Mit „Amerzone – The Explorer’s Legacy“ kehrt ein Klassiker des Adventure-Genres zurück, der bereits 1999 mit seiner Mischung aus realistischen und surrealen Elementen begeisterte. Die Neuauflage ist mehr als ein bloßes Remaster: Sie ist eine liebevolle Rekonstruktion, die Grafik, Sound, Rätselmechanik und Erkundung auf den Stand von 2025 hebt und dabei das poetische Erbe von Benoît Sokal, der auch der Schöpfer des grandiosen „Syberia“ ist, bewahrt.
Spieler schlüpfen in die Rolle eines Journalisten, der einem sterbenden Forscher dessen letzte Mission abnimmt: Ein riesiges Ei der legendären „Weißen Vögel“ soll zurück ins Herz eines fiktiven südamerikanischen Landes gebracht werden, um das Überleben dieser magischen Spezies zu sichern.
Die Reise führt durch dichte Dschungel, verlassene Dörfer und surreale Landschaften, stets begleitet von der Frage nach Schuld, Verantwortung und Hoffnung in einer von Diktatur und Ausbeutung gezeichneten Welt.
Worum geht’s in „Amerzone – The Explorer’s Legacy“?

Im Kern ist „Amerzone – The Explorer’s Legacy“ ein klassisches „Point & Click“-Adventure. Der Spieler erkundet sieben in sich geschlossene Kapitel, löst teils ganz schön knifflige Rätsel (bei denen alte Lösungen aus 1999 nicht helfen), sammelt Hinweise und nutzt das multifunktionale Fahrzeug „Hydraflot“, um die vielfältigen Regionen zu durchqueren.
Die Geschichte entfaltet sich uns durch Tagebücher, Briefe und Begegnungen mit einigen skurrilen Figuren, wobei die Atmosphäre zwischen Melancholie, Entdeckergeist und leiser Kritik an Kolonialismus und Umweltzerstörung pendelt.
Was hat uns gefallen?

„Amerzone – The Explorer’s Legacy“ besticht vor allem durch seine einzigartige Atmosphäre und die Art und Weise, wie es eine Geschichte erzählt, die sowohl persönlich als auch universell ist. Die Welt von Amerzone, mit ihren surrealen Landschaften und der Mischung aus Realität und Fantasie, wirkt wie ein lebendig gewordenes, von Jules Verne inspiriertes europäisches Comic. Uns hat es so Spaß gemacht, all die kleinen Details zu entdecken und dabei tief in eine Geschichte einzutauchen, die von Schuld, Verantwortung und der Hoffnung auf Erlösung handelt.
Das neue Rätseldesign ist ein weiterer Pluspunkt. Die Aufgaben sind logisch aufgebaut, abwechslungsreich und fordern uns auf eine angenehme Weise heraus, ohne uns zu frustrieren oder uns das Gefühl zu geben, man wolle uns nur beschäftigen. Wir finden, die Entwickler haben hier ein gutes Gespür bewiesen, wie man klassische Adventure-Elemente modern interpretiert und mit neuen Ideen ergänzt. Sogar Veteranen des Originals dürften hier noch die eine oder andere Überraschung erleben.

Auch die technische Umsetzung finden wir größtenteils gelungen. Die Grafik wurde liebevoll überarbeitet und erweckt die Welt von Amerzone mit detaillierten Umgebungen und stimmungsvoller Beleuchtung zum Leben. Als wir das erste Mal das Kräuseln sanfter Wellen sahen, weil wir tauchen gehen mussten, entfuhr uns ein „Boah, sieht das gut aus!“. Die Steuerung wurde modernisiert, ohne den Charme des „Point & Click“-Gameplays zu verlieren. Ladezeiten sind kaum spürbar, was das Spielerlebnis zusätzlich verbessert.
Ein weiterer Aspekt, der uns positiv überrascht hat, ist die grundsätzliche Zugänglichkeit des Spiels. Dank zweier Schwierigkeitsgrade und eines optionalen Hilfesystems können sowohl Genre-Neulinge als auch erfahrene Abenteurer das Spiel genießen. Und „genießen“ ist bei „Amerzone“ wichtig, denn man sollte in Ruhe die Welt erkunden können, ohne sich von zu schwierigen Rätseln oder einer unübersichtlichen Steuerung abschrecken zu lassen.
Nicht zuletzt überzeugt der stimmungsvolle Soundtrack des Spiels. Die Musik unterstreicht die Atmosphäre und trägt maßgeblich zur Immersion bei. Die Klänge sind mal melancholisch, mal aufregend und passen perfekt zu den jeweiligen Situationen im Spiel. Toll umgesetzt!
Was hat uns nicht gefallen?

Trotz der vielen positiven Aspekte gibt es auch einige Kritikpunkte an „Amerzone – The Explorer’s Legacy“. Den nervigsten Punkt haben wir am Schluss erlebt, nachdem wir das Spiel abgeschlossen hatten. Im Spielverlaufhaben wir ein paar Erkundungen und Geheimnisse nicht entdeckt und hätten das gerne noch nachgeholt. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit auch: Wir können aus den sieben Kapiteln das jeweilige aussuchen, das wir erneut spielen wollen, büßen in diesem jedoch die komplette Erfahrung ein.
Heißt: Die Erfahrung aus den anderen Kapiteln bleibt uns, aber das gewählte Kapitel spielen wir so, als hätten wir es zuvor nie betreten. Wir müssen also alle Geheimnisse noch einmal finden, alle Schubladen öffnen, alle Briefe und Dokumente erneut lesen. Wir haben es bei einem Kapitel kurz versucht, waren dann aber davon so genervt, dass wir es abgebrochen haben. Das könnte man sicher besser lösen. Zuletzt ist es uns zum Beispiel bei „Lost Records: Bloom & Rage“ positiv aufgefallen, dass wir hier alle verpassten Geheimnisse nachträglich noch lüften können, ohne dass uns Erfahrungen aus diesem Spielabschnitt komplett verloren gehen.
Ein weiterer Punkt, der nicht jedem Spieler gefallen dürfte, ist die eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Trotz der 3D-Grafik bleibt das Spiel dem klassischen „Point & Click“-Prinzip treu. Deshalb ist eine freie Bewegung nicht möglich, was für manche Spieler altmodisch wirken mag. Uns hat das allerdings eher beruhigt, weil uns klar war: Wo wir nicht hinkommen, gibt’s keine Geheimnisse.
Auch die Vorhersehbarkeit der Story könnte einige Spieler enttäuschen. Die Handlung ist stellenweise vorauszusehen und lebt mehr von der Atmosphäre als von überraschenden Wendungen. Wer auf der Suche nach einem Adventure mit überraschenden Twists und einem komplexen Plot ist, könnte hier etwas enttäuscht werden. Wir würden stattdessen zum Beispiel „Brothers: A Tale of Two Sons“ empfehlen, das 2024 ein tolles Remake bekommen hat.
Einige Kritiker bemängeln außerdem die etwas altbackene Steuerung, die nicht jeden modernen Adventure-Fan überzeugen dürfte. Hier hätten die Entwickler vielleicht noch etwas mehr Feinschliff betreiben können. Uns hat das aber wenig gestört.
Unser Fazit zu „Amerzone – The Explorer’s Legacy“
„Amerzone – The Explorer’s Legacy“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein Remake gelingen kann: Es bleibt dem Geist des Originals treu, modernisiert aber die Technik und das Gameplay so behutsam, dass Nostalgiker wie Neulinge gleichermaßen begeistert werden.
Die Reise durch das geheimnisvolle Amerzone ist eine Einladung zum Staunen, Nachdenken und Entdecken – getragen von einer einzigartigen Handschrift, die im heutigen Spielemarkt selten geworden ist. Wer sich auf das langsame Tempo, die leisen Zwischentöne und die poetische Melancholie einlässt, erlebt ein Abenteuer, das weit über simple Nostalgie hinausgeht.
„Amerzone – The Explorer’s Legacy“ ist seit dem 24. April 2025 für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X|S erhältlich und kostet rund 40 Euro.