München/Berlin. Die Zahl der theoretischen Führerscheinprüfungen in Deutschland hat im vergangenen Jahr mit 1,97 Millionen einen Höchststand erreicht (plus acht Prozent gegenüber 2022). Auch die praktischen Prüfungen kletterten mit 1,77 Millionen auf Rekordniveau. Auf den Führerschein sei „ein regelrechter Run ausgebrochen“, bewertete Richard Goebelt, Fachbereichsleiter beim Verband der Technischen Überwachungsvereine (TÜV-Verband), am Dienstag in einer Onlinekonferenz die Entwicklung.
2023 waren gleichzeitig die Durchfallquoten so hoch wie nie. Bei den theoretischen Prüfungen über alle Führerscheinklassen hinweg fielen im vergangenen Jahr 42 Prozent aller Teilnehmer durch, an der praktischen Fahrprüfung scheiterten 30 Prozent. 2014 waren es 32 (theoretisch) beziehungsweise 26 Prozent (praktisch).
Die Prüfverbände, welche die Prüfer stellen, sind über diese Entwicklung nicht glücklich, betonte Goebelt. Die Durchfaller belasteten das gesamte Prüfsystem, zumal ein großer Teil von ihnen auch beim zweiten Mal durchfallen: 54 Prozent der Wiederholer bestehen die erneute theoretische Prüfung, 40 Prozent die zweite praktische Prüfung nicht. Im vergangenen Jahre registrierte der TÜV Verband mehr als 720.000 Wiederholungen der theoretischen und 436.000 Zweitversuche für die praktische Führerscheinprüfung.
Lkw- und Busführerscheinbewerber haben weniger Probleme
Eine Höchstzahl an Versuchen ist nicht festgelegt, sodass einzelne Führerscheinbewerber bis zu zehnmal zur Prüfung antreten. Um die Durchfallquote zu senken, empfehlen die TÜV-Verbände generell, die Prüfungen ernster zu nehmen. Angesichts der Komplexität des Verkehrs und der immer wieder aktualisierten Theoriefragen könne ein Führerschein in der Regel nicht „einfach so nebenbei“ gemacht werden. Vom „Schuss ins Blaue“ wird dringend abgeraten. Die TÜV-Verbände regen intensivierte Verkehrserziehung für die gesamte Schulzeit an. Fahrschulen mit besonders hohen Durchfallquoten sollten „überwacht“ werden.
Die hohen Durchfallquoten haben vor allem die Bewerber für die Fahrerlaubnisklasse B (Pkw) zu verantworten. 49 Prozent dieser Bewerber bestehen die theoretische, 42 Prozent die praktische Prüfung nicht. Lkw- und Busführerscheinbewerber (Klassen C und D) haben erheblich weniger Probleme in Theorie (Durchfallquote 19 beziehungsweise 16 Prozent) und Praxis (14 beziehungsweise 21 Prozent). Goebelt vermutet als Grund die hohe Motivation, da Lkw- und Busführerschein in der Regel dem Broterwerb dienen.
Höhere Motivation zum Führerscheinerwerb in Flächenländern im Gegensatz zu Stadtstaaten ist nach Ansicht des TÜV-Experten auch der Grund dafür, dass Schleswig-Holstein, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz unterdurchschnittliche Durchfallquoten aufweisen während unter den Schlusslichtern Berlin, Bremen und Hamburg zu finden sind. Es gibt freilich Ausnahmen: So sind die Hamburger in der Theorie besonders gut, die Baden-Württemberger hingegen überdurchschnittlich schlecht.
Bald begleitetes Fahren ab 16?
Ein gutes Zeugnis stellt der TÜV-Verband den Kandidaten für die Fahrerlaubnis Begleitetes Fahren (BF17) aus. Im vergangenen Jahr wurden die jungen Fahrer 518.000-mal theoretisch und 443.300-mal praktisch geprüft, wobei sich die Durchfallquote von 38 beziehungsweise 26 Prozent deutlich unter dem von älteren Pkw-Fahrern bewegte.
Die TÜV-Prüfer halten das begleitete Fahren mit 17 für ein Erfolgsmodell und begrüßen dessen Ausweitung auf andere EU-Länder, wie das der Entwurf für eine EU-Führerscheinrichtlinie vorsieht. Danach soll es sogar die Möglichkeit geben, begleitetes Fahren ab 16 zu testen. Auch die Einführung des digitalen Führerscheins unterstützt der TÜV-Verband, weil dadurch Verwaltungsaufwand reduziert werden könne.