Christoph Wortmann legt los: Das erwartet Arminia Bielefeld

Bielefeld. "Schön, dass es jetzt losgeht", sagt er. An diesem Dienstag betritt ein neuer kaufmännischer Geschäftsführer der DSC Arminia Bielefeld GmbH & Co. KGaA die Geschäftsstelle in der Südostecke der Schüco-Arena, bezieht das Büro seines Vorgängers Markus Rejek, nur eine Glasfront vom Stadioninnenraum entfernt. Christoph Wortmann heißt er, die Branche kennt seinen Namen, unter Fans ist er ein eher unbeschriebenes Blatt. Und dann kommt er auch noch von einem langjährigen Rivalen. Kann das denn funktionieren? Ehemalige Wegbegleiter helfen bei der Spurensuche.

Wortmann betritt ein frisch gemähtes Spielfeld. Denn auch wenn sein Zuständigkeitsbereich in der Berufskarriere kontinuierlich anwuchs und er auf diesen Posten hingearbeitet hatte: Die Gesamtverantwortung für einen Klub innezuhaben, ist neu für den 46-Jährigen. "Direktor Marketing & Vertrieb" war er seit 2018 und bis zum 31. Dezember beim VfL Bochum. Hierarchisch war Arminias neuer Boss damit auf zweithöchster Etage verortet: Er berichtete an den Schweizer Ilja Kaenzig.

Wenn Kaenzig heute über seinen ehemaligen Mitarbeiter spricht, muss der 49-Jährige fast gebremst werden. &bdquo;Ich glaube, da ist Arminia ein Coup gelungen, jemanden wie ihn zu holen“, sagt Kaenzig. Zuschreibungen wie &bdquo;absoluter Experte“ und &bdquo;Arbeitstier“ fallen im Gespräch. Dass ihn der VfL Bochum nicht halten konnte oder mochte, mag da überraschend wirken. Aber: &bdquo;Eine Erweiterung der Geschäftsführung“, sagt Kaenzig, &bdquo;stand nicht im Raum. Die Möglichkeit, einen Klub allein zu führen, musste er zwangsläufig woanders suchen.“ Ende Juni reichte Wortmann seine Kündigung ein, überrascht war Kaenzig davon nicht. &bdquo;Dieser Bereich war für ihn keine Challenge mehr."

Kind des Ruhrgebiets Wortmann ist ein studierter Diplom-Sportwissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum, der stets auf das Ziel Profisport hinarbeitete. Dann öffnete ihm die Bundesliga unverhofft eine Tür, denn bei Vermarkter "Sportfive" war er schlicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wortmann sprang im Frühjahr 2003 ein, als ein anderer Praktikumskandidat für den Posten beim Hamburger SV abgesagt hatte. Besser hätte es nicht laufen können: Der HSV war jener Klub, über den er just zuvor seine Diplomarbeit mit Schwerpunkt Markenführung geschrieben hatte. Es folgten - nun in Festanstellung - Stationen beim 1. FC Kaiserslautern, Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen.

Der in Unna geborene Wortmann ist ein Kind des Ruhrgebiets, lebt mit seiner Frau, Sohn (6) und Tochter (3) im Osten Dortmunds. Künftig wird er dazu eine Wohnung in Bielefeld in der Nähe der Universität beziehen. Beide Wortmanns sind im Profifußball tätig: Ehepartnerin Mareike arbeitete schon beim VfL Bochum, als Christoph hinzustieß, und bleibt über seinen Abschied hinaus – erst selbst im Vermarktungsteam, dann als Personalreferentin. Es war ein taktischer Abteilungswechsel, um eine unnötig pikante Konstellation im Klub zu vermeiden.

Bochum findet unter Wortmann seine Nische Die Zahlen sprechen für ihn: Seit Ilja Kaenzig und auch Christoph Wortmann beim VfL loslegten, wuchs der Bochumer Etat um rund 60 Prozent. Wortmann übertraf in einem seiner Kerngebiete diese Entwicklung sogar: Der Merchandising-Umsatz stieg von 1,1 Millionen auf knapp vier Millionen Euro - auch, aber nicht allein erklärbar mit dem Bundesliga-Aufstieg 2021. Dazu verkaufte Arminias Rivale aus dem Kohlenpott zuletzt 30.000 Trikots in einem Jahr und landete bei der &bdquo;Kicker“-Abstimmung über das schönste Jersey der Bundesliga auf dem ersten Rang. Außerdem wurden in der öffentlichen Repräsentation die digitalen Auftritte deutlich geschärft, indem gezielt in Strukturen und Mitarbeiter investiert wurde. Wortmann wird an diesen Prozessen ein gehöriger Anteil nachgesagt. Oder, wie es Kaenzig formuliert: &bdquo;Das war eine absolute Erfolgsgeschichte. Er hat den Klub auf ein deutlich höheres Niveau gehoben."

Eines, von dem der VfL vor wenigen Jahren als grauer Zweitligist selbst kaum glaubte, es einmal erreichen zu können. Doch eingequetscht vom in ganz eigenen Sphären schwebenden BVB im Osten und den sportlich tief gefallenen, aber von vielen Tausend treuen Seelen gestützten Schalkern im Westen ist der Verein seit Jahrzehnten zum Anderssein gezwungen. Nicht immer gelang das. Mit einem einheitlichen Markenauftritt und greifbaren Termini wie etwa dem &bdquo;Castroper Straßenfußball“ und &bdquo;flutlichtblauer“ Spielklamotte hat der VfL der Gegenwart unter Wortmann aber seine Nische gefunden. Das Geschäft floriert, auf klassischen Geschäftswegen von Bandenwerbung bis VIP ist das kleine Stadion ausvermarktet.

Engelbracht lotst Wortmann nach Bochum Einer, der das Potenzial Wortmanns früh erkannte, ist Wilken Engelbracht. Er war von 2014 bis 2018 Finanzvorstand des VfL Bochum und warb Ende 2017 den damaligen Marketing-Abteilungsleiter aus Leverkusen ab. Wortmann blickte damals in manch fragendes Gesicht, selbst seine Eltern machten keinen Hehl aus anfänglicher Skepsis: Von der Champions League in den Zweitliga-Abstiegskampf, ist das nicht ein Rückschritt? Heute betrachtet der 46-Jährige die Entscheidung als die beste seiner bisherigen Berufskarriere.

Zwischen Engelbracht und Wortmann entwickelte sich eine kurze, aber einprägsame Zusammenarbeit. &bdquo;Er hatte damals schon alle Bereiche abgedeckt, sowohl einfacher als auch schwieriger zu vermarktende Vereine“, erzählt Engelbracht. Schon Wortmanns erste längere Station als von "Sportfive" beauftragter Verkaufsleiter des 1. FC Kaiserslautern (2004-2008) hatte es in sich gehabt: Der Klub stieg aus der Bundesliga ab und hatte finanzielle Probleme. Wortmann schlug sich wacker – und empfahl sich damit für den BVB.

Beim BVB als Spezialist für Asien Bei dem verbrachte er Teile seiner achtjährigen Tätigkeit im gleichen Büro wie sein Arminia-Amtsvorgänger Markus Rejek. Dann spezialisierte er sich auf die Vermarktung der Schwarz-Gelben in Fernost, reiste teils monatelang nach Japan, China, Singapur und Vietnam. Völlig andere Strukturen habe er dort vorgefunden, einiges selbst aufbauen müssen, sagt der neue DSC-Chef heute. Er kommt ins Erzählen von einer besonders spannenden Zeit, erst recht ab der für seinen Markt besonders bedeutsamen Rückkehr des japanischen Topstars Shinji Kagawa aus Manchester. Ein bisschen durfte er sich mit dem BVB als Pionier fühlen für den in Asien hinterherhinkenden deutschen Profifußball. Doch die Familienplanung wurde konkreter, was ihn 2016 zurück nach Deutschland zog.

&bdquo;Christoph hat in seinem Bereich alles gesehen“, sagt Engelbracht heute über Wortmanns Vita. Arminia und Aufsichtsratschef Hartmut Ostrowski attestiert der 49-Jährige, der mittlerweile einen Fond für Risikoinvestments managt und den Profifußball nur noch als kundiger Beobachter verfolgt, eine kluge Wahl getroffen zu haben. Er schreibt Wortmann eine &bdquo;integrierende Persönlichkeit“ zu sowie die Fähigkeit, &bdquo;den Finger konstruktiv in die Wunde legen zu können, auch gegenüber schwierigeren Charakteren“.

DSC mit Optimierungsbedarf Engelbracht kam einst als langjährige Bertelsmann-Kraft zum Posten bei seinem Bochumer Heimat- und Herzensverein. Zuvor war er im Gütersloher Medienkonzern unter anderem Assistent von Ostrowskis Vorgänger als Vorstandsvorsitzender, Gunter Thielen. Die Ostwestfalen und ihre Eigenheiten kennt er. Vielleicht hat genau das Fehlen einer solchen Konkurrenzsituation, wie es sie im Ruhrgebiet gibt, die Arminen etwas einschlafen lassen? Engelbracht denkt nicht als Einziger in diese Richtung, Optimierungsbedarf in der Außendarstellung der DSC merken auch andere Branchenkenner an.

Über allem steht die Frage: Wofür soll Arminia Bielefeld stehen, was macht den Standort besonders? Eine Frage, die an den Kern der Markenentwicklung geht – und die außerhalb des regionalen Fußballkosmos zu wenige klar beantworten können. Vielleicht auch, weil er in seinem Leitbild aktuell noch zu viele Themen vereinen will, statt sich entschieden zu fokussieren. &bdquo;Christoph kann beides, eine Marke entwickeln und verkaufen“, sagt Engelbracht. Genau das benötige der DSC jetzt, um nach der Sanierung den nächsten Schritt zu gehen. Allein kommt Wortmann übrigens nicht: Auch Nico Luft (34), zuletzt als Hospitality-Teamleiter zuständig für alle Dienstleistungen rund um Bochums VIP-Gäste, wird die Geschäftsstelle verstärken. Auch ihn hätten die Bochumer gerne gehalten.

Vorfreude bei Arminia In Bielefeld hält nun Vorfreude Einzug. "Dass mit Christoph Wortmann nun ab Januar wieder ein zweiter Geschäftsführer im Klub arbeitet, wird uns allen guttun", sagt etwa Sport-Geschäftsführer Samir Arabi. "Ich freue mich auf den Austausch und die Zusammenarbeit mit Christoph und habe nach unseren Gesprächen ein durchweg positives Gefühl." Vereinspräsident Rainer Schütte war erstaunt über die Anzahl und Qualität der Bewerbungen und bilanziert doch: "Die Wahl fiel nach zwei Bewerbungsrunden relativ schnell und einstimmig auf Christoph Wortmann. Er hat die fachlichen und menschlichen Eigenschaften mitgebracht. Er passt zu uns."

Und Vorgänger Markus Rejek, mit dem Wortmann in regelmäßigem Austausch steht? "Ich war begeistert, als ich von der Entscheidung gehört hatte", sagte dieser bei seinem Abschied im September. Zumindest nicht allzu fern liegt der Gedanke, dass der jetzige Kölner Rejek den DSC-Gremien diesen Personaltipp selbst gegeben hatte.

Glaubt man Bochums Geschäftsführer Ilja Kaenzig, wird das Staunen bald noch viel größer ausfallen. &bdquo;Es wird offene Münder und Begeisterung geben“, frohlockt der Schweizer in Richtung Ostwestfalen. &bdquo;Ich glaube auch nicht, dass die Arminia ihn ewig halten können wird.“ So hoch müsste die Latte, ginge es nach Christoph Wortmann selbst, zum Auftakt wohl doch nicht liegen.

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