Die Straßen glänzen nass im Neonlicht, irgendwo tropft Regen von einem rostigen Vordach. In den Gassen von Averno City herrscht das Gesetz des Stärkeren – und das Gesetz sind heute wir. „The Precinct“ entführt uns in eine Welt, in der jeder Schatten eine Gefahr birgt und der Geruch von Verbrechen in der Luft liegt. Es ist das Jahr 1983, und diese Stadt schläft nie. Wer hier überleben will, braucht mehr als nur einen schnellen Finger am Abzug – er braucht Nerven aus Stahl und einen unerschütterlichen Sinn für Gerechtigkeit.
Schon beim ersten Streifzug durch die Straßen spürt man die Liebe zum Detail: Regen peitscht gegen die Windschutzscheibe des Streifenwagens, während im Radio leise Saxofonklänge Hoffnung auf eine bessere Zeit machen. Die Bars werfen ihre fahlen Lichter auf die Straße, an den großen Straßen stehen die Neon-Reklamen und in den Nebenstraßen wechseln Geld und Drogen die Besitzer, während in einem anderen Teil der Stadt eine berüchtigte Gang den nächsten Überfall plant.
Die Entwickler von Fallen Tree Games huldigen dem Film-Noir-Genre mit jeder Faser – von der düsteren Atmosphäre bis zum lakonischen Helden, der mehr Fragen als Antworten hat. Doch hinter der Fassade aus Retro-Charme und pixeligem Regen verbirgt sich eine kleine offene Welt, die zum Erkunden, Jagen und Ermitteln einlädt.
Wer sich auf „The Precinct“ einlässt, bekommt kein Action-Feuerwerk, sondern eine Hommage an klassische Cop-Filme und die frühen Tage von „Grand Theft Auto“ – nur eben aus der Perspektive des Gesetzes. Es ist ein Spiel für alle, die sich nach der rauen Cop-Romantik der 80er sehnen, als Polizisten noch mit Revolver, Schlagstock und einer Portion Idealismus gegen das Verbrechen kämpften.
Worum geht’s in „The Precinct“?

„The Precinct“ versetzt den Spieler in die Rolle von Officer Nick Cordell Jr., einem blutjungen Streifenpolizisten, dessen Vater – einst Polizeichef – im Dienst ums Leben kam. In der fiktiven Metropole Averno City, die unverkennbar an das New York der 80er erinnert, gilt es, das Gesetz durchzusetzen, den Mord am eigenen Vater aufzuklären und die Stadt von rivalisierenden Gangs zu befreien.
Das Gameplay kombiniert Polizeisimulation mit Sandbox-Action: Man patrouilliert zu Fuß, im Streifenwagen oder Helikopter, reagiert auf zufällige Verbrechen, schreibt Strafzettel, nimmt Verdächtige fest und liefert sie auf der Wache ab. Dabei wird Wert auf korrekte Polizeiarbeit gelegt – von der Verlesung der Rechte über die Abfrage von Personaldaten bei der Zentrale und dem Einhalten von Protokollen. Die offene Welt lebt von dynamischen Wettereffekten, Tag-Nacht-Zyklus und einer Vielzahl an zufällig generierten Einsätzen – von Bagatelldelikten bis zu spektakulären Überfällen.
Was hat uns gefallen?

Die Atmosphäre und das Setting von „The Precinct“ sind schlichtweg beeindruckend und haben uns total überzeugt und im Spiel gehalten, über Stunden. Die Entwickler haben es geschafft, das Flair der 1980er Jahre in einer düsteren, neonbeleuchteten Großstadt einzufangen, die direkt aus einem Film-Noir-Klassiker stammen könnte. Der Regen, der permanent auf die Straßen prasselt, die detailverliebte Gestaltung der Stadtviertel und der stimmige Soundtrack mit Saxofonklängen und Synthesizer-Musik schaffen eine glaubhafte Welt, in die man sofort eintauchen möchte. Dieses Setting allein macht das Spiel bereits zu einem Erlebnis für Fans von Retro-Ästhetik und atmosphärischem Storytelling. Wir hatten nicht erwartet, dass es uns so gut gefallen würde.
Auch das Spielgefühl überzeugt, vor allem durch die gelungene Mischung aus Polizeisimulation und Sandbox-Action. Es ist ein echtes Vergnügen, auf Streife zu gehen, spontan auf Verbrechen zu reagieren und dabei selbst zu entscheiden, wie man vorgeht – ob mit harter Hand oder mit Fingerspitzengefühl.
Die Möglichkeit, zwischen Fußstreife, Streifenwagen und sogar Helikopter zu wechseln, sorgt für Abwechslung und lässt uns die Stadt aus verschiedenen Perspektiven erleben. Durch die authentischen Abläufe und die dynamischen Einsätze haben wir das Gefühl, Teil einer lebendigen Polizeieinheit zu sein.
Auch die technische Umsetzung verdient Lob. Das Spiel lief auf unserer PS5 sehr stabil. Sogar auf dem Steam Deck soll das Spiel einwandfrei spielbar sein, hörten wir. Die Steuerung ist in der Regel präzise und intuitiv. Trotz der pixeligen Grafik wirkt die Stadt lebendig und atmosphärisch dicht, was gerade bei einem Spiel dieses Genres essenziell ist.
Was hat uns nicht gefallen?

Trotz der vielen Stärken schleichen sich im Verlauf des Spiels leider auch einige Schwächen ein. Besonders die Wiederholung im Gameplay fällt leider negativ auf. Nach einigen Stunden fühlt sich das ständige Abarbeiten ähnlicher Einsätze zunehmend monoton an (Augen auf bei der Berufswahl!). Die zufällig generierten Verbrechen unterscheiden sich irgendwann nur marginal, was den Reiz des Neuen schnell verfliegen lässt. Mehr Abwechslung und eine größere Vielfalt an Missionstypen wären gut, um die Spannung dauerhaft hochzuhalten.
Auch die Story und die Charakterentwicklung bleiben hinter unseren Erwartungen zurück. Die Handlung um den Mord am Vater des Protagonisten ist zwar ein guter Aufhänger, wird aber leider nur oberflächlich erzählt und hat bei uns kaum zu emotionaler Tiefe geführt – zumal die Figuren eher klischeehaft sind, wodurch es zusätzlich schwerfällt, eine Bindung zu ihnen aufzubauen. Im Vergleich zu anderen Genrevertretern wie „L.A. Noire“ fehlt es hier einfach an dramaturgischer Wucht und packender Erzählkunst.

Auch die strikte Einhaltung von Polizeiprotokollen sehen wir kritisch, weil sie das Spieltempo ausbremsen. Zwar finden wir die realistische Darstellung der Polizeiarbeit grundsätzlich lobenswert, doch das ständige Ausfüllen von Berichten, das korrekte Verlesen der Rechte und das Einhalten von Vorschriften wirken auf Dauer eher wie eine lästige Fließband-Arbeit als wie ein spaßförderndes Element. Wer eher eine actionreiche Erfahrung sucht, sollte sich den Kauf von „The Precinct“ gut überlegen.
NPCs verhalten sich zudem manchmal etwas kurios, Gegner sogar hin und wieder vorhersehbar und taktisch wenig anspruchsvoll, was die Herausforderungen in den Einsätzen reduziert. Wir haben da zwei unterschiedliche, nervige Fälle im Hinterkopf:
Im einen Fall war der Gangster unter eine Brücke geflüchtet. Polizei-Unterstützung, die wir von unserem Hubschrauber aus angefordert haben, fuhren auf die Brücke und suchten den Fiesling, während wir beharrlich unseren Suchscheinwerfer auf ihn richteten. Die Kollegen fuhren dann wieder weg. Also haben wir neue Streifen gerufen, mit demselben Ergebnis. Wir sind dann irgendwann auch genervt weitergeflogen – und bekamen dann Minuspunkte, weil der Verdächtigte fliehen konnte.

In einem anderen Fall waren wir wieder im Hubschrauber unterwegs und hatten zwei Bösewichte bis zu einer Stelle zwischen zwei Hochhäusern verfolgt. Mittlerweile hatten wir rausgefunden, dass es klüger ist, einzelne Polizisten zu Fußgängern zu schicken und Polizeistreifen zu fahrenden Gegnern. Wir haben die beiden Bösewichter also im Suchscheinwerfer, und die ergeben sich sogar und halten schon die Hände hoch – die diversen Polizisten aber, die wir zur Festnahme gerufen haben, hingen an einem ungünstig aufgestellten Müll-Container fest und machten einem Schlager-Strudel der Abbrunzati Boys alle Ehre. Den Hubschrauber kann man nicht landen, sodass wir auch hier wieder aufgegeben und genervt die Minuspunkte eingesteckt haben.
Unser Fazit zu „The Precinct“
„The Precinct“ ist ein Liebesbrief an das Cop-Genre und die 80er-Jahre – atmosphärisch, detailverliebt und mit einem eigenen, entschleunigten Rhythmus. Wer sich auf den Alltag eines Streifenpolizisten einlässt, bekommt eine authentische Sandbox-Erfahrung, die sich wohltuend vom üblichen Action-Einerlei abhebt. Doch gerade die Liebe zum Detail und der Fokus auf Protokolle sind Fluch und Segen zugleich: Sie machen das Spiel einzigartig, sorgen aber auch für Längen und Wiederholungen.
Die Story bleibt leider hinter den Möglichkeiten zurück, und wer nach einer emotional packenden Handlung sucht, wird enttäuscht. Doch als interaktive Hommage an das Cop-Kino, als virtuelles Streifen-Erlebnis in einer grandios gestalteten Stadt, überzeugt „The Precinct“ mit Stil, Atmosphäre und einer Prise Melancholie. Es ist kein Blockbuster, aber ein Spiel für Genießer.
„The Precinct“ ist am 13. Mai 2025 erschienen für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X|S und kostet rund 30 Euro. Das Spiel ist freigegeben ab 16 Jahren.