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Die Union denkt den Tag X nach der Bundestagswahl zu wenig mit

Eva Quadbeck

"Wieder nach vorne": Friedrich Merz auf dem Parteitag der CDU in Berlin. - © Michael Kappeler/dpa
"Wieder nach vorne": Friedrich Merz auf dem Parteitag der CDU in Berlin. (© Michael Kappeler/dpa)

Die politische Mitte in Deutschland ist auseinandergebrochen. In diesen Tagen symbolisch: Die eine Seite geht auf die Straße und demonstriert gegen die AfD sowie gegen jegliche Zusammenarbeit oder auch gemeinsame Abstimmungsmehrheiten mit der AfD. Die andere Seite feiert in Berlin äußerlich weitgehend unbeeindruckt eine Art Krönungsmesse: die Kanzlerkandidatur von CDU-Chef Friedrich Merz.

Am 23. Februar steht an, was beide Seiten nun als “Richtungswahl” beschreiben: eine strikte Migrationspolitik, wie es das Programm der Union vorsieht, oder eine moderate Steuerung der Zuwanderung, wofür SPD und Grüne stehen? Steuersenkungen für Unternehmen oder Steuererhöhungen für Wohlhabende? Cannabis wieder verbieten oder bei der Legalisierung bleiben? Die klaren Unterschiede lassen sich auf vielen Themenfeldern durchdeklinieren. Eigentlich ist zu begrüßen, dass die Bürgerinnen und Bürger eine Wahl haben.

Das Problem ist nur, dass im Parteien-Spektrum jenseits der AfD weder die Union noch SPD und Grüne gemeinsam eine absolute Mehrheit werden erzielen können. Und wenn die Schwüre der Union gelten, dass sie jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, wird man sich voraussichtlich nach dem 23. Februar an einen Tisch setzen müssen.

Demokratische Parteien in der Zwickmühle

Angesichts der gegensätzlichen Inhalte wird es schon schwer genug, zur politischen Tugend des Kompromisses zurückzukehren. Der Weg zueinander ist aber noch viel weiter: Die Union hat das Versprechen gebrochen, dass sie keine Mehrheiten durch die AfD im Bundestag in Kauf nimmt. Im Gegenzug grenzen SPD und Grüne die CDU in Teilen nun aus, als habe sie das demokratische Spektrum verlassen. Das ist trotz des Tabubruchs am Mittwoch und am Freitag im Bundestag nicht der Fall. Aus dieser Zwickmühle werden sich Union, SPD und Grüne befreien müssen, wenn das Land regierbar bleiben soll.

Den Tag X nach der Bundestagswahl denkt die Union zu wenig mit, wenn sie angesichts der Umfragewerte beim Parteitag selbstbewusst erklärt, dass Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler sein wird. Wenn Merz beim strategischen Geschick und bei der Kompromissfähigkeit nicht nachlegt, wird er entweder keine Regierung zustande bringen oder sie wird sich noch schlimmer streiten als die Ampelkoalition. In den 15 Punkten der Union stecken vom Angebot an eine längere Lebensarbeitszeit bis hin zur Deregulierung eine Reihe von Punkten, die Deutschland aus der Krise helfen können. Merz wird sie nach der Wahl aber nicht per Dekret dem Land verordnen können.

Union hat sich für den Merz-Kurs entschieden

Die Union, das hat der Parteitag am Montag gezeigt, hat sich dazu entschlossen, den kompromisslosen Kurs von Friedrich Merz unter Inkaufnahme von AfD-Stimmen zu stützen. Da zeigt sich die CDU als Machtmaschine, die sie schon häufig in ihrer Geschichte war. Bloß keine strittigen Debatten drei Wochen vor einer Wahl. Viele der Delegierten haben dabei die Faust in der Tasche. Andere sehen sich ungerecht behandelt und vom politischen Gegner auf boshafte Weise in die rechtsradikale Ecke gestellt. Dass dies so geschehen kann, hat sich die Union aber selbst eingebrockt.

Merz weiß, dass es auch viel Unmut in der Union, in den Kirchen und auch in jenen Teilen der Zivilgesellschaft gibt, die inhaltlich der Union sehr nahestehen. Deshalb dankt er in seiner Rede beim Parteitag seiner Fraktion, dass sie geschlossen geblieben ist. So viel scheint dann doch durch: Dieses Vorgehen war auch für große Teil der Union eine Zumutung. Wenn das Wahlergebnis nicht wie gewünscht ausfällt, es gar deutlich unter 30 Prozent liegen sollte, wird sich Merz dafür rechtfertigen müssen.

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