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„Until Dawn“-Remake im Test: Wer nicht rennen kann, den erwischt der Tod

Christian Lund

Ene, mene, mu, und raus bist du! Endlich ist wieder Zeit für "Until Dawn", die Urmutter der filmischen Horror-Games. - © Ballistic Moon
Ene, mene, mu, und raus bist du! Endlich ist wieder Zeit für "Until Dawn", die Urmutter der filmischen Horror-Games. (© Ballistic Moon)

Wir haben uns beim Schreiben dieser Rezension Zeit gelassen, weil wir uns das Remake des fast zehn Jahre alten Horrorspiels „Until Dawn“ abseits von Halloween, Schocktober und dunkler Jahreszeit antun wollten, in der ohnehin die Videospiel-Welt mit Horrorspielen zugepflastert wird. Jetzt werden die Tage wieder länger, und bevor das Gaming-Jahr richtig Fahrt aufnimmt, sind wir auf der Suche nach Spielen, die wir entspannt wegsnacken können. Voilà, wie wäre es mit einer Partie „Until Dawn“? Spieldauer: rund sieben Stunden.

Seit dem 4. Oktober 2024 ist das Remake des gruseligen Survival-Horrorspiels für PS5 und PC in den Läden und Online-Shops verfügbar – neun Jahre nach der ersten Veröffentlichung hatte sich das Portierungsstudio „Ballistic Moon“ dem cineastischen Teenie-Schocker angenommen und ihm neues Leben eingehaucht.

Im Vorfeld hieß es, man habe umfangreiche Verbesserungen vorgenommen: wegen der Unreal Engine 5 solle die Grafik „atemberaubend“ sein, die Umgebungen reichhaltiger und detaillierter, und auch die Gameplay-Mechaniken seien verbessert worden. Neue Sammlerstücke und Umgebungen sollen auch diejenigen begeistern, die das Original bereits gespielt haben. Dazu gehören wir, und wir wollten wissen: Funktioniert das mit uns?

Worum geht’s in „Until Dawn“?

Wen wir lieber mögen? Schwierig! Jede Entscheidung kann sich auswirken, vieles davon erfahren wir erst, wenn Ashley oder Chris oder sonst wer das Zeitliche gesegnet hat. - © Ballistic Moon
Wen wir lieber mögen? Schwierig! Jede Entscheidung kann sich auswirken, vieles davon erfahren wir erst, wenn Ashley oder Chris oder sonst wer das Zeitliche gesegnet hat. (© Ballistic Moon)

Acht Freunde treffen sich am 2. Februar 2015 in einer abgelegenen Hütte in den Rocky Mountains von Kanada. Vor genau einem Jahr waren sie dort noch zu zehnt, doch dann verschwanden auf mysteriöse Art und Weise zwei Schwestern aus ihrer Clique. Sie gelten bis heute als vermisst.

Am Jahrestag hat der Bruder der beiden Schwestern, Josh, die übrigen Freunde noch einmal in die verschneite Einöde eingeladen. Es könnte ein Wochenende sein, das sie gemeinsam verbringen, um als Freunde den Verlust zu teilen und dafür zusammenzustehen. Doch das Leben hat anderes mit ihnen vor.

Im Verlauf der rund sieben Spielstunden langen Geschichte schlüpfen wir abwechselnd in die Rollen der Freunde und erkunden in der Third-Person-Perspektive das Draußen und Drinnen in dieser unwirtlichen Winterlandschaft. Über die Dialogoptionen und sogenannte Quick-Time-Events, bei denen man zur richtigen Zeit auf die richtige Taste drücken oder hämmern muss, haben es Spielerinnen und Spieler in den Händen, wie sich die Geschichte entwickelt.

Ganz so einfach ist das nicht, wie es klingt, denn es gibt auch noch einen Gegenpart – und der will uns ziemlich deutlich an den Kragen.

Was hat uns gefallen?

Rechts oder links? Einen der beiden müssen wir leider von der Säge (unten links) in zwei Hälften teilen lassen. Wen mögen wir lieber? Es sind furchtbare Entscheidungen, aber wenn wir uns nicht entscheiden, tut es jemand anderes. - © Ballastic Moon
Rechts oder links? Einen der beiden müssen wir leider von der Säge (unten links) in zwei Hälften teilen lassen. Wen mögen wir lieber? Es sind furchtbare Entscheidungen, aber wenn wir uns nicht entscheiden, tut es jemand anderes. (© Ballastic Moon)

Vielleicht sagen wir gleich dazu, dass wir schon ziemliche Fans der Games sind, die aus der Spieleschmiede „Supermassive Games“ kommen. Zuletzt hat uns etwa „The Casting of Frank Stone“ (2024) schwer begeistert. Auch „The Quarry“ (2022) oder die „Dark Pictures“-Reihe (zuletzt „The Devil in Me“) haben wir gerne gespielt. Und „Until Dawn“ ist sozusagen die Urmutter all dieser Horror-Spiele, nur dass jetzt nicht Supermassive die Hände im Spiel hatte, sondern „Ballistic Moon“.

Haben die es geschafft, das alte Spiel (das ja trotzdem immer noch ganz gut aussah, aber eben in die Jahre gekommen war) aufzufrischen und es für neue und alte Spieler attraktiv zu machen? Sagen wir so: in Teilen.

Die Neuauflage basiert auf der zeitgenössischen Unreal Engine 5, und das merkt man auch, ganz besonders an den Umgebungsdetails. Auch die Detailtiefe der Gesichter der handelnden Personen, die schon im Original überraschend gut aussahen, haben jetzt noch einmal einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Wo der Publisher damit prahlt, dass nun „durch dynamische Animationen und nuancierte Gesichtsaufnahmen erkannt werden kann, wie einzelne Charaktere ticken und wer in der Gruppe das Zeug zum Überleben hat“, können wir nur sagen: Die Mimik ist leider immer noch genauso grotesk wie im Original. Das kriegt man vermutlich auch durch ein Remake nicht ausgemerzt. Ist aber für uns total verschmerzbar, weil das Spiel ansonsten nach wie vor vieles richtig macht.

Und übrigens: Wer in der Gruppe das Zeug zum Überleben hat, entscheidet sich auch nicht unbedingt durch die Mimik, sondern durch Taten. Weglaufen zum Beispiel. Doch dazu später mehr.

Herrlich, so ein heißes Bad nach einem Spaziergang durch den Schnee. Wäre da nicht... - © Ballistic Moon
Herrlich, so ein heißes Bad nach einem Spaziergang durch den Schnee. Wäre da nicht... (© Ballistic Moon)

„Until Dawn“ sollte schon immer filmreif wirken, und das Grundgefühl dazu wird durch das Remake auf jeden Fall verstärkt. Das hat „Ballistic Moon“ gut hinbekommen. Die Anlagen dazu waren aber auch 2015 bereits da: Beim Cast hatte man bekannte Schauspieler wie die wundervolle Hayden Panettiere („Rette die Cheerleaderin, rette die Welt!“), Brett Dalton („Agents of S.H.I.E.L.D.“) und Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) verpflichtet, die umso mehr für Kino-Feeling sorgten. Die alle wieder spielen zu können, ist, wie eine alte Lieblingsserie wiederzusehen. Und die Filmszenen von „Until Dawn“ waren schon 2015 toll, und haben 2024 durch das Remake enorm gewonnen, auch in den blutigen Bildschirmtoden unseren Helden.

Die Erzählsequenzen sind teilweise anders geschnitten, was vermutlich nur Menschen mitkriegen, die einen Schwamm als Hirn haben und sich einfach alles merken können (Grüße gehen raus an den Kollegen David Wellenfang!). Wo aber jeder aufmerkt, der das Original gespielt hat, ist bei den Anfangssequenzen. Die sind neu, die sind gut, und sie kommen zum richtigen Zeitpunkt, um Lust auf das Spiel zu machen – auch mit guten Jumpscares gleich zu Beginn. Nehmt euch in acht!

Sehr gut gefallen hat uns außerdem die Neuerung, dass wir von Zeit zu Zeit den Controller still halten müssen, um nicht entdeckt zu werden. Wir spüren den Herzschlag unseres Protagonisten und waren fast immer selbst wie erstarrt, um ja keinen Mucks zu machen. Auf die Spitze treibt das nur noch das Spiel „A Quiet Place: The Road Ahead“ (dazu folgt in Bälde eine Rezension).

Was hat uns nicht gefallen?

Hach, was könnte das für eine schöne Romanze sein, wenn sie bloß nicht so klischeehaft erzählt wäre. Wir können aber schon mal spoilern: Die beiden sind nicht wirklich allein. - © Ballistic Moon
Hach, was könnte das für eine schöne Romanze sein, wenn sie bloß nicht so klischeehaft erzählt wäre. Wir können aber schon mal spoilern: Die beiden sind nicht wirklich allein. (© Ballistic Moon)

Leider gibt es auch Dinge, die uns gar nicht gefallen haben. Bei Veröffentlichung gab es nicht nur bei uns zahlreiche Probleme mit dem Spiel. Abstürze, schwarze Bildschirme, Frame Drops, Stottern von Filmsequenzen, Einstellungen, die nicht gespeichert werden konnten. Das alles gehört der Vergangenheit an, weil schnell entsprechende Patches nachgeliefert wurden. Dennoch haben wir noch immer was zu meckern.

Wir haben uns zum Beispiel so sehr gewünscht, dass zu den Gameplay-Verbesserungen auch gehören würde, dass man endlich rennen, und wenn schon nicht rennen, dann zumindest laufen kann. Ein robuster Trab wäre auch okay. Aber stattdessen sind wir gezwungen, gemächlich zu gehen. Auch dann, wenn wir einfach Distanzen überwinden müssen. Wir gehen und gehen und gehen. Dabei sind weder Wetter noch Umstände so, dass ein gemütlicher Spaziergang angesagt wäre. Wir bedauern das sehr.

Die Steuerung generell ist aus unserer Sicht minimal besser geworden. Im Original war die sehr hakelig, im Remake ist uns das nicht aufgefallen. Wohl aber bei den Totems. Das sind die Fundstücke, die uns einen kurzen (für uns oft kaum hilfreichen) Blick in die Zukunft ermöglichen. Um eine Vorahnung zu finden, müssen wir die Totems hin und her drehen und im richtigen Moment innehalten. Das ist wenig intuitiv und für Grobmotoriker wie uns auch ein wenig nervig. Teilweise haben wir anfangs mehrere Minuten gebraucht, um endlich den goldenen Zukunftsstrahl zu sehen.

Zudem haben wir festgestellt, dass der Sound nur schwer anpassbar ist, weil die Lautstärken von Musik, Gesprächen und Umgebungsgeräuschen etwas schwanken. „Heiliger Strohsack!“ (Ja, so hat man offenbar 2015 noch gesprochen – uns war das auch nicht klar. Klischeehaft war das Spiel 2015 und ist es auch noch 2024, aber „Heiliger Strohsack“? Puh!)

Und dann: der Preis. Wir haben das Spiel vom Publisher gestellt bekommen, aber grundsätzlich kostet das Remake von „Until Dawn“ fette 70 Euro. Uns ist klar, dass auch in dem Remake eine Menge Arbeit und Aufwand drinsteckt, aber 70 Euro nicht ziemlich viel Geld für ein Remake mit nur rund sieben Spielstunden für den ersten Durchgang. Hier wird „Until Dawn“ vermutlich ein paar Fans verloren haben.

Unser Fazit zum „Until Dawn“-Remake

Der Kaufpreis, ja, das ist ein Kriterium. Aber was wir auch sagen müssen: Es macht einfach auch heute noch einen Mordsspaß, den interaktiven Teenie-Slasher zu spielen. Die Erneuerung hat dem Spiel gutgetan, es ist toll inszeniert und spannend erzählt. Wir haben die Möglichkeit, ein tödliches Marionettentheater aufzuführen – wir entscheiden, ob wir die Schnüre kappen oder unsere Figuren überleben lassen. Das Spiel mit unseren eigenen Abgründen hält uns dann auch den Spiegel vor.

Wer auf filmische Horror-Games steht und noch nie „Until Dawn“ gespielt hat (für PC-Spieler ist es überhaupt zum ersten Mal portiert worden), sollte unbedingt zugreifen. Wer Wiederholungstäter wäre, muss die Hürde mit dem Kaufpreis nehmen, aber danach gibt es eigentlich keinen Grund, das Ding nicht noch mal zu spielen.

„Until Dawn“ ist als Remake seit dem 4. Oktober 2024 für Playstation 5 und PC erhältlich. Es ist ab 18 Jahren freigegeben und kostet im Normalpreis rund 70 Euro. Wir haben das Spiel auf einer PS5 getestet.

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