Minden. Der Führerschein bedeutet für viele Senioren Unabhängigkeit und Mobilität. Immer wieder aber brandet auch die Debatte auf, ob Ältere ihre Fahrtauglichkeit regelmäßig überprüfen lassen müssen. Bislang gibt es eine solche Pflicht nicht – allerdings sind Straßenverkehrsbehörden wachsam, wenn sie der Verdacht erreicht, ein Senior könne nicht mehr sicher fahren. Zum Beispiel im Kreis Minden-Lübbecke.
Rund 60 Autofahrer ab Mitte 70 müssen dort jährlich ihre Fahrtauglichkeit begutachten lassen, weil die Polizei, Ärzte, Nachbarn oder andere sie dort gemeldet haben. Die Hälfte davon gibt den Führerschein gleich freiwillig ab. Die anderen lassen sich testen, rund 15 Prozent verlieren den Führerschein.
So wie Eva Wedekind aus Minden. Irgendjemand musste sie angezeigt haben, denn ohne dass sie einen Verkehrsverstoß begangen hatte, erhielt sie eine Vorladung zur Fahrtauglichkeitsuntersuchung. Das war vor zwei Jahren. "Ich sollte im Gesundheitsamt eine Uhr zeichnen und einen Reaktionstest machen", erinnert sich die 74-Jährige. Wer die Behörde informiert hatte, erfuhr sie nicht. Nach dem Test teilte das Amt ihr mit, dass sie nicht mehr fahren dürfe. Die Gebühren in Höhe von 150 Euro musste sie zahlen.
Diplompsychologin attestierte Fahruntüchtigkeit
Doch Wedekind schaltete einen Rechtsanwalt ein und fuhr weiter ihren Renault. Vor einem Jahr kam dann eine Vorladung zur medizinisch-psychologischen Untersuchung. Sie fiel wieder durch. Kosten diesmal: 214 Euro Gebühren. Die 74-Jährige kämpfte weiter – und verlor abermals: bei einer Fahrverhaltensbeobachtung im Beisein eines Fahrlehrers und einer Diplompsychologin. Diese attestierte der Seniorin, dass ihr Reaktionsverhalten verlangsamt sei und sie nicht mehr sicher fahren könne. 250 Euro kostete diese Untersuchung, dazu kamen 140 Euro für eine Probestunde in der Fahrschule. "Dabei bekomme ich nur 751 Euro Rente im Monat", klagt die Seniorin.
Werden Senioren beim Straßenverkehrsamt gemeldet, geht es meist um Sehfähigkeit, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Demenz, berichtet die Pressestelle des Kreises Minden-Lübbecke. Mitunter können sich die Verfahren dann in die Länge ziehen. Rechtsmittel gegen die Vorladung zur Begutachtung sind nicht möglich, da das Gutachten der Informationsfindung dient und kein angreifbarer Verwaltungsakt ist. Aber der Gebührenbescheid und der nachfolgende Entzug des Führerscheins sind anfechtbar.
Wenn am Ende der Verfahren die Behörde, um die Verkehrssicherheit zu garantieren, den Senior endgültig zur Abgabe des Führerscheins auffordert, kann das individuell ein schwerer Schicksalsschlag sein. Eva Wedekind leidet unter Osteoporose. Ohne den Wagen vor der Tür ist sie nicht mobil. "Wie soll ich jetzt zum Arzt kommen oder einkaufen?", fragt sich die bislang selbstständig lebende Seniorin, die nach eigenen Angaben im Frühjahr noch die Schwester in Hannover mit dem Auto besucht hat und ihren behinderten Sohn regelmäßig fährt.