Deutschlandweiter Großstreik: Gewerkschaften legen Verkehr in OWL lahm

Bielefeld/Paderborn (dpa/ww/anwi/groe/jk). Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen in Deutschland ist am Montagmorgen weitgehend zum Erliegen gekommen. Seit Mitternacht läuft ein großer Warnstreik der Bahngewerkschaft EVG und von Verdi. Von dem 24-stündigen Arbeitskampf sind Millionen Berufspendler und Reisende sowie weite Teile des Güterverkehrs betroffen.

In Folge der Arbeitsniederlegungen werden erhebliche Ausfälle und Staus im bundesweiten Verkehr erwartet. In NRW wie im Bund sind von der beispiellosen Warnstreik-Aktion der Fern-, Regional-, und S-Bahn-Verkehr der Deutschen Bahn sowie weiterer Eisenbahn-Unternehmen betroffen. Auch die Autobahngesellschaft soll bestreikt werden, ebenso wie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Der Überblick:

Großer Warnstreik in OWL am Montag, 27. März &bdquo;Es wird Zeit, dass die Arbeitgeberseite endlich erkennt, wie groß der Druck bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist. Es geht nicht darum, Luxusurlaube zu finanzieren. Wir sind an dem Punkt, wo Familien Miete, Energiekosten, Essen und Kleidung, nicht mehr mit einer normalen Erwerbstätigkeit finanzieren können“, betont die Verdi-OWL-Bezirksgeschäftsführerin Martina Schu.

In Bielefeld werden von vier Uhr Montagmorgen bis Dienstagmorgen um vier Uhr keine Stadtbahnen und nur wenige Busse fahren. Lediglich die Linien, die von Fremdunternehmen organisiert werden, verkehren nach Plan. Eine Verdi-Versammlung findet ab 10 Uhr auf dem Betriebshof Sieker statt. Weitere Kundgebungen gibt es in Gütersloh und Minden.

Auch die Stadtbus Gütersloh GmbH ist von dem ganztägigen Streik betroffen. "Voraussichtlich finden keine Fahrten auf den Stadtbus-Linien sowie im Schulverkehr statt", so das Unternehmen. Als Tochterunternehmen der Deutschen Bahn trifft der Streikaufruf auch den BVO (Busverkehr Ostwestfalen Lippe), wie die OWL Verkehr GmbH auf ihrer Internetseite mitteilt.

Lippe ist auch von den Streiks betroffen. So werden im Stadtbusverkehr in Detmold alle Fahrten der Busverkehr Ostwestfalen GmbH (BVO) bestreikt. Die Linie 701 falle komplett aus, bei den Linien 702, 707, 709, 703, 704 und den E-Wagen Linien 711 bis 718 falle etliche Fahrten aus.

Die Straßen sind daher am Montagmorgen insbesondere im Berufsverkehr extrem voll gewesen, teilt die Kreispolizeibehörde Lippe mit. "Es kam zu einigen kleineren Unfällen mit Blechschäden, allerdings nicht mehr als an anderen Tagen im Berufsverkehr", sagte Polizeisprecherin Nina Ehm. Durch ausgiebige Informationen im Vorfeld hätten wohl die meisten Menschen den anstehenden Streik mitbekommen und sich auf längere Anfahrtszeiten eingestellt. Das große Chaos sei demnach ausgeblieben.

Das Detmolder Taxiunternehmen Thomas Limberg kann das nur bestätigen. Zwar habe es ein paar Anrufe mehr am Bahnhof oder auch vereinzelt an diversen Bushaltestellen gegeben, die Fahrerinnen und Fahrer seien mit dem geringen Mehraufwand aber gut zurecht gekommen. "Wir haben alles geregelt bekommen, die meisten Menschen wussten anscheinend Bescheid, was sie heute erwartet", sagt Ulli Schemberg aus der Limberg-Zentrale.

Genauso haben wohl die meisten Schülerinnen und Schüler in Lippe trotz diverser Busausfälle den Weg in den Unterricht gefunden, das lässt zumindest eine Stichprobe vermuten. In Detmold am Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasium sei am Montagmorgen nur ein Schüler von seinen Eltern offiziell busbedingt abgemeldet worden, ansonsten habe das Sekretariat keine Entschuldigungen erreicht. "Bei uns gab es überhaupt kein Chaos", sagt die ständige stellvertretende Schulleiterin Anja Vothknecht. Viele Schülerinnen und Schüler kämen aber sowieso auch aus dem Stadtgebiet, der Fahrradparkplatz sei wie gewohnt voll gewesen. Einige Busse seien zudem auch unterwegs gewesen,

Genauso problemlos lief es an der Gesamtschule Aspe in Bad Salzuflen. "Dieser Montag unterscheidet sich nicht sehr von anderen Montagen", fasst Schulleiter Oliver Dudek zusammen. Da die Stadtbusse in Bad Salzuflen ohnehin nach Plan unterwegs gewesen seien, habe der Streik kaum Auswirkungen gehabt. Ein größeres Problem markierten derzeit eher die vielen krankheitsbedingten Abmeldungen.

In Herford wird es ebenfalls zu erheblichen Einschränkungen kommen. Die BVO ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn und bedient in Herford die Stadtbuslinien S1 bis S6. Von ganztägigen gravierenden Störungen im Betriebsablauf sei zu rechnen, heißt es. Und es folgt sogleich der Hinweis: "Die Mobilitätsgarantie NRW findet bei Streiks keine Anwendung." Auch weitere Linien sind betroffen.

In Paderborn wird am Montag eine Kundgebung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stattfinden. Die Streik-Teilnehmenden treffen sich um 11.30 Uhr vor dem Werkstor der DB-Fahrzeuginstandhaltung und ziehen von dort zum Nordbahnhof. Der Padersprinter-Betrieb ist abermals betroffen. Das gesamte Fahrtenangebot, inklusive des Schülerverkehrs,wird von Betriebsbeginn bis -ende vollständig eingestellt. Ab 7 Uhr treffen sich die Streikenden zu einer Kundgebung auf dem Betriebsgelände. Auch ein großer Teil der Regionalbusse im Kreis Paderborn wird vom Streik betroffen sein.

Der Verkehr im Kreis Höxter wird ebenfalls betroffen sein. Der Streik in Fern- und Nahverkehr trifft die Nordwestbahn und über die Fahrdienstleiter auch das Streckennetz der DB Netz sowie verschiedene Linienbusse. Der Verkehrsverbund führt einen kompletten Ausfall aller Bahnen auf. Die Busse der BVO, die teils in Warburg eingesetzt werden, würden aller Voraussicht am Montag nicht fahren. Busse der VBE, die teilweise Steinheim und Nieheim anfahren, würden dagegen generell nicht bestreikt. Für Busse von Go-on meldet der NPH: "Alles fährt."

Nah- und Fernverkehr der Bahn betroffen Die Deutsche Bahn stellt den Fernverkehr am Montag wegen des Streiks "komplett" ein. Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, können das Ticket laut Bahn bis 4. April flexibel nutzen. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden.

Der bundesweite Warnstreik hat am Montagmorgen in Nordrhein-Westfalen nicht nur den Fern-, sondern auch den Regional- und S-Bahnverkehr lahmgelegt. &bdquo;Es fährt gerade nichts auf der Schiene“, sagte ein Sprecher der Bahn für NRW. Das betreffe nicht nur die Regionalverbindungen von DB-Regio, sondern auch die Linien der Bahnkonkurrenten.

Grund sei, dass sich auch Personal in Betriebszentralen und Stellwerken an dem Warnstreik beteilige. Das lege den Verkehr für alle Nutzer der Schienenwege lahm. Ob es am Nachmittag wieder einzelne Verbindungen geben werde, müsse man abwarten, sagte der Sprecher. Schienenersatzverkehr mit Bussen sei allein wegen des Umfangs und fehlenden Personals nicht möglich, sagte der Bahnsprecher.

Bundesweit haben sich der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zufolge bis zum frühen Morgen allein im Bahnsektor mehr als 30.000 Beschäftigte an 350 Standorten beteiligt, teilte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch am Montagmorgen mit.

Auch die Nordwestbahn teilte mit, dass "sämtliche Züge ausfallen". Betroffen sind damit unter anderem die Verbindungen zwischen Osnabrück und Bielefeld sowie zwischen Bielefeld und Paderborn . Teilweise ist ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Das Unternehmen informiert darüber auf seiner Internetseite .

Die Eurobahn wies ebenfalls auf massive Einschränkungen "im Zeitraum 27.03.2023 bis einschließlich 28.03.2023" hin. Neben dem Streik komme dort zum Tragen, dass "die Stellwerke der DB Netz zwischen Bünde (Westfalen) und Rahden voraussichtlich bis einschließlich 31. März personell nicht in vollem Umfang besetzt werden". Einschränkungen gebe es entlang der Linie RB 71 zwischen Bielefeld und Rahden .

Die Westfalenbahn geht ebenso von massiven Einschränkungen am Montag aus, da die DB Netz AG als Infrastrukturbetreiber bestreikt wird. In OWL bedient das Unternehmen die Linien RE 60 zwischen Rheine und Braunschweig mit Halt unter anderem in Löhne , Bünde und Minden sowie RE 70 zwischen Bielefeld und Braunschweig mit Halt unter anderem im Herford und Bad Oeynhausen .

&bdquo;Hier ist alles dicht“: Ausfälle an NRW-Flughäfen Der bundesweite Verdi-Warnstreik hat am Montagmorgen den Flugverkehr in den beiden größten NRW-Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn weitgehend lahmgelegt. &bdquo;Hier ist alles dicht. Das ist jetzt ein ökologischer Flughafen“, sagte der Verdi-Gewerkschaftssekretär Frank Michael Munkler zum Flughafen Köln/Bonn. Der Flughafen hatte am Vortag angekündigt, dass mindestens drei Viertel der geplanten 175 Starts und Landungen ausfallen würden. Weitere Flugstreichungen oder Umleitungen seien möglich.

Am Flughafen Düsseldorf wurden am Morgen laut Flugplan fast alle Flüge annulliert. Ursprünglich waren hier an dem Tag 330 Starts und Landungen am Düsseldorfer Airport geplant. Davon fänden über den Tag verteilt voraussichtlich 69 Flugbewegungen statt, sagte ein Flughafensprecher. Die Zahl könne sich aber noch verändern. Teils seien Flüge umgeleitet oder auf Dienstag verschoben worden.

Der Dortmunder Flughafen hatte für Montag den kompletten Flugbetrieb abgesagt. Der Flughafen Münster-Osnabrück, an dem nicht gestreikt wurde, übernahm jeweils 20 Starts und Landungen anderer Airports. &bdquo;Wir helfen gern aus, damit die Urlauber an ihre Ziele kommen“, sagte der dortige Flughafensprecher Detlef Döbberthin.

Zum Arbeitskampf aufgerufen sind außerdem die Beschäftigten in den kommunalen Häfen und Schleusen etwa in Minden , Duisburg und im Münsterland.

Verkehrsbehinderungen auf den Straßen - Schulpflicht gilt Größere Staus im Straßenverkehr am Morgen über die üblichen Behinderungen im Berufsverkehr hinaus wurden bisher nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Teils war von stockendem Verkehr die Rede ohne größere Einschränkungen in Folge des Großstreiks. Der ADAC hatte für NRW schwere Verkehrsbehinderungen befürchtet, vor allem rund um Köln und im Ruhrgebiet. Auch in Ostwestfalen-Lippe ist heute mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechnen. Der Automobil-Club hatte geraten, wo es möglich ist, im Homeoffice zu bleiben oder außerhalb der Stoßzeiten zum Arbeitsplatz zu fahren. Wer mit dem Auto unterwegs sei, solle in jedem Fall mehr Zeit einplanen als sonst, hieß es in einer Mitteilung.

Trotz des großen Warnstreiks müssen Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen am Montag zur Schule. "Am kommenden Montag findet Schule statt", hieß es am Freitag aus dem Schulministerium. Bei vorab angekündigten Ereignissen wie einem Streik des öffentlichen Nahverkehrs und daraus eventuell resultierenden Beeinträchtigungen bestehe die Schulpflicht auch weiterhin.

Gleichwohl könne die Dimension des Streiks die Eltern &bdquo;vor erhebliche organisatorische Schwierigkeiten stellen und gegebenenfalls dazu führen, dass für Schülerinnen und Schüler der Schulweg im Einzelfall faktisch unmöglich wird“, hieß es weiter. Den Schulleitungen riet das Ministerium, &bdquo;in diesen Fällen mit Augenmaß vorzugehen“. Christopher Alt, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW, kann die harte Vorgehensweise der Protestaktion nachvollziehen, bedauert aber, dass es die Schüler trifft: "Wenn offen und fair verhandelt werden würde, dann hätten wir diese Probleme nicht."

Fährverkehr zu den Ostfriesischen Inseln nicht betroffen Der Fährverkehr von und zu den Ostfriesischen Inseln ist bei dem großen Warnstreik am Montag nicht betroffen. Wie aus den Fahrplänen der einzelnen Fährgesellschaften für die sieben Ostfriesischen Inseln im Internet am Freitag hervorging, läuft der Fährbetrieb am Montag regulär. Die Fähren an der ostfriesischen Küste werden von Reedereien oder von Tochterfirmen von Tourismusgesellschaften der Inseln betrieben. Auch der Fährverkehr zwischen Harlesiel und der Insel Wangerooge, der von einer Tochterfirma der Deutschen Bahn betrieben wird, wird nach Angaben einer Bahnsprecherin nicht bestreikt.

Allerdings müssen sich etwa Urlauber, die mit der Bahn zu den Fähranlegern nach Norddeich oder Emden-Außenhafen anreisen wollen,wegen des Warnstreiks auf Zugausfälle einstellen. Man erwarte "erhebliche Störungen im Bahnverkehr", teilte die landeseigene Hafenbetriebsgesellschaft NPorts auf Anfrage mit. Bei der Reederei Norden-Frisia, die die Fähren zu den Inseln nach Juist und Norderneybetreibt, wurden deshalb schon einige Buchungen für Fährfahrten von Montag auf Sonntag verlegt, wie eine Reederei-Sprecherin mitteilte.

Geduld brauchen auch Besucher und Bewohner der Insel Sylt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass am Montag bis zum Nachmittag kein Sylt-Shuttle verkehren werde, teilte die Bahn mit. Da nach derzeitigem Stand der Streik auf dem nördlichsten Streckenabschnitt zwischen Niebüll und Westerland aber um 15 Uhr beendet sein soll, soll der Verkehr dann umgehend wieder aufgenommen werden. "Bitte berücksichtigen Sie, dass der Betriebsstart gegebenenfalls etwas holprig beginnen kann", teilte die Bahn auf ihrer Homepage mit.

Verdi und EVG verhandeln Mit den Aktionen erhöht Verdi den Druck für die heute beginnende dritte Verhandlungsrunde mit Bund und Kommunen. Gemeinsam mit dem Beamtenbund dbb fordert die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro pro Monat mehr Lohn. Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Verhandlungsrunde Ende Februar ein Angebot vorgelegt. Es umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro.

Ende Februar begannen zudem die Verhandlungen der EVG mit der Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen. Die Gewerkschaft hatte in der vergangenen Woche ein erstes Angebot der Bahn abgelehnt. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Die Bahn hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt 5 Prozent anzuheben sowie mehrere Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro in Aussicht gestellt.

Deutschlands Arbeitgeber warfen den Gewerkschaften mit Blick auf den Großstreik an diesem Montag überzogenes Handeln vor. "Wer so handelt, handelt unverhältnismäßig und gefährdet die Akzeptanz für das Streikrecht", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter. Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, findet den massiven Ausstand "nicht ok". Sie rief die Gewerkschaften zu konstruktiven Zeichen für die dritte Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes auf.

1992 schon einmal Großstreik - aber regulär Der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland wurden schon vor mehr als 30 Jahren im Zuge eines mehrwöchigen Streiks gleichzeitig bestreikt. Bei diesem harten Arbeitskampf im öffentlichen Dienst im Frühjahr 1992 legten mehrere hunderttausend Beschäftigte zeitweise die Arbeit nieder. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf, nicht um Warnstreiks.

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