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Historisches Schuldenpaket: Dieser Schuss muss sitzen

Eva Quadbeck

SPD-Chef Lars Klingbeil (l.) und CDU-Chef Friedrich Merz im Gespräch während der Verhandlungen zur Neuverschuldung im Bundestag. - © Michael Kappeler/dpa
SPD-Chef Lars Klingbeil (l.) und CDU-Chef Friedrich Merz im Gespräch während der Verhandlungen zur Neuverschuldung im Bundestag. (© Michael Kappeler/dpa)

Der Krimi um die Aufnahme von neuen Staatsschulden in Höhe von rund einer Billion Euro ist beendet und alle leben noch. Am Ende konnten sich die Grünen, die an der nächsten Regierung nicht beteiligt sein werden, in zentralen Punkten durchsetzen. Und genau dadurch bringen sie ausgerechnet die Union in die komfortable Situation, zumindest einen Teil ihrer Wahlversprechen einzuhalten. Eigentlich muss sich die Union bei den Grünen bedanken, dass sie darauf geachtet haben, dass die neuen Staatsschulden nicht einfach verplempert werden dürfen.

Das neue geplante Sondervermögen soll der „Zusätzlichkeit“ unterliegen. Das heißt, die Staatsschulden in schwindelerregender Höhe dürfen nicht für schon geplante Investitionen und auch nicht für Steuersenkungen, eine höhere Pendlerpauschale oder eine Aufstockung der Mütterrente genutzt werden. Diese und andere Maßnahmen sind im Sondierungspapier von Union und SPD vorgesehen und werden nun in den Koalitionsverhandlungen auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Stattdessen erhält die neue Regierung den finanziellen Spielraum, endlich die neuen Investitionen in die Infrastruktur von der Schiene bis zur Kita und vom Krankenhaus bis zur Digitalisierung zu stecken. Dass dabei der Klimaschutz nicht vergessen werden darf, ist nur zu begrüßen.

Es ist nun an Union und SPD trotz der gigantischen Summen, jeden einzelnen Euro sorgsam zu investieren und zugleich den Staatshaushalt von entbehrlichen Ausgaben zu entlasten. Nur dann wird eine Politik gelingen, die das schwerbeschädigte Vertrauen der Bevölkerung schrittweise zurückbringen kann.

Beruhigende Nachricht für Sicherheitspolitik

Gleiches gilt für den neuen verfassungsrechtlich unbegrenzten finanziellen Spielraum in der Sicherheitspolitik. Es ist eine beruhigende Nachricht, dass künftig nach Bedarf in die Bundeswehr, in den Zivilschutz, in die Nachrichtendienste und auch in Hilfen für die Ukraine investiert werden kann.

Was die Ukraine betrifft: An den aktuellen Entwicklungen kann man sehen, dass die Verteidigung Europas umso teurer wird, je mehr die Ukraine zwischen den USA und Russland unter Druck gerät. Zugleich wird die Regierungskunst darin bestehen, in der Sicherheit das wirklich Notwendige zu tun und bei der Ausstattung der Bundeswehr endlich Effizienz einkehren zu lassen. Denn auch mit den Verfassungsänderungen für eine gigantische Neuverschuldung fällt noch kein Manna vom Himmel.

Verfahren ist Wählern kaum zu erklären

Den staatstragenden Parteien der Mitte ist es in einem Kraftakt gelungen, die Weichen für eine bessere Funktionsfähigkeit des Landes zu stellen. Man kann das trotzdem kaum erklären: Da wird ein neuer Bundestag gewählt, und das alte Parlament trifft Entscheidungen über eine Neuverschuldung, die die Steuerzahlenden mit Zinsen und Rückzahlungen noch Jahrzehnte werden schultern müssen. Dieser Schuss muss sitzen. Wenn es nicht gelingt, mit den frischen Milliarden die Stimmung im Land zu drehen, dann werden die Parteien der Mitte einen weiteren schweren Bedeutungsverlust erleben.

Auch im Bundesrat benötigen die Grundgesetzänderungen eine Zweidrittel-Mehrheit. Vor dem Hintergrund, dass auch die Länderhaushalte durch eine Lockerung der jeweiligen Schuldenbremse in den Landesverfassungen mehr Luft bekommen werden und 100 Milliarden Euro der zusätzlichen Bundesschulden direkt als Investitionsmittel in die Länder fließen sollen, ist es für die Landesregierungen attraktiv, dem Paket zuzustimmen. Den Ministerpräsidenten, die sich schon ausgerechnet haben, wie viel von den 100 Milliarden in ihren Staatskanzleien ankommen wird, muss man mahnend zurufen: Seht zu, dass das Geld vor allem den Kommunen zugutekommt - denn vor Ort spüren die Bürgerinnen und Bürger am meisten, ob ihr Staat funktionsfähig ist oder nicht.

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