Detmold. Es ist ein bedrückendes Dokument der Zeitgeschichte, das Rechtsanwalt Christoph Rückel, der drei Nebenkläger im Detmolder Auschwitz-Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning aus Lage vertritt, in die Verhandlung eingeführt haben möchte. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Detmold unter Vorsitz von Richterin Anke Grudda soll sich das sogenannte Auschwitz-Album anschauen.
Am achten Verhandlungstag übergab Rückel der Kammer das Buch mit 193 Bildern aus dem Konzentrationslager Auschwitz, das die Ankunft und Selektion ungarischer Juden Ende Mai oder Anfang Juni 1944 aus Sicht der SS-Männer zeigt. Die Originalfotos dieses Albums befinden sich heute in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem. Dieses Album wurde 1945 von Lili Jacob während ihrer Haft im Konzentrationslager Dora-Mittelbau bei Nordhausen am Harzrand entdeckt.
Auch ein zweites Fotoalbum wird heute als Auschwitz-Album bezeichnet. Dieses Album zeigt mit 116 Aufnahmen Angehörige des SS-Lagerpersonals bei Schießübungen und Freizeitaktivitäten. Das Original hat 2006 das United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. von einem anonym gebliebenen Oberst der amerikanischen Armee erworben, der es 1946 gefunden hatte. In diesem Album finden sich viele Bilder, der der SS-Obersturmführer (Oberleutnant) Karl-Friedrich Gottlieb Höcker aus Pr. Oldendorf gemacht hatte.
Das erste Auschwitz-Album von Lili Jacob zeigt Bilder, die den Ablauf im Inneren des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau dokumentieren. Die Fotos wurden entweder von Ernst Hoffmann oder Bernhard Walter aufgenommen. Diese beiden SS-Männer sollten Passfotos und Fingerabdrücke von den neu aufgenommenen Häftlingen machen, nicht aber von den Juden, die direkt in die Gaskammern geschickt wurden. Die Bilder zeigen den Ablauf der Ausbeutung und Ermordung der ungarischen Juden mit Ausnahme der eigentlichen Tötung. Die Schwarz-Weiß-Fotos spiegeln die Selektion an den Gleisrampen, die Registrierung und die Entlausung der Arbeitsfähigen wieder. Fast alle Bilder stammen von einem Zugtransport.
Dem 94-jährigen Angeklagten wird Beihilfe zum Mord an mindestens 170.000 Menschen im Konzentrationslager Auschwitz zur Last gelegt. Vor Gericht hat sich Reinhold Hanning in den acht Prozesstagen bisher nicht geäußert. Seine Anwälte haben aber eine Erklärung angekündigt.
„Selbst wenn der Angeklagte sich doch noch äußert, werden diese in Fotografie festgehaltenen schrecklichen, bedrückenden und einmaligen Momentaufnahmen Eindrücke besonderer menschlicher Grausamkeit wiedergeben, die er selbst nicht mit Worten allein beschreiben könnte", sagte Anwalt Christoph Rückel. „Diese Aufnahmen beschreiben einen kleinen Teil der Wirklichkeit, an der der Angeklagte tagtäglich sehenden Auges und fühlenden Herzens teilgenommen hat."