Bad Salzuflen. Dieser Mann lebt Sport. Richard Marquardt (75) kümmert sich als Sportlehrer seit 50 Jahren um die sportliche Ertüchtigung mit Kindern. Als er 2003 offiziell in den Ruhestand verabschiedet wurde, war das für den langjährigen Sportlehrer an der Grundschule Wasserfuhr noch lange nicht der Abpfiff.
Auch heute noch hat er einen vollen Stundenplan. Aktuell ist Marquardt in vier OGS-Schulen (Ahornstraße, Kirchplatz, Elkenbrede, Wüsten) und einer Sport-AG (Wasserfuhr) aktiv. Zudem fungiert er als Co-Trainer bei den E2-Fußballern des SC Bad Salzuflen.
Wie muss man sich den Sportunterricht in ihrer Kindheit vorstellen? Zackig mit frisch, fromm, fröhlich, frei?
Richard Marquardt: Ich hatte sehr gute Sportlehrer. Besonders auf dem Helmholtzgymnasium in Bielefeld. Da wurde viel Fußball, Handball, Leichtathletik und Volleyball betrieben. Wir hatten zwei Stunden Sport plus eine Stunde Schwimmen pro Woche.
Wie hat sich der Sportunterricht seitdem entwickelt?
Marquardt: An den Grundschulen ist Sport intensiviert worden. Durch viele junge Lehrer, die frische Impulse mitbrachten. Als ich anfing, bot Vater Staat Lehrgänge en masse an, so dass wir enorm breit aufgestellt wurden. Das Tolle: Damals war alles kostenlos. Heute müssen die Lehrer für die Kurse bezahlen.
Frische Impulse? Das hört sich nach Trendsport an...
Marquardt: Tolle Ideen brachte besonders Werner Könemann ein. Der spätere Regierungsschuldirektor entfachte frischen Wind mit Lehrerfußball oder Schultennis. So wurde Tennis so populär, dass es teilweise sogar als Abiturfach anerkannt war.
Was hat sie motiviert, als Sportlehrer in die Schule zu gehen?
Marquardt: Ich war damals Fußballtrainer von Post Bad Salzuflen. Eine tolle Truppe mit Erich und Kurt Gnade, Manni Wehmeier oder Terry Fitzgerald. Um mich weiterzubilden, bin ich häufig zu Fußball- und Tennis-Fortbildungen nach Kamen gefahren. Dazu kamen Lehrgänge an der Sporthochschule in Köln. Das waren für mich Initialzündungen.
Inwiefern?
Richard Marquardt wurde 1940 in Bad Salzuflen geboren. Neben Fußball, Handball und Leichtathletik widmete er sich mit Hingabe dem Tennissport. 1985 wurde Marquardt mit dem Hans-Rübenstrunk-Gedächtnispokal geehrt. Als Mentoren bezeichnet er neben Werner Könemann und Wilfried Starke den ehemaligen Sportamtsleiter Gero Timmer.
Marquardt: Was ich damals unter Hennes Weisweiler oder Udo Lattek gelernt habe, gilt auch heute noch. Weisweilers Schlagwort lautete: Nach hinten arbeiten, nach vorne spielen. Das beherzige ich auch bei meinen E2-Kickern. Sie sollen erstmal spielen und sich keinen Zwängen unterwerfen. Auch Werner Könemann habe ich immer sehr verehrt. Er war 40 Jahre lang Vorsitzender des TSV Oerlinghausen und hat den Schulsport auf eine ganz neue Plattform gehoben. Er war kreativ und ein großer Motivator für viele Lehrer.
Müssten die Kinder dank des Offenen Ganztags heute nicht viel mehr Sport treiben?
Marquardt: Da die meisten Elternteile arbeiten und die Kinder wenigstens bis 16 Uhr von Lehrkräften betreut werden müssen, empfinde ich die OGS als Segen. Doch weil OGS inzwischen von fast jeder Schule angeboten wird, mangelt es hierfür an Lehrern. Dabei sind kleine Kinder das kostbarste Gut, das wir haben. Die Jugend ist die Zukunft der Vereine. Was ich als schade empfinde – und das ist ausdrücklich nicht negativ gegen Frauen gemeint – sind die vielen weiblichen Lehrkräfte in den Grundschulen. Die Kinder brauchen auch männliche Bezugspersonen als Vaterfiguren.
Wie lauten die Werte, die sie ihren Schülern durch den Sport vermitteln möchten?
Marquardt: Fairness, Mitmenschlichkeit, Zurückhaltung, Achtung des Gegners, Respekt vor dem Alter. Einfach den Umgang miteinander auf fairste Weise. Auch außerhalb des Spielfeldes. Aber hier spielt auch die Erziehung mit rein. Da müssen auch die Eltern mitziehen. Die Lehrer allein sind damit überfordert. Wenn Eltern und Lehrer an einem Strang ziehen und das Soziale im Vordergrund steht, ist Sport die schönste Nebensache der Welt.
Warum führt Sport zur besseren Integration?
Marquardt: Grundsätzlich muss unsere Botschaft lauten: Kein Hass auf Ausländer. Bei meiner E2-Jugend müssen die Kinder aber auch klare Regeln respektieren. Wichtig ist für mich, dass auf dem Platz und im Sportunterricht Deutsch gesprochen wird. Die Integration funktioniert, wenn soziale Komponenten im Vordergrund stehen. Gerade heute, wo so viele Menschen an Bewegungsarmut und Übergewicht leiden.
Wie motivieren sie denn ein ganz und gar sportunlustiges Kind zum Unterricht?
Marquardt: Indem ich ihm niemals die negativen Seiten vorhalte und trotz negativer Vorzeichen nur lobe und anerkenne. Dadurch spüren die Kinder, dass sie nicht hinten anstehen und anerkannt werden. Lob ist das A und O. Ich habe im Sport nie eine schlechtere Note als eine Drei gegeben – weil ich Freude und Begeisterung für den Sport wecken wollte. Durch positiven Ansporn können Kinder erhobenen Hauptes aus dem Unterricht gehen.
Welche Bedeutung hat der Schwimmunterricht?
Marquardt: Auf Schwimmen wird mittlerweile gesteigerter Wert gelegt. In Bad Salzuflen hat jeder Grundschüler mindestens ein Jahr Schwimmunterricht, es sei denn, es liegt ein ärztliches Attest vor. Das mündet dann fast automatisch im Freischwimmer.
Hand aufs Herz: Gabs auch einen Lieblingsschüler?
Marquardt: Lieblingsschüler würde ich nicht sagen. Aber einen bekannten Fußballer. Thomas Helmer ging vier Jahre zur Grundschule Wasserfuhr. Er war ein ganz ruhiger Schüler, der gerne Fußball spielte, aber ansonsten überhaupt nicht auffiel. Er hatte schon damals ein bomben Zeugnis und hat später das Abitur mit 1,8 gemacht – obwohl er da schon bei Arminia Bielefeld spielte. Was ihn außerdem auszeichnet: Einmal im Jahr kommt er noch nach Bad Salzuflen und trifft sich mit seinen Kumpels von früher. Eine große Zukunft traue ich auch Carlotta Wamser zu. Ich habe noch nie ein Kinder erlebt, das derart vielseitig ist. Sie kann Leichathletik, Turnen, Fußball und Tennis perfekt. Da bin ich wirklich entspannt.
Mit der Erfahrung von 50 Jahren im Schulsport: Was geben sie ihren Nachfolgern mit auf den Weg?
Marquardt: Sport als schönste Nebensache der Welt zu sehen. Das ist die Hauptsache und sagt alles aus.
Das Interview führte LZ-Redakteur Jörg Hagemann.