Der Attentäter von Solingen, der mehrere Menschen tötete und verletzte, muss mit einem Mitglied der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in Kontakt gestanden haben. Wie sonst hätte ein Bekennervideo des Mannes von den Terroristen in Propaganda-Kanälen verbreitet werden können? Diese Erkenntnis bedeutet auch: Vielleicht hätten die Behörden schon früh von den Plänen des Attentäters erfahren – hätten sie die rechtlichen Möglichkeiten.
Bisher sind Nachrichtendienste in Deutschland vor allem auf Hinweise aus dem Ausland angewiesen. Manchmal liegt es an Ermittlungsergebnissen, die unter befreundeten Nationen ausgetauscht werden. Manchmal sind es geheim- oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse. Sie resultieren oftmals daraus, dass die Dienste im Ausland mehr Befugnisse und Möglichkeiten haben.
Doch bei der Terrorismusbekämpfung gibt es keine andere Lösung, als vor die Lage zu kommen. Anschläge müssen frühzeitig verhindert werden. Dafür ist es essenziell, dass Informationen schon in der anfänglichen Planungsphase gewonnen werden. Dazu fehlen hierzulande derzeit die Rahmenbedingungen.
Schlüsselfiguren oft im Ausland – diese Chats sind besonders interessant
Was Datenschützer auf die Palme bringt, sollte flächendeckend für die Behörden möglich sein: Der Zugriff auf Chats von Personen, die erwiesenermaßen zu einer Terrororganisation gehören oder zu denen hinreichende Erkenntnisse vorliegen, dass sie sich dieser anschließen wollen. Sowohl im Inland als auch im Ausland – denn hier sitzen meistens die zentralen Ansprechpartner, die Radikalisierte anleiten. Dürften die Behörden bei diesen ausländischen Schlüsselfiguren mitlesen, könnten sie frühzeitig einschreiten, wenn konkrete Pläne in den Chats besprochen werden. Womöglich hätte man auch den mutmaßlichen IS-Anhänger aus Paderborn so früher im Fokus gehabt.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen natürlich genau abgesteckt werden. Die Chats von Lieschen Müller dürfen keineswegs überwacht werden. Darum geht es den Ermittlern aber auch gar nicht. Ihnen geht es um Anhänger terroristischer Vereinigungen, die nur eins beabsichtigen: zu töten, um unseren Staat zu destabilisieren. Ist der Schutz vor Anschlägen nicht ein höheres Gut als der Datenschutz?