Seit Mitte Februar ist der erste Teil des zweiteiligen Videospiels „Lost Records: Bloom & Rage“ auf dem Markt – und am 15. April erscheint der zweite Teil. Das Story-Adventure stammt von der Spieleschmiede „Don’t Nod“, die mit dem grandiosen „Life is strange“ im Jahr 2015 völlig zu Recht berühmt geworden sind. Mit „Lost Records: Bloom & Rage“ wird nun eine völlig neue Geschichte erzählt. Wir haben den ersten Teil getestet und erklären, warum man sich von der verhalten erzählten Story nicht abhalten lassen sollte.
Worum geht es in „Lost Records: Bloom & Rage, Teil 1“?

Die Coming-of-Age-Geschichte von „Lost Records: Bloom & Rage“ spielt in zwei Zeitlinien: Im Sommer 1995 begleiten wir die 16-jährige Swann Holloway, die in der US-amerikanischen Kleinstadt Velvet Cove lebt, einem verschlafenen Nest in Michigan. Für die filmbegeisterte Swann, die immer einen Camcorder dabei hat, ist der örtliche Videofilmverleih ein Hort des Glücks.
Eines Tages trifft sie vor der Videothek auf die gleichaltrigen Mädchen Nora, Autumn und Kat und freundet sich mit ihnen an. Nora, oft mit einer Zigarette in der Hand, strahlt eine beeindruckende Stärke aus, kämpft jedoch im Inneren mit verborgenen Ängsten. Ihr Leben ist bislang von dem Eindruck geprägt, von den Eltern vernachlässigt zu werden, weil die den jüngeren Bruder bevorzugen. Nora ist eng mit Autumn befreundet, die schon den Ausklang des Sommers im Namen trägt.
Autumn ist die Skaterin in der Runde und arbeitet nebenbei in einem Eiswagen. Äußerlich wirkt sie zart, und doch kann sie ihre innere Stärke und Entschlossenheit nicht verschleiern. Und dann ist da noch Kat. Sie schreibt gerne und kommt aus einem überbehütenden Zuhause auf einer Jagdranch. Oft gerät sie mit ihrer neurotischen Schwester Dylan und deren übergriffigem Freund Corey (ein Unsympath vor dem Herrn!) aneinander.
Gemeinsam gründen die Mädchen die Punkband „Bloom & Rage“ und verbringen einen bedeutsamen Sommer zusammen. An dessen Ende steht zunächst nur der baldige Umzug von Swanns Familie nach Kanada – wird es das Ende ihrer Freundschaft sein?
In der zweiten Zeitlinie treffen sich die Freundinnen 27 Jahre später in Velvet Cove wieder, denn sie haben ein mysteriöses Paket mit der Aufschrift „Remember 1995“ bekommen. Remember 1995? Was war denn 1995? War es nicht nur ein schöner Teenager-Sommer? Nein, war es nicht, so viel ist schon klar, auch wenn am Ende des ersten Teils noch vieles vage bleibt.
Was hat uns an „Lost Records: Bloom & Rage, Teil 1“ gefallen?

Bis wir dorthin kommen, wo wir erfahren, was 1995 passierte und die vier Mädchen offenbar nachhaltig auseinandertrieb, dauert es. Aber das macht gar nichts, denn die Coming-of-Age-Geschichte ist so einfühlsam und liebevoll erzählt, dass es eine Freude ist, langsam dabei zuzusehen, wie sich ihre Charaktere entwickeln.
Loben wollen wir auch die gut geschriebenen Dialoge. Wir erleben leider bei anderen Spielen noch viel zu häufig, dass man versucht, Figuren möglichst jugendlich sprechen zu lassen, was aber eher zum Fremdschämen ist. Wir denken da zum Beispiel an „Heiliger Strohsack!“-Sprüche beim „Until Dawn“-Remake oder an „Coole Story, Bro!“ bei „The Quarry“. Bei „Lost Records: Bloom & Rage“ aber machen die lebendig geschriebenen Dialoge die Mädchen sympathisch, glaubwürdig und wachsen uns ans Herz.
Gefallen hat uns auch die überzeugende Dynamik zwischen den vier Hauptcharakteren und ihre lebendigen Interaktionen. Klar, da sind die Macher von „Life is strange“ dran, das merkt man auch. Und dennoch darf man das auch bei diesem Spiel noch einmal hervorheben, dass die wirklich wissen, was sie tun.
Und dann die überaus gelungene Darstellung der 1990er Jahre, die bei uns sofort nostalgische Gefühle ausgelöst hat (kann man aber auch genießen, wenn man die 90er nicht erlebt hat). Diese Atmosphäre! Diese Requisiten! Der Soundtrack! Wir lieben es!
Und wir lieben es auch, wie sich diese Geschichte Zeit nimmt, wie sie Spielerinnen und Spieler ausbremst, die es durch allerlei Streamingdienste gewöhnt sind, alle Folgen einer Staffel sofort zur Verfügung zu haben. In den 90ern dagegen war das Warten auf Fortsetzungen normal, weil es keine Möglichkeit gab, alles auf Abruf zu konsumieren. Bei Serien mussten wir Woche für Woche auf die nächsten Folgen warten. Das Warten war Teil des Erlebnisses, und „Lost Records“ gelingt es, diese Art des Storytellings auf besondere Art und Weise wiederzubeleben.
Was hat uns an „Lost Records: Bloom & Rage, Teil 1“ nicht gefallen?

Man kann sich natürlich auch darüber ärgern, dass sich das Spiel die Zeit nimmt, die Geschichte langsam aufzubauen. Man kann auch enttäuscht sein, dass am Ende des ersten Teils noch nicht viel über das, was 1995 wirklich passierte, bekannt ist. Uns hat das, wie gesagt, gar nicht gestört. Vielmehr haben uns ein paar Dinge genervt.
„Lost Records“ gibt uns in vielen Situationen die Chance, Dinge genauer zu betrachten, aber die Freiheit hat dort ihre Grenzen, wo die Entwickler sie setzen. Wir hätten am Eiswagen gerne ein Slushie bestellt oder den Ghettoblaster geschultert, stattdessen aber merken wir, dass das alles nur Staffage ist für den Rest, den wir anfassen, anschauen, filmen dürfen.
Apropos filmen: So sehr wir es schätzen, dass wir mit dem Camcorder losziehen und alles und jeden minutenlang filmen können, so sehr hätten wir uns am Anfang eine Art Tutorial dazu gewünscht. Als wir das Spiel begonnen haben, war uns nicht so richtig klar, was man mit dem Camcorder tun muss, ob es nur ein Gimmick ist oder irgendetwas verpasst, weil man nicht alles filmt, was bei drei auf den Bäumen ist (und selbst die müssen wir ja filmen, die Vögel).
Unser Fazit zu „Lost Records: Bloom & Rage, Teil 1“
Also: Ja, man hätte sich vielleicht mehr Handlung und eine schnellere Entwicklung der Mystery-Elemente wünschen können. Aber für uns ist das Spiel insgesamt ein vielversprechender Start einer fesselnden Geschichte.
Besonders hervorzuheben ist der ungewöhnliche Kniff, das Spiel in zwei Episoden zu trennen, die in einem Abstand von nur zwei Monaten erscheinen. Das Spiel bringt damit ein Element der Vorfreude zurück, das heute oft fehlt, weil fast immer Nachfolgendes verfügbar ist. „Lost Records: Bloom & Rage“ hat uns aber dazu gebracht, wie in alten Zeiten Theorien aufzustellen, mit anderen zu diskutieren und die Geschichte im Kopf weiterleben zu lassen, bevor wir Mitte April den zweiten Teil spielen. Wann haben wir das zuletzt von einem Spiel sagen können?
„Lost Records: Bloom & Rage, Teil 1“ hat uns begeistert und bestens unterhalten. Trotz kleiner Mängel bietet das Spiel ein atmophärisches und emotionales Erlebnis, das besonders Fans von Coming-of-Age-Geschichten ansprechen dürfte.
„Lost Records: Bloom & Rage, Teil 1“ ist seit dem 18. Februar 2025 für Playstation 5, Xbox Series X|S und PC erhältlich und kostet rund 40 Euro. Der zweite und letzte Teil soll am 15. April 2025 erscheinen.