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Politik im Land: Die Bürger haben eine Bringschuld

Ingo Kalischek

Auch im Februar gibt es viele Demonstrationen im Land. - © IMAGO/Bildgehege
Auch im Februar gibt es viele Demonstrationen im Land. (© IMAGO/Bildgehege)

Welche Dimension haben die aktuellen Demonstrationen im Land? Sind sie bloß ein kurzes Strohfeuer – oder taugen sie für einen Eintrag in die Geschichtsbücher? Das werden wir frühestens in ein paar Monaten wissen. Denn das dürfte vor allem davon abhängen, was auf sie folgen wird. Darauf geben die NRW-Parteien jetzt immerhin eine erste Antwort, die ebenso überraschend wie erfreulich ist: Sie stellen zu Jahresbeginn einen auffälligen Zuwachs an Neumitgliedern fest. Der dürfte erstmals nach längerer Zeit die Zahl der Austritte übertreffen.

Das war so nicht unbedingt zu erwarten. Die Entwicklung im Land ging zuletzt in die andere Richtung: Das Interesse an seriösen und hintergründigen Nachrichten nimmt ab, während die Meinung des Einzelnen mindestens unverändert groß ist. Das Unverständnis über politische Entscheider, also „die da oben“, wächst – und mit ihr die Bequemlichkeit, Politik lieber vom Sofa und PC aus zu kommentieren anstatt sie selber in den Niederungen der Ortsvereine mühsam zu betreiben. Die Wahlbeteiligungen sinken – und mit ihr die Bereitschaft für einen Perspektivwechsel und einen Kompromiss. Und dann wundern wir uns, dass extremistische Kräfte stärker werden. Da könnte man glatt auf die Idee kommen, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt.

Problembeschreibung allein reicht nicht aus

Wer derzeit mit der politischen Klasse und ihren Entscheidungen hadert, hat dazu allen Grund. Und Kritik ist besser als Gleichgültigkeit. Doch wer es allein bei der Problembeschreibung belässt, wird so schnell wohl kaum zufrieden sein. Die beste Möglichkeit, um politisch Einfluss zu nehmen, ist noch immer die Mitarbeit in einer Partei. Da hatte CDU-Chef Merz mit seiner kürzlich getätigten Aussage völlig recht.

Natürlich müssen sich dafür auch die politischen Rahmenbedingungen verändern. Es ist jungen Menschen heute nicht mehr vermittelbar, sich für fünf Jahre für ein politisches Mandat zu verpflichten, wenn sie noch gar nicht wissen, wo sie dann überhaupt leben – und welcher Tätigkeit sie nachgehen werden.

Doch von einer gewissen Bringschuld können sich die Bürgerinnen und Bürger nicht ganz freisprechen. Mit den Demonstrationen für Demokratie ist ein Anfang gemacht. Der Mitglieder-Zuwachs der Parteien und derzeit sinkende Umfragewerte radikaler Parteien wie der AfD zeigen eine vorsichtige Tendenz auf, dass die Proteste über den Tag hinaus Wirkung entfalten können. Wie nachhaltig diese tatsächlich sein wird, dürfte sich bereits bei der Europawahl im Sommer zeigen. Und dann bei den Landtagswahlen im Herbst.

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