Als "Tulpe" auf allen Vieren aus dem Bus kletterte

Lemgo. Am Dienstag war offiziell sein letzter Tag beim TBV Lemgo Lippe. Ob seine Handball-Karriere mit 39 Jahren nun beendet ist, lässt Fabian van Olphen noch offen. Zunächst gilt es, den Kreuzbandriss, den er sich im Januar, im Vorfeld der Europameisterschaft zugezogen hat, weiter auszuheilen. Seine Zukunftspläne sind aber bereits konkret. &bdquo;Tulpe“ macht zusammen mit Andreas Rojewski in Immobilien und bringt seine riesige Erfahrung künftig als Spielerberater ein.

Mein erstes Bundesligaspiel: Ich weiß, dass es mit Lübbecke gegen den HSV war. Wir haben knapp mit drei Toren verloren. Die Aufregung war natürlich groß. Es ging gleich gegen große Namen wie die Gille-Brüder, Hens, Stojanovic oder Knorr, mit dem ich später nochmal in Magdeburg gespielt habe. Mittlerweile spiele ich schon gegen seinen Sohn.

Mein schrägster Mitspieler: Das lässt sich nicht an einer Person festmachen. Ich hab mit vielen unterschiedlichen Charakteren zusammengespielt. Kretzsche war damals schon eine Kultfigur. Ich erinnere mich aber auch an Exoten, die lässig und tiefenentspannt erst eine Minute vorm Trainingsbeginn in der Kabine erschienen. Damian Karabele war so ein Fall. Ein verrückter Typ war auch Silvio Heinevetter.

Meine kurioseste Auswärtsfahrt: Verkehrstechnisch sind die meisten Busfahrten glatt gelaufen. Nach wichtigen Auswärtssiegen gab es teilweise fröhliche Rückfahrten. In Kiel feierten wir mit dem SCM ein Unentschieden als großen Erfolg. Anschließend waren wir noch in Kiel in der Stadt. Von der Rückfahrt habe ich keinen Schimmer mehr. Ich weiß nur, dass wir morgens zurück in Magdeburg auf allen Vieren aus dem Bus gekrochen sind.

Mein größter Triumph: Obwohl ich 2007 Europapokalsieger geworden bin, habe ich die stärksten Gefühle an unseren DHB-Pokalsieg mit dem SCM 2016. Vielleicht, weil es noch nicht so weit zurückliegt. Ich hatte da zwar nicht so viele Einsatzzeiten. Doch als Kapitän durfte ich als erster den Pokal in Empfang nehmen. Das war wie im Traum. Ein Jahr vorher hatten wir erst im Siebenmeterwerfen gegen Flensburg verloren. Als wir 2016 im Final Four gegen den gleichen Gegner gewonnen haben, war das extrem geil. Doch es gab auch viele besondere Siege, bei denen es nicht um Titel ging. Einige Auswärtssiege mit dem TBV bei direkten Konkurrenten entfachten megageile Gefühle, weil es hart erkämpfte und wichtige Punkte waren, die uns nach vorne geschossen haben. Ich denke da an Auswärtssiege in Minden, Stuttgart oder Wetzlar. Ein extremer Höhepunkt war auch unser Pokalsieg bei den Eulen - ein echter Hammer. Ich hatte mich riesig gefreut, noch ein drittes Mal nach Hamburg fahren zu dürfen.

Meine schwierigsten Gegenspieler: Extrem schwer zu verteidigen ist Michael Damgaard mit seinem sensationellen 1:1-Spiel. Auch bei Andy Schmid kommen immer irgendwelche Bälle durch. Speziell, wenn dann am Kreis ein Bjarte Myrhol wartet. Ein toller Typ, der sich immer gewehrt hat, der jeden Ball fing und auch noch viele Zeitstrafen gezogen hat. Dicke Brocken für jeden Innenblock sind aber auch Jannik Kohlbacher und Hendrik Pekeler.

Ein Trainersatz, den ich nicht mehr hören kann: Da fällt mir keiner ein. Jeder Trainer hatte seine Eigenarten. Die habe ich immer akzeptiert. Wichtig ist, dass die Ansagen Hand und Fuß haben. Sicherlich schmunzelt man manchmal. Doch Witze darüber zu machen wäre respektlos.

Mein ständiges Ritual: Ich habe mich immer auf die gleiche Art und Weise aufgewärmt. Beim Einwerfen gabs vier Serien. Nach der dritten Serie habe ich die Schuhe fest geschnürt und die Socken hochgezogen.

Am heißesten war die Atmosphäre in...: Skopje. Damals hieß das noch Europapokal. Bei Vadar war Veselin Vujovic der Trainer. Vor dem Anpfiff baute er sich wie Jesus im Mittelkreis auf und pushte das Publikum. Nachdem wir mit dem SCM das Hinspiel in der Gieseler-Halle mit drei Toren gewonnen hatten, verloren wir im Rückspiel mit drei Toren, kamen aber trotzdem weiter. Dabei hatten wir echt Glück. Mit dem letzten Angriff gelang Vardar ein Durchbruch. Mein Kumpel "Roje" (Andreas Rojewski) blockte den Ball auf fünf Metern. Der Fall war eigentlich klar. Doch die Schiedsrichter hatten es anders gesehen. Auf dem Spielfeld gabs anschließend viele Sprüche. Aber danach war das Theater schnell vorbei. Passiert ist nix. Ein anderes unvergessliches Erlebnis hatte ich bei beinem Länderspiel mit Holland gegen Bosnien in Volendam. Im Tor war Gerrie Eijlers überragend. Schon während des Spiels wurde er heftig provoziert. Ein Zuschauer lief mit einer bosnischen Fahne aufs Spielfeld. Als ein Spieler unseren Torhüter attackieren wollte, habe ich aus dem Augenwinkel gesehen, wie sich Gerrie wie Karate Kid wehrte. Mit einem Kung-Fu-Tritt machte er den Angreifer unschädlich. Das war Wahnsinn. Denn von Gerrie erwartet man so etwas nicht. Das ist ein total ruhiger und besonnener Mensch.

Meine schlimmste Verletzung: Mein erster Kreuzbandriss 2011. Das war ein harter Schlag. Ich war über sechs Monate raus.

Das werde ich aus der Kabine vermissen: Wenn 15 Männer zusammen sitzen, wird viel Quatsch erzählt und viel gelacht. Im Moment fehlt es mir noch nicht. Doch wenn Corona vorbei ist und die Bundesliga irgendwann wieder beginnt, wird mir dieses Gefühl ganz sicher fehlen.

Meine höchste Torquote: Mit Nettelstedt sind mir mal zwölf Tore gegen die Rhein-Neckar Löwen gelungen. Die hatten mit Velyky, Torgowanow oder Szmal schon damals eine super Truppe.

Bei diesem Thema werde ich angriffslustig: Jede Form von Ungerechtigkeit finde ich nicht gut. Wer im Handball austeilt, muss auch einstecken können. Auch auf dem Spielfeld ist alles ein Geben und Nehmen. Grundsätzlich fände ich im Handball eine Shot-Clock nicht schlecht. Allerdings müsste das anders als beim VAR im Fußball laufen, wo man teilweise vier, fünf Minuten auf die Entscheidung wartet. Aber wenn die Trainer einmal pro Halbzeit die Möglichkeit bekämen, eine Karte zwecks Überprüfung zu ziehen, wäre das ein guter Ansatz. Bewährt hat sich ja auch die Regeländerung, dass man nach einer Verletzungsunterbrechung drei Angriffe aussetzen muss. Das sollten die Fußballer auch mal einführen. So wird der Spielfluss nicht kaputt gemacht.

Meine Helden im Alltag: Ich habe großen Respekt vor den Menschen in der Medizin. Zum Beispiel die Helfer auf den Rettungswagen. Was die alles abkönnen müssen, um andere Menschen am Leben zu halten. Jeder, der sich für Menschen einsetzt, denen es nicht gut geht, verdient meine Hochachtung.

Das können Handballer von anderen Sportarten lernen: Bezüglich der Kraft können wir viel vom Judo und Karate lernen. Die müssen auch vorausschauend agieren. Wie man dem Hebel vom Gegner entgeht oder den Angreifer mit einem Griff erwischt, aus dem er nicht mehr rauskommt. Turnen finde ich für die Stabilität sehr wichtig und Leichtathletik für die Koordination.

Mein Tipp für die nächste Handball-Generation: Entscheide dich für einen Verein, in dem du die Möglichkeit auf viel Einsatzzeit bekommst. Spielminuten sind am Anfang wichtiger als Geld. Und wenn du dich entscheidest, den Weg zu gehen, dann nur mit Vollgas. Und mein letzter Tipp: Gehe respektvoll mit deinem Trainer, den Mitspielern und allen anderen Mitmenschen um.

"Tulpes" Dreamteam Aus allen seinen ehemaligen Mitspielern würde sich Fabian van Olphen bei der Zusammenstellung einer fiktiven Traum-Sieben im Tor für Silvio Heinevetter entscheiden. Auf der Königsposition wäre Jonathan Carlsbogard seine Nummer eins. "Er hat sich phänomenal entwickelt und ist ein lieber, freundlicher und respektvoller Mensch, der ehrgeizig wie die Pest ist. Ich kannte ihn anfangs gar nicht. Aber nach seiner Schulterverletzung ist er ein echtes Monster geworden. Er steht in der Abwehr wie eine eins und ist vorne mega torgefährlich", schwärmt van Olphen. Auf der Mitte würde er zwischen Stian Tönnesen, mit dem er sich neun Jahre lang blind verstanden hat, und Tim Suton ("Ein Ausnahmetalent und toller Mitspieler") entscheiden. Halbrechts ist Andreas Rojewski gesetzt. An vorderster Front lässt "Tulpe" mit Patrick Zieker, Bartosz Jurecki und Robert Weber angreifen.

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