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Streik legt die Republik lahm: Blockaden im Kopf verhindern eine Einigung

Thomas Seim

Es drohen wieder leere Schienen: Die GDL hat erneut zum Streik aufgerufen, der von Donnerstag (07.03.) um 2.00 Uhr nachts bis zum frühen Freitagnachmittag dauern soll. - © Christoph Soeder/dpa
Es drohen wieder leere Schienen: Die GDL hat erneut zum Streik aufgerufen, der von Donnerstag (07.03.) um 2.00 Uhr nachts bis zum frühen Freitagnachmittag dauern soll. (© Christoph Soeder/dpa)

Die Republik steht wieder einmal still. Jedenfalls zeitweise. In dieser Woche sind zunächst der Öffentliche Nahverkehr, dann ab Mittwochabend die Lokführer und schließlich ab Donnerstag auch das Bodenpersonal der Lufthansa zum Streik aufgerufen. Die Menschen im Land, die Tag für Tag darauf angewiesen sind, ohne private Verkehrsmittel Ziele zu erreichen, damit Kinder zur Schule kommen oder Angehörige gepflegt werden oder sie ihren Arbeitsplatz besetzen können, stöhnen immer lauter unter der Last der Arbeitsniederlegungen.

Das ist nicht unberechtigt. Bürgerinnen und Bürger werden zu Leidtragenden von Tarifstreits, deren Konfliktparteien die Fähigkeit zur Einigung verlieren. 120 Stunden haben die Lokführer bislang gestreikt, jetzt sollen 35 weitere Stunden – als Symbol für das Ziel einer kürzeren Arbeitswoche – hinzukommen. Jeweils etwa zwei Tage streiken Verdi-Mitglieder bei Bussen und Bahnen oder bei der Luftfahrt.

Der Streik ist das gute Recht der Beschäftigten. Allerdings verschiebt sich dessen Wirkung. Statt die Verhandlungspartner von Unternehmen durch Einnahme- und Produktionsausfälle dazu zu bewegen, Beschäftigte am wirtschaftlichen Erfolg zu beteiligen, leiden unter den aktuellen Arbeitsniederlegungen vor allem Kunden. Die Vorstände von Bussen und Bahnen dagegen müssen für ihre Blockaden nicht selbst haften - und lehnen sich bequem zurück.

Konflikt spiegelt geringer werdende Kompromissbereitschaft der Gesellschaft

Vor allem aber haben sie – wie viele Privatunternehmen auch – offensichtlich noch nicht verstanden oder akzeptiert, dass die Tarifstreitigkeiten auch in der Wirtschaftskrise in einem völlig veränderten Beschäftigungsmarkt stattfinden. Dort fehlen aktuell Arbeitskräfte an allen Ecken und Enden. Arbeitgeber sind heute diejenigen, die ihre Arbeitskraft bereitstellen. Zu Arbeitnehmern werden jene, die diese Arbeitskraft einkaufen wollen und müssen.

Das verändert die Kräfteverhältnisse am Verhandlungstisch der Tarifpartner. Aktuell müssen Bahn-Vorstand und Öffentlicher Nahverkehr endlich akzeptieren, dass sie – auch persönlich – verantwortlich gemacht werden können für die Blockaden. Umgekehrt müssen Gewerkschaften sich klar machen, dass sie vielen Menschen Lasten auf die Schultern legen, die nicht nur unschuldig sind am Scheitern der Gespräche, sondern vor allem keine Chance haben, etwas daran zu ändern. Sie sind nur Opfer der Uneinigkeit von Unternehmen und Gewerkschaften.

Der Konflikt spiegelt sicher auch generell eine immer geringer werdende Kompromissbereitschaft der Gesellschaft. Die Pflicht der Tarifpartner aber ist die Einigung. Und zwar möglichst schnell. In einer Republik des Stillstands geht es für keine der Streitparteien voran.

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