Es hat eine Weile gedauert, bis sich die Union bewegt hat. Aber am Ende bewegte sie sich doch und machte den Weg für eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts frei. Zentrale Vorgaben zur Struktur und Arbeitsweise werden nun in der Verfassung selbst verankert. Eine sehr große Koalition aus CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und Linken hat damit einen Wall um die Karlsruher Institution errichtet.
Man kann diesen Pakt der Demokraten nur begrüßen. Zahlreiche Beispiele aus dem Ausland haben nämlich gezeigt: Für die Beschädigung der Demokratie gibt es zahlreiche Einfallstore – die Parlamente etwa oder die Medien. Besonders anfällig sind jedoch die Verfassungsgerichte. Sie achten darauf, dass die Regeln des demokratischen Rechtsstaates und die Rechte von parlamentarischen oder gesellschaftlichen Minderheiten gewahrt bleiben.
Allerdings ist die notwendige Grundgesetzänderung nicht hinreichend. So kommt das Quorum von zwei Dritteln zur Wahl von Verfassungsrichtern nicht in die Verfassung, sondern bleibt im Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Ohnehin ist die Wachsamkeit der Demokraten längst nicht ausgeprägt genug. So gab es in Thüringen vor der letzten Landtagswahl Warnungen, dass die AfD zwei Drittel der Sitze und damit eine Sperrminorität gewinnen könnte. Vorkehrungen wurden trotzdem nicht getroffen. Ohne die AfD können im Freistaat künftig keine Verfassungsrichter mehr benannt und keine Mitglieder des Richterwahlausschusses mehr bestimmt werden.
Etablierte Parteien laufen sehenden Auges ins Risiko
Die Sorglosigkeit von Erfurt setzt sich in Berlin fort. So ist allen verantwortlichen Politikern im Regierungsviertel eigentlich bewusst, dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes reformiert gehört, um die gigantischen Investitionen in die Verteidigung, den Klimaschutz, die Wirtschaftsförderung und die Digitalisierung schultern zu können. Wer das durch Einsparungen bewerkstelligen wollte, brächte Staat und Gesellschaft zur Explosion. Es läge daher nahe, dass der alte Bundestag die Schuldenbremse reformiert. Nur: Das geschieht nicht. Vielmehr laufen die etablierten Parteien sehenden Auges in das Risiko einer Sperrminorität von AfD und BSW im neuen Bundestag.
Wo überall Risiken für die Demokratie lauern, zeigt Rumänien. Dort hat das Verfassungsgericht den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl für ungültig erklärt mit der nachvollziehbaren Begründung, Einflussnahme aus dem Ausland habe die Chancengleichheit außer Kraft gesetzt. Das könnte durch Desinformation über „Soziale“ Netzwerke auch bei uns passieren.
Die Lehre aus all dem ist offenkundig: Die Demokraten sollten nicht mehr von der optimistischen These ausgehen, dass die Demokratie überlebt. Sie sollten von der ebenso pessimistischen wie realistischen These ausgehen, dass sie nicht überlebt. Erst dann ist Rettung möglich.