Pro: Ohne Beamte funktioniert unser Staat nicht – vor allem in Krisen

Als die Lokführer im Frühjahr mal wieder streikten, stellte das den Alltag von Millionen Pendlerinnen und Pendlern auf den Kopf. Die Bahn in Deutschland stand zu großen Teilen still. Das ging nicht nur an die Substanz, sondern auch ins Geld. Jeder Streiktag kostete die Volkswirtschaft rund 100 Millionen Euro – rechnete das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln vor. Die Deutsche Bahn konnte nur mit größter Mühe überhaupt einen Notfahrplan aufrechterhalten – mit wenigen Zügen. Das hatte das Unternehmen der Tatsache zu verdanken, dass noch immer einige wenige Lokführer verbeamtet sind. Früher war das der Regelfall; heute ist es die Ausnahme. Die Folgen spürte das ganze Land über Wochen.

Und jetzt stelle man sich mal vor, was passieren könnte, wenn nicht nur Lokführer deutschlandweit zum Streik aufrufen würden, sondern immer mal wieder auch Polizistinnen, Feuerwehrleute, Richterinnen, Staatsanwälte, Justizvollzugsbeamte, Lehrerinnen, Soldaten und Finanzbeamte. Was wäre dann in Deutschland los? Zum Glück ist dieser Zustand unvorstellbar. Weil diese Berufsgruppen nicht streiken dürfen – sie sind verbeamtet. Vielen dieser Beamtinnen und Beamten schlägt in der Öffentlichkeit immer mehr Hass und Respektlosigkeit entgegen. Dabei sind sie es, die entscheidend zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung beitragen. Ohne sie würde der Staat nicht funktionieren. Vor allem nicht in Krisen – wie die Corona-Pandemie gezeigt hat.

Vielen Beamten kommt eine besondere Verantwortung zu Das Bild vom faulen Beamten, der nur &bdquo;Dienst nach Vorschrift“ macht, und später mal eine üppige Pension erhält, beruht auf der Fehlwahrnehmung, dass es &bdquo;die“ Beamten gibt. Tatsächlich aber bestehen große Unterschiede zwischen dem hoch-dotierten Ministerialbeamten und dem Polizisten, der nachts im Streifenwagen sitzt.

Vielen Beamtinnen und Beamten kommt in der Regel eine besondere Verantwortung zu: Sie werden dort eingesetzt, wo der Staat in die Rechte Einzelner eingreifen muss – das betrifft zum Beispiel die Bereiche Polizei, Justizvollzug und die Finanzverwaltung. In diesen Situationen – die Rede ist von hoheitlichen Aufgaben – muss man sich darauf verlassen können, dass diese Menschen nach Recht und Gesetz handeln. Beamte stehen also in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat. Sie schwören, dass sie dem Dienstherrn in Krisenzeiten loyal zur Seite stehen. Das mag verstaubt und nicht mehr zeitgemäß klingen. Vielmehr ist es aber ein beruhigendes Gefühl, zu wissen, dass diese Menschen die Werte der Demokratie garantieren. Das ist heute so wichtig wie schon lange nicht mehr. Irgendwie sind diese Tugenden auch ein bisschen &bdquo;typisch Deutsch“ – aber im durchweg positiven Sinne.

Für die in der Regel bestens ausgebildeten &bdquo;Staatsdiener“ ist der Treueschwur mit Einschnitten verbunden. Sie dürfen nicht nur nicht streiken, sondern sie geben auch ein Stück ihrer Meinungsfreiheit ab. Sie sind öffentlich zur (politischen) Mäßigung angehalten, sie dürfen nicht selbst kündigen und sie haben meist geringere Aufstiegschancen. Sie sind also viel weniger flexibel. Auch richtet sich an sie im Besonderen die Erwartung: Du bist immer da, du bist nicht korrupt – und du wirst bei Vergehen besonders hart bestraft.

Die Privilegien für Beamte sind nicht willkürlich festgelegt Natürlich braucht es da vor diesem Hintergrund Privilegien, um Menschen vom Beamtenverhältnis zu überzeugen. Davon gibt es viele: Eine nahezu garantierte Arbeitsplatzsicherheit (als das wohl stärkste Argument), eine bessere Versorgung im Krankenfall, eine Pension sowie Zulagen zum Beispiel für Kinder. Die mögen mitunter zu Recht in der Kritik stehen. Aber: Willkürlich festgelegt sind sie nicht, sondern rechtlich vorgegeben.

Beispiel Familienzuschläge: Sie mögen Kritikern als zu hoch erscheinen. Doch wenn man sie abschaffen würde, müssten auch Beamte ohne Kinder eine höhere Besoldung erhalten, weil sie in dem Maße alimentiert werden müssten, dass sie eine Familie (theoretisch) versorgen können. Familienzuschläge kosten den Staat somit letztlich weniger, als wenn die Grundbesoldung aller Beamten hochgesetzt würde. Das gilt auch für die Kosten an sich: Berechnungen zeigen, dass Beamte den Staat im Vergleich zu Tarifangestellten während der Erwerbstätigkeit sogar etwas weniger kosten.

Das bedeutet nicht, dass alles gut ist. Selbst die Beamtenverbände halten es für dringend nötig, das System zu reformieren. Eine entscheidende Frage lautet dabei: Ist es sinnvoll und nötig, das Beamtentum einzuschränken? Müssen heute zum Beispiel noch zwingend Lehrkräfte, Professoren und &bdquo;normale“ Verwaltungsmitarbeitende verbeamtet werden? Oder reicht es, wenn dies für das Militär, die Polizei, Feuerwehr, Justiz und die Finanzverwaltung gilt? Diese Fragen kann und muss man stellen. Nicht aber, ob es das Berufsbeamtentum an sich noch braucht. Sie ist mit einem klaren &bdquo;Ja“ zu beantworten. Wer daran rütteln möchte, müsste in Kauf nehmen, dass wir unsere Rechtsstaatlichkeit und Ordnung ein Stück weit aufgeben. Das würde das Land vielleicht nicht sofort ins Chaos stürzen. Aber es würde höchstwahrscheinlich weniger gut laufen als bislang.

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