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Games-Kritik

„Project Motor Racing“ im Test: Brutale Rennsimulation mit bislang schwacher KI

„Project Motor Racing“ will alles sein: Kompromisslose Rennsimulation, Karrierefantasie für Hobby-Piloten und Online-Spielplatz für Rad-an-Rad-Fights – und wirkt doch noch wie ein Rennstall, der zu früh aus der Boxengasse geschoben wurde. Die besondere Faszination aber entsteht in jenen Momenten, in denen Fahrphysik, Force Feedback und Streckenlayout perfekt zusammenspielen und man im SimRig vergisst, dass man im Wohnzimmer sitzt. Gleichzeitig bricht die Illusion immer wieder, wenn das Spiel sich wie eine überambitionierte Early-Access-Beta-Version anfühlt, die zumindest auf der Konsole einfach noch nicht am Ziel ist.

Wer sich ernsthaft für SimRacing interessiert, kommt um „Project Motor Racing“ jedoch kaum herum, weil es Disziplinen wie GT3 und LMDh mit bemerkenswerter fahrdynamischer Tiefe vereint, die sich mit dem neuen Patch gerade im unteren Geschwindigkeitsbereich und beim Reifen- und Traktionsverhalten deutlich verbessert hat.

In unserer zweiten Testumgebung (PS5 Pro, Thrustmaster-Lenkrad T300 RS GT mit entsprechendem Rig), hat sich eine tolle, dichte Immersion entfaltet, in der jede Bodenwelle, jede kalte Reifenflanke und jede Verschiebung des Fahrzeuggewichts klar spürbar waren. Wer dagegen, wie in unserer ersten Testumgebung, mit dem Standard-Controller spielt, erlebt zwar dasselbe Regelwerk, aber nicht dasselbe Spiel – zu groß ist der Unterschied im Feedback, in der Präzision und letztlich in der Fairness der Lernkurve.

„Project Motor Racing“ ist damit ein Titel, zu dem man bewusst hingeht, nicht einer, in den man „mal eben“ reinspringt. Das Spiel fordert Aufmerksamkeit, Hardware und Geduld – und stellt im Gegenzug eine Frage, die im Jahr 2025 nur wenige Konsolen-Racer so kompromisslos stellen: Wie viel SimRacing sind wir wirklich bereit zu ertragen? Schauen wir uns das genauer an!

Worum geht’s in „Project Motor Racing“?

Auch auf dem Nürburgring sind wir mit unseren Boliden unterwegs. - © Straight4 Studios
Auch auf dem Nürburgring sind wir mit unseren Boliden unterwegs. (© Straight4 Studios)

„Project Motor Racing“ ist ein auf realistischem Rundstreckenrennen basierender Titel, der den Alltag eines Profi-Rennfahrers von der Teamwahl bis zum letzten Bremspunkt auf mehr als einem Dutzend lizenzierter und fiktiver Kurse simulieren will. In der Karriere verwaltet man Verträge, Startgebühren und Reparaturkosten, was Rennen zu wirtschaftlichen Entscheidungen macht: Wer das Auto aus dem Rennstall entfernt, ruiniert nicht nur das Resultat, sondern potenziell auch die Teamkasse. Dieses Konzept rückt das Risiko jeder Attacke ins Zentrum und verleiht selbst kurzen Meisterschaften einen glaubwürdigen Ernst.

Das Herzstück sind GT3-, LMDh- und weitere Rennklassen, die sich nicht nur optisch, sondern auch physikalisch spürbar unterscheiden und auf insgesamt 18 realen und angelehnten Kursen ausgeführt werden. Offline fährt man gegen ein volles Feld KI-Piloten in Mehrklassenrennen, deren Verhalten und Kollisionslogik inzwischen mehrfach überarbeitet wurde, während online klassische Lobbys, Lizenzevents und Social Races um Einstufung und Fairness kämpfen. Die Struktur erinnert an einen Mix aus klassischem Karrieremodus und Service-Game, das über Patches und Balance-Updates stetig nachjustiert wird.

Was hat uns gefallen?

Technisch zeigt „Project Motor Racing“ Momente echter Brillanz, etwa bei Nacht- und Regenrennen. - © Straight4 Studios
Technisch zeigt „Project Motor Racing“ Momente echter Brillanz, etwa bei Nacht- und Regenrennen. (© Straight4 Studios)

Am Lenkrad zeigt „Project Motor Racing“, welches Spiel eigentlich in diesem technisch launischen Paket steckt. Das Force Feedback übersetzt die Dynamik des Fahrwerks mit überraschender Klarheit: Curbs brummen sich heftig in unsere Arme, Gewichtstransfers sind vom Einlenken bis zum Herausbeschleunigen deutlich spürbar, und das Auto „lebt“ förmlich unter uns, statt nur abstrakte Daten zu melden. Besonders eindrucksvoll gelingt das auf Strecken mit starkem Höhenprofil, wo das kurzzeitige Leichtwerden über Kuppen und das anschließende „Einschlagen“ in die Federung fast körperlich erfahrbar wird.

Die Fahrphysik belohnt sauberes, geduldiges Fahren und hat mit Patch 1.5.0.1 spürbar an Berechenbarkeit gewonnen, insbesondere bei GT3 und LMDh. Kalte Reifen fühlen sich nun nicht mehr wie ein Würfelspiel an, sondern wie eine Phase gesteigerter Vorsicht, in der der Grenzbereich klarer kommuniziert wird, bevor er reißt.

Gleichzeitig wirken Traktionskontrolle und Lenkverhalten im niedrigen Geschwindigkeitsbereich weniger zickig, was gerade im dichten Verkehr und in engen Schikanen definitiv unsere Frustspitzen abbaut, ohne zugleich den Anspruch zu verwässern. Mit angepassten Setups kann so ein Fahrgefühl entstehen, das näher an modernen PC-Sims als an klassischen Konsolen-Racern liegt.

Die regenverhangene Boxengasse: „Project Motor Racing“ simuliert realistische Rennatmosphäre selbst bei schlechtem Wetter. - © Straight4 Studios
Die regenverhangene Boxengasse: „Project Motor Racing“ simuliert realistische Rennatmosphäre selbst bei schlechtem Wetter. (© Straight4 Studios)

Inhaltlich überzeugt die Idee, Schäden und Reparaturen ins Karrieresystem einzubetten, weil sie jede Runde auflädt. Ein unüberlegtes spätes Ausbremsen in der Haarnadel ist hier kein kostenloser Versuch, sondern eine kalkulatorische Dummheit, die Budgets und Zukunftsoptionen gefährdet – eine Perspektive, die den mentalen Druck realer Rennwochenenden erstaunlich gut einfängt.

Kombiniert mit vollen Startaufstellungen und Mehrklassenrennen entsteht eine dichte, fast schon dokumentarisch wirkende Rennatmosphäre, wenn man sich darauf einlässt und das Spiel eher als motorsportliches Langzeitprojekt denn als kurzlebigen Zeitvertreib versteht. Noch einmal: Es ist kein Spiel, wo man „mal eben ein paar Runden dreht“.

Technisch zeigt „Project Motor Racing“ auf der Playstation 5 Pro Momente echter Brillanz, etwa bei Nacht- und Regenrennen, in denen die Beleuchtung, Reflexionen und die Lesbarkeit des Asphaltfilms absolut überzeugen. Die Bildausgabe bleibt trotz aufwendiger Wettereffekte stabil genug, um auch im vollen Feld mit mehr als 30 Autos glaubwürdige Geschwindigkeit zu vermitteln, und der passende Sound – von kreischenden Kupplungen bis zu aufheulenden Turbos – trägt viel zur Immersion bei.

Was hat uns nicht gefallen?

Wer immer schön in den Rückspiegel blickt, sieht dort seltsame Verzerrungen, wie hier gleich zweimal unseren Heckspoiler. Der Rückspiegel ist im Spiel oft eher ein Ärgernis. - © Straight4 Studios
Wer immer schön in den Rückspiegel blickt, sieht dort seltsame Verzerrungen, wie hier gleich zweimal unseren Heckspoiler. Der Rückspiegel ist im Spiel oft eher ein Ärgernis. (© Straight4 Studios)

So sehr „Project Motor Racing“ am Lenkrad brilliert, so deutlich zeigt sich, wie wenig Rücksicht der Titel auf jene nimmt, die „nur“ mit Controller spielen. Die Lenkfeinfühligkeit, das Dosieren von Gas und Bremse und die Kommunikation von Grip grenzen selbst mit angepassten Assists an Überforderung – nicht weil das Spiel zu schwer, sondern weil die Übersetzung auf den Analogstick schlicht nicht auf demselben Niveau ist wie der Rest der Simulation. Ja, „Project Motor Racing“ ist am Controller spielbar, aber wer sich länger damit beschäftigt, merkt schnell, dass das eigentliche Erlebnis hinter einer Hardware-Paywall liegt.

Auch nach dem derzeitig aktuellen Patch 1.5.0.1 bleibt die KI das größte Bremsklotz-Element in einem Spiel, das eigentlich vom Rad-an-Rad-Kampf leben müsste. Zwar wurde die räumliche Wahrnehmung verbessert und Kollisionen reduziert, doch immer noch fahren zu viele Gegner, als wären sie auf Schienen unterwegs, ignorieren Side-by-Side-Situationen und „drehen“ blind ein, während man bereits auf der Innenseite fährt. In Verbindung mit einem weiterhin übermäßig strengen Track-Limit-System, das Strafen auch dann knallhart verteilt, wenn man von der KI von der Strecke gestoßen wird, kippt ein knappes, intensives Rennen zu schnell in blanken Frust.

Diese Diskrepanz setzt sich im technischen Zustand fort, der trotz deutlichem Patch-Willen eher an eine offen deklarierte Early-Access-Phase erinnert als an ein Vollpreis-Spiel. Wer das Spiel in seiner ersten Version erlebt hat, erkennt eine klare Verbesserung, doch der Weg von „merklich besser“ zu „unauffällig stabil“ ist 2025 länger, als es in einer von ausgereiften Konkurrenztiteln dominierten Landschaft sein dürfte.

Problematisch ist auch, dass „Project Motor Racing“ strukturell vieles will, aber noch nicht alles konsequent zu Ende denkt. Die Karriere verspricht Motorsport-Fiktion mit wirtschaftlichem Druck, verliert sich aber zu oft in repetitiven Eventabfolgen, die sich spielmechanisch zu ähnlich anfühlen und wenig dramaturgischen Aufbau bieten.

Unser Fazit zu „Project Motor Racing“

„Project Motor Racing“ ist auf der PS5 Pro mit SimRacing-Lenkrad ein faszinierender Widerspruch: Fahrdynamisch ist es in seinen besten Momenten auf Augenhöhe mit etablierten PC-Simulationen, strukturell und technisch wirkt es aber wie ein Projekt, das noch mindestens eine Saison Entwicklungszeit gebraucht hätte. Wer bereit ist, mindestens in ein Thrustmaster-Lenkrad T300 RS GT oder in vergleichbare Hardware zu investieren, Patches abzuwarten und sich durch ruppige KI und überharte Strafen zu kämpfen, findet einen fordernden, teilweise großartigen Rennsimulator, der allerdings mehr Arbeit abverlangt, als ein Vollpreistitel in diesem Marktsegment verlangen sollte.

Für Controller-Spieler ist unser Urteil deutlich nüchterner: Ja, das Spiel ist spielbar – aber empfehlenswert ist es erst mit Lenkrad. In seiner aktuellen Form bleibt „Project Motor Racing“ deshalb ein Spezialist für SimRacing-Enthusiasten, die Lust haben, ein unfertiges, aber vielversprechendes Projekt aktiv zu begleiten, während alle anderen mit gutem Gewissen bei ausgereifteren Alternativen bleiben können.

„Project Motor Racing“ ist seit dem 25. November 2025 für PC, Playstation 5 und Xbox Series X|S erhältlich und kostet 60 bis 70 Euro. Das Spiel ist ohne Altersbeschränkung freigegeben.

Transparenzhinweis: Für diesen Test wurde uns vom Publisher ein kostenloser Review-Code zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf unsere Wertung. Wir haben das Spiel auf der Playstation 5 Pro getestet.

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