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Rechtlicher Schutz des Verfassungsgerichts kann nur der erste Schritt sein

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Blick auf das Bundesverfassungsgericht: Die obersten Richterinnen und Richter sollen vor dem Einfluss der Politik geschützt werden. - © picture alliance/dpa
Blick auf das Bundesverfassungsgericht: Die obersten Richterinnen und Richter sollen vor dem Einfluss der Politik geschützt werden. (© picture alliance/dpa)

Es gibt wohl kaum jemanden in Bundesregierung oder Opposition, der sich noch nie über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geärgert hat. Karlsruher Urteile können Regierungspläne kippen und Oppositionshoffnungen zerstören. Die obersten Richterinnen und Richter sind nur dem Grundgesetz verpflichtet und die wichtigste Instanz zur Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten im Land.

Dass das Gericht und seine Entscheidungen respektiert werden – ob sie einem nun passen oder nicht – gehört zu den selbstverständlichen Grundübereinkünften der deutschen Politik. Doch in Zeiten erstarkender populistischer und rechtsextremer politischer Kräfte wird immer deutlicher, dass dieser Zustand nicht in Stein gemeißelt ist. In unserem Nachbarland Polen hat sich die rechte PiS-Partei die Justiz ab 2015 in Windeseile untertan gemacht. Auch der Blick nach Ungarn zeigt, wie autoritär geprägte Regierungen es schaffen können, sich Staatsapparat und Justiz unter den Nagel zu reißen.

In Deutschland ist es das Erstarken der AfD, das die Ampelparteien mit CDU und CSU zusammengebracht hat, um das Bundesverfassungsgericht besser abzusichern. Die in weiten Teilen rechtsextreme Partei macht aus ihrer Verachtung des Gerichts seit Jahren keinen Hehl: Wann immer die Karlsruher Richter Entscheidungen treffen, die der AfD nicht genehm sind, geht sie zum verbalen Frontalangriff über und macht das Gericht verächtlich.

AfD inszeniert sich als Opfer

Deutlich wurde das zum Beispiel während der Corona-Pandemie. „Die Altparteien haben sich nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht zur Beute gemacht“, schrieb die AfD Rheinland-Pfalz bereits im Mai 2020 auf Facebook. Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Sichert, erklärte im Juni 2020, das Gericht verkomme „immer mehr zum undurchsichtigen ideologischen Sumpf“.

Die Partei geht mit dem Verfassungsgericht genauso um, wie auch mit dem Verfassungsschutz und anderen staatlichen Institutionen. Sie spricht ihm die Legitimität ab, um sich selbst als Opfer eines übergriffigen Staates zu präsentieren, der ohne funktionierende Gewaltenteilung aus rein politischen Motiven gegen die Oppositionspartei AfD vorgehe.

Man darf sich keinerlei Illusionen machen: Sollte diese Partei einmal die Gelegenheit bekommen, grundlegende Institutionen unseres demokratischen Verfassungsstaates zu schwächen und in ihrem Sinne umzuformen, wird sie es ohne Zögern tun.

Auch die Bundesländer sind gefordert

Die geplante Verankerung der grundlegenden Struktur und Arbeitsweise des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz, die Ampel und Union am Donnerstag in den Bundestag eingebracht haben, ist deshalb richtig und dringend notwendig. Rechtsexperten der Max-Planck-Gesellschaft haben ein paar rechtliche Lücken in dem Entwurf ausgemacht. Die Abgeordneten sollten im parlamentarischen Verfahren abwägen, ob sie diese Lücken schließen und den Schutz des Verfassungsgerichts noch weiter verbessern können. Und auch die Bundesländer müssen überprüfen, wie gut ihre politischen und juristischen Institutionen vor Demokratiefeinden geschützt sind – das hat nicht zuletzt das Gezerre der Thüringer AfD nach der Landtagswahl gezeigt.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat unterdessen vor allzu hohen Erwartungen an die Grundgesetzänderung gewarnt. Er hat recht: Eine Gesetzesänderung allein schützt Deutschland nicht vor dem Erstarken rechtsextremer, autoritärer Kräfte. Dieser Abwehrkampf muss in allererster Linie ein politischer sein. Die Absicherung des Verfassungsstaates mit juristischen Mitteln ist zwar wichtig. Gestoppt werden kann der Höhenflug der AfD aber vor allem durch eine bessere Politik der demokratischen Parteien, der es gelingt, wieder mehr Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen.

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