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Genuss an Schwedens Westküste

Geschmack aus dem Fjord: Bluefood-Tour an Schwedens Küste

Lars Marstone lehnt mit verschränkten Armen am Pier im Hafen von Lysekil, als wolle er Wind und Wellen persönlich begrüßen. Vor uns liegt sein liebevoll restauriertes Holzboot «Signe» - ein Name, der in Schweden Tradition hat. Abgeleitet vom altnordischen Signý, bedeutet er «die Siegreiche» oder «die Gesegnete». Seit über 50 Jahren trotzt dieses Boot den Wellen – und heute nimmt es uns mit zu dem, was Schweden gerade neu für sich entdeckt: Bluefood. Nachhaltige Schätze aus dem Meer, direkt vor der Haustür.

Das Meer auf dem Teller

Wir sind an der schwedischen Westküste in der Provinz Bohuslän, rund 120 Kilometer nordwestlich von Göteborg, auf Bluefood-Tour - einer Bewegung, die in Schweden Aufwind hat. «Bluefood» steht für nachhaltige Meereslebensmittel wie Muscheln, Algen, Austern und verschiedene Fischarten. Sie stammen frisch aus dem Meer oder umweltschonenden Aquakulturen - lokal, mit einem kleinen ökologischen Fußabdruck.

Die «Signe» im Hafen von Lysekil: Mit dem restaurierten Holzboot steuert Lars Marstone seine Austern- und Muschelfarmen im Gullmarsfjord an – seit über 15 Jahren. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Die «Signe» im Hafen von Lysekil: Mit dem restaurierten Holzboot steuert Lars Marstone seine Austern- und Muschelfarmen im Gullmarsfjord an – seit über 15 Jahren. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

Lars Marstone ist einer der Pioniere. Seit über 15 Jahren lädt er gemeinsam mit seiner Frau Maivor Gäste zwischen März und November zu Austern- und Muscheltouren ein – unter dem Namen Lysekils Ostron & Musslor.

Unterwegs im Gullmarsfjord

Bevor wir an Bord dürfen, drückt uns Lars wetterfeste Thermoanzüge in die Hand - dick, wasserundurchlässig, irgendwie steif. Das Hineinwinden ist ein kleines Abenteuer für sich. «Die könnt ihr brauchen», sagt er schmunzelnd.

Lars Marstone züchtet seine Austern in stapelbaren Kästen mitten im Gullmarsfjord – dort, wo das Wasser klar, sauerstoffreich und voller Nährstoffe ist. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Lars Marstone züchtet seine Austern in stapelbaren Kästen mitten im Gullmarsfjord – dort, wo das Wasser klar, sauerstoffreich und voller Nährstoffe ist. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

Dann tuckert die «Signe» langsam aus dem Hafen. Vor dem Bug erstreckt sich der Gullmarsfjord - rund 25 Kilometer lang und bis zu 120 Meter tief. Er ist der größte und tiefste Fjord Schwedens und ein echter Hotspot der marinen Biodiversität.

Frischer geht's nicht

Während das Boot gemächlich Fahrt aufnimmt, erzählt Lars, wie er Muscheln und Austern züchtet. Die Austern wachsen in stapelbaren Kästen oder Netzbeuteln, die Muscheln hängen an Leinen in durchlässigen Körben - mitten im Fjord, wo das Wasser klar, sauerstoffreich und voller Nährstoffe ist. Ideale Bedingungen, unter denen die Meeresfrüchte ungestört wachsen können.

Ka?ringeholmen, eine winzige Insel, seit Generationen im Besitz der Marstones. Lars Frau Maivor empfa?ngt uns am Steg. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Ka?ringeholmen, eine winzige Insel, seit Generationen im Besitz der Marstones. Lars Frau Maivor empfa?ngt uns am Steg. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

Nach gut 20 Minuten taucht eine kleine Insel am Horizont auf, die schon Lars’ Großvater gehörte: Käringeholmen. Wir legen an, steigen vorsichtig auf den hölzernen Steg. Dicke Leinen hängen von den Planken, daran befestigt Kästen voller Austern. Lars beugt sich hinab, greift mit geübter Hand zu. Mit einem schnellen, präzisen Schnitt öffnet er die Auster - frisch, salzig, bereit für den Genuss.

Zwei Austern, zwei Welten

Ostrea edulis, die schwedische Flachauster: Sie schmeckt nussig und leicht mineralisch, die Textur ist cremig – am besten pur mit einem Spritzer Zitrone. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Ostrea edulis, die schwedische Flachauster: Sie schmeckt nussig und leicht mineralisch, die Textur ist cremig – am besten pur mit einem Spritzer Zitrone. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

«Das ist die schwedische Flachauster - Ostrea edulis», erklärt er, während wir probieren. Sie schmeckt nussig und leicht mineralisch, die Textur cremig. Dann greift er in einen anderen Korb, holt eine größere hervor: «Und das hier - ihre japanische Verwandte, Crassostrea gigas.»

Per Karlsson bei der Arbeit: Der Austernzüchter sortiert die Muscheln aus, bevor er Gästen in Everts Sjöbod die Kunst des Austernknackens zeigt. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Per Karlsson bei der Arbeit: Der Austernzüchter sortiert die Muscheln aus, bevor er Gästen in Everts Sjöbod die Kunst des Austernknackens zeigt. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

«Schmeckt ihr den Unterschied?», fragt Lars neugierig. In der Tat: Die Crassostrea gigas ist fleischiger, kräftiger und besitzt ein ausgeprägtes jodiges Aroma.

Doch der Unterschied liegt nicht nur im Geschmack. Während die pazifische Auster weltweit in Becken oder Gezeitenzonen gezüchtet wird, setzen die Schweden auf kleine Betriebe – ohne Zufüttern, ohne Chemie. Zwei Austern, zwei Charaktere – und beide am besten pur, mit einem Spritzer Zitrone oder Schalottenvinaigrette.

Handschuh, Messer, Mut

Bevor uns Per Karlsson mit Austernmesser und Handschuhen die Kunst des Austerno?ffnens lehrt, gibt es einen Schluck zur Ermutigung. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Bevor uns Per Karlsson mit Austernmesser und Handschuhen die Kunst des Austerno?ffnens lehrt, gibt es einen Schluck zur Ermutigung. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

Everts Sjöbod ist ein liebevoll restauriertes Bootshaus aus dem 19. Jahrhundert und liegt in Grebbestad, rund 65 Kilometer nördlich von Lysekil. Urgemütlich, mit knarrenden Dielen und alten Seemannsknoten an den Wänden. Ein Ort wie gemacht, um einzutauchen in die Kunst, eine Auster zu knacken.

Linnea Sjögren taucht auf mit ihrer Ernte: Frisch geerntete Algen in Braun, Rot und Grün – für die Gründerin von Catxalot sind sie echte Multitalente. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Linnea Sjögren taucht auf mit ihrer Ernte: Frisch geerntete Algen in Braun, Rot und Grün – für die Gründerin von Catxalot sind sie echte Multitalente. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

Per Karlsson, Austernzüchter und Genussbotschafter der Region Bohuslän, zeigt, wie’s geht. Mit Handschuh und speziellem Messer, die raue Schale fest im Griff: «Linke Hand hält, hier ansetzen und drehen». Ruhig, präzise, routiniert. Karlsson betreibt das Bootshaus gemeinsam mit seinem Bruder Lars - beide in Grebbestad aufgewachsen, beide mit dem Meer verbunden.

Von der Bucht auf den Teller: Linnea Sjögren verarbeitet frisch geerntete Algen. - © Sabine Glaubitz/dpa-tmn
Von der Bucht auf den Teller: Linnea Sjögren verarbeitet frisch geerntete Algen. (© Sabine Glaubitz/dpa-tmn)

Dann sind wir an der Reihe. Zögerlich, konzentriert - und dann, knack. Die Schale gibt nach. Frisch geöffnet, mit Blick auf den Fjord, schmeckt die erste Auster nicht nur nach Meer. Sie schmeckt auch nach einem kleinen Erfolg.

Abtauchen in Smögen

In Smögen, bekannt für seine farbenfrohen Häuser, geht es weiter - hinein in eine andere Facette des Meeres. In einer idyllischen Bucht empfängt uns Linnea Sjögren, Gründerin von Catxalot, einem der ersten Unternehmen Schwedens, das sich ganz dem Potenzial von Meeresalgen widmet.

Was uns hier erwartet? Eine Algensafari mit Neoprenanzug und Schnorchel, bei der allerdings nur Linnea ins eisige Wasser gleitet, während wir das Spektakel vom Ufer aus bestaunen.

«Das Wasser ist kalt, aber voller Leben», sagt Linnea mit einem Lächeln - und verschwindet unbeirrt ins kalte Nass. Wenig später taucht sie wieder auf, ein glänzendes Bündel in der Hand: frisch geerntete Algen in Braun, Rot und Grün.

Teatime mit Algen

Auf einem Felsen breitet sie die Algen aus, sortiert sie sorgfältig nebeneinander - wie eine Teezeremonie. Der Campingkocher zischt, das Wasser dampft. «Dieser hier wird beim Trocknen knusprig wie Chips, der andere ergibt einen feinen, blumigen Tee», erklärt sie und reicht ein Glas herum.

«Algen sind echte Multitalente», sagt Linnea lächelnd, als sie uns von ihren vielen Verwendungsmöglichkeiten erzählt: Superfood, Kosmetik, Klimaschützer. Und das Beste: Sie wachsen direkt vor unserer Haustür.

Was Linnea aus dem Meer holt, landet nicht nur in Workshops und Kursen, sondern auch auf den Tellern der besten Restaurants in Stockholm und Göteborg: Austern mit Algenbutter, Muscheln auf Algensalat und Algenkaviar. Jedes Gericht der Genuss von Bluefood - und von Westschweden.

Links, Tipps, Praktisches:

Anreise: Flüge nach Göteborg ab mehreren deutschen Städten (z.?B. Berlin, Hamburg, Frankfurt). Alternativ mit dem Auto und Fähre (z.?B. Kiel–Göteborg) oder per Bahn über Kopenhagen.

Weiterreise: Lysekil, Grebbestad und Smögen liegen 1,5 bis 2,5 Stunden nordwestlich von Göteborg. Mietwagen oder Fernbus empfohlen.

Beste Reisezeit: wieder ab Mai bis Oktober, ideal für Touren auf dem Wasser.

Touren: Austern- und Muscheltouren: Lysekils Ostron & Musslor; Austern- und Hummersafaris: Everts Sjöbod (Grebbestad); Algentouren und Tang-Workshops: Catxalot (Smögen)

Unterkünfte: Das Angebot reicht von einfachen Hotels ab 60 Euro bis zum 5-Sterne-Hotel ab 160 Euro.

Weiterführende Informationen: visitsweden.de

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