Seit Jahrzehnten nimmt sich die Politik vor, Bürokratie abzubauen. Und den Staat schlanker zu machen. Meist blieb es bei Versprechungen – oder es kam noch schlimmer. Entsprechend skeptisch darf man sein, ob Bund und Länder jetzt eine große Modernisierungsagenda ankündigen.
Wenn die sich zankende Bundesregierung schon keine Kraft für Reformen bei Pflege und Rente hat, warum sollte sie es dann schaffen, eine umfangreiche Staatsreform umzusetzen? Ihre Vorgänger sind daran gescheitert. Doch tatsächlich spricht diesmal einiges dafür, dass Deutschland diesen Weg beschreiten wird. Es käme einer kleinen Revolution gleich.
Ausgangspunkt sind kluge Vorschläge der Initiative für einen handlungsfähigen Staat. Die Vordenker um die früheren Bundesminister Steinbrück und de Maizière haben weitreichende Ideen formuliert, wie der Staat reformiert werden kann. Mit dem Ziel, auch den Alltag der Bürger zu verbessern. Es macht Mut, wie sehr die Wirtschaft die Vorschläge lobt. Die Überraschung: Ein Großteil hat tatsächlich den Weg in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung gefunden. Ebenso hoffnungsvoll stimmt die Gründung des überfälligen Ministeriums für Staatsmodernisierung – auch ein Vorschlag der Experten.
Die Vorschläge dürften zu schmerzhaften Veränderungen führen
Jetzt kommt es mit den Bund-Länder-Verhandlungen zum Schwur. Die Politiker haben unter Federführung von Baden-Württemberg und NRW parteiübergreifend Hunderte Vorschläge für einen effizienteren Staat diskutiert. Die haben es in sich – und werden auch schmerzhaft sein. Es geht um weniger Genehmigungen, weniger Berichtspflichten, neue Beamtenstrukturen, mehr Bündelungen, aber auch um weniger Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger.
Die deutsche Gründlichkeit wird künftig ein Stück weit auf der Strecke bleiben. Kompetenzen Einzelner werden beschnitten. Das wird zu Widerständen führen, aber die müssen ausgehalten werden. Es wäre wohlfeil, einerseits mehr Tempo und Effizienz zu fordern, aber andererseits bei jeder Veränderung sofort zu protestieren.
Der Schlüssel zum Gelingen liegt deshalb in einem Mentalitätswechsel – auf allen Ebenen. Die Politik muss beweisen, dass sie es diesmal ernst meint – und dass sie die unbequemen Veränderungen einer Staatsreform durchhält. Das verlangt Führung. Den rechtstreu agierenden Mitarbeitern in den Behörden muss mehr Flexibilität und Mut zur Lücke ermöglicht werden. Das verlangt intern mehr Risikobereitschaft und eine neue Fehlerkultur.
Und wir als Gesellschaft müssen bereit sein, Nachsicht zu zeigen, wenn durch weniger Regeln auch mal etwas schief geht. Das alles setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Wenn alle bereit dazu sind, bietet sich jetzt die große Chance, dass das Vertrauen der Menschen in Staat und Politik wieder wächst.