Für Lars Klingbeil läuft es bestens. Eigentlich. Obwohl seine SPD unter ihm als Parteichef das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten holte, ist Klingbeil zum Vizekanzler aufgestiegen. Als Finanzminister darf er nun Hunderte Milliarden verteilen. Und die personelle Neuaufstellung der SPD konnte er zu seinen Gunsten prägen. Jetzt muss er nur noch in zwei Wochen als Parteichef bestätigt werden. Dann dürfte er die Weichen Richtung Kanzlerkandidatur 2029 stellen. Nur keine Zeit verlieren. In der Politik gibt es dafür einen Begriff: Machtmensch.
Doch seit dieser Woche hat Klingbeil ein Problem. Noch immer einflussreiche Teile seiner Partei wollen ausgiebig diskutieren – über den Umgang mit Krieg und Frieden. Es ist natürlich kein Zufall, dass das sogenannte Manifest, in dem sich 100 Personen für einen Kurswechsel in der Verteidigungspolitik aussprechen, kurz vor dem SPD-Parteitag veröffentlicht wird. Es wurde über Monate vorbereitet. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist bewusst gewählt. Hauptadressat ist Klingbeil.
Der hielt sich nach Bekanntwerden des Schreibens zunächst zurück und überließ seinem Verteidigungsminister die erste Bewertung. So ein Störfeuer aus den eigenen Reihen kann Klingbeil grad nun mal nicht gut gebrauchen. Dass sich auch der mächtige NRW-Landesverband zunächst vorsichtig äußerte – und über seinen Generalsekretär nur leise Kritik an dem Manifest durchblicken ließ, überrascht ebenso wenig. Es zeigt, wie brisant das Thema ist. Erst recht, weil mit Rolf Mützenich und Norbert Walter-Borjans einflussreiche Unterzeichner aus NRW kommen. Dem Land, aus dem auch Bärbel Bas stammt, die designierte neue Parteichefin neben Klingbeil.
Die Punkte zeugen vom Bedürfnis in der SPD, zu sprechen
Reaktionen weiterer Parteien fielen wiederum so vernichtend scharf aus, dass das selbst einige der Unterzeichner überrascht hat. Dabei ist gerade ein Rolf Mützenich durchaus erbitterten öffentlichen Gegenwind gewohnt. Denn neu sind dessen Positionen ja keineswegs.
Man mag zu den einzelnen inhaltlichen Punkten stehen, wie man will. Es gibt gute Gründe, sie kritisch zu sehen – und anders zu bewerten. Doch sie zeugen zunächst einmal vom Bedürfnis in der Partei, zu sprechen. Und über grundsätzliche politische Linien zu streiten, um diese nicht den ganz Rechten oder Linken im Land zu überlassen. Wer also, wenn nicht die SPD, sollte um die Frage eines milliardenschweren Aufrüstungsprogramms ringen?
Klingbeil wird nicht umhinkommen, diese Debatte zuzulassen und sie zu moderieren. Er hat recht, wenn er sagt, dass eine Partei das aushalten muss. Seine Performance in dieser Sache dürfte auch Einfluss darauf haben, ob und mit welchem Rückhalt Klingbeil im Amt bestätigt wird. Und wie es für ihn weitergeht.