitere, sehr große Personengruppen." Welche, das sagt er nicht. Datenschutz. Eine dürfte ein Gütersloher Krankenhaus sein, an dem die Erkrankte lernte.

Dr. Delius sieht einen möglichen Arztfehler, "ob der aber gravierend ist, müsste geprüft werden". Das sei nicht ihre Ebene, sondern eine zivilrechtliche Angelegenheit sowie ein Fall für die Ärztekammer. Offene TBC – also mit dem Bakterium auf den Bronchien und damit aushustbar – gebe es in Bielefeld mindestens einmal im Jahr.

Deutschlandweit erkranken mehrere 1.000 Menschen jährlich, je nach Quelle sterben 5 bis 10 Prozent von ihnen.

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