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Regierung

Wüst und Rhein «sturmerprobt» auf der Hängebrücke

Yuriko Wahl-Immel, Bettina Grönewald

Zwei CDU-Spitzenpolitiker üben sich im Gleichschritt: Nordrhein-Westfalen und Hessen wollen in den Bereichen Tourismus, Land- und Forstwirtschaft sowie Sport noch enger zusammenarbeiten. Besiegelt wurde das am Montag bei einer gemeinsamen Wanderung der Ministerpräsidenten beider Länder, Hendrik Wüst (48) und Boris Rhein (51).

Beide gelten als Hoffnungsträger ihrer Partei: Rhein soll bei der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober sein Amt verteidigen, Wüst wird gar als Kanzlerkandidat gehandelt. Bestätigt hat er solche Ambitionen bislang zwar nicht - dementiert aber auch nicht. In buchstäblich wackliger Lage und luftigen Höhen lässt er sich dazu auch am Montag nicht verleiten.

Das Medien-Interesse dürfte nicht zuletzt wegen der «K-Frage» so groß gewesen sein. Doch beide Politiker pochten lediglich auf die Verabredung der Union, darüber erst im Spätsommer 2024 zu entscheiden. Als CDU-Vorsitzende in NRW und Hessen seien sie allerdings der Meinung, dass die Landesverbände und die Ministerpräsidenten in ihrer «stark föderal aufgestellten Partei» dabei eine Mitsprache haben sollten, betonten Wüst und Rhein.

Erster Höhepunkt ihrer Tour vom nordhessischen Willingen ins sauerländische Winterberg war die längste Hängebrücke Deutschlands, der «Skywalk»: bis zu 100 Meter hoch, nur 1,30 Meter schmal und 665 Meter lang. «Zittern Ihre Knie, Herr Wüst?», fragt eine Reporterin. «Noch nicht, aber fragen Sie mich später noch mal», gibt er zurück.

Die Mutprobe im Nieselregen vor dunklen Wolken bewältigen die beiden Politiker trotz leicht schaukelnder Brücke aber lachend und gut gelaunt. Er habe keine Höhenangst gehabt, sagt Wüst. «Wir sind doch sturmerprobt». Auf die Frage, ob der Blick in den Abgrund eine gute Erfahrung für Politiker sei, antwortet er, es sei jedenfalls eine gute Erfahrung, «um den Horizont zu weiten».

Boris Rhein geht die sechs Kilometer lange Tour durch matschig-nasse Wälder in klassischen Wanderschuhen an, Wüst in Sportschuhen. Ansonsten präsentieren sich beide, fast wie abgesprochen, lässig mit Outdoorjacken und beigen Hosen.

Startpunkt der Tour war die Mühlkopfschanze in Willingen - Austragungsort für Weltcup-Skispringen. Sowohl Hessen als auch NRW hatten sich im vergangenen Jahr für den Erhalt des Bundesstützpunktes Ski Nordisch starkgemacht, der seinen Sitz in Winterberg und Willingen hat und Teil der Olympia-Stützpunkte beider Länder ist.

Ein Top-Thema waren die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder. Experten der Forstverwaltung, die die Tour begleiteten, informierten über die Schäden infolge der Trockenheit. Es brauche Rückendeckung aus der Politik, sagte der Waldbauernpräsident in NRW, Philipp Freiherr Heeremann, zum nötigen Umbau des Forstes.

NRW stelle zur Bewältigung der Waldschäden und zur Wiederbewaldung allein in diesem Jahr rund 70 Millionen Euro Fördermittel bereit, betonte Wüst. Ein bereits 2022 aufgelegtes Sofortprogramm unterstütze die Waldbesitzer mit insgesamt zehn Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre.

Nach Angaben der Düsseldorfer Staatskanzlei ist die Holzwirtschaft in NRW einer der großen Wirtschaftszweige. Rund neun Prozent der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe seien hier tätig. Forst- und Holzwirtschaft erwirtschaften demnach einen Umsatz von 42 Milliarden Euro. Der Beitrag der Forst- und Holzwirtschaft zum Klimaschutz belaufe sich in NRW auf 18 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. In beiden Ländern ist zudem der Tourismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Zumindest bei ihrer gemeinsamen Wanderung bewiesen Wüst und Rhein, dass sie Herausforderungen trotzen können: Über Wurzeln und Pfützen stapften sie bei immer stärker werdendem Regen und Gegenwind in letztlich völlig durchnässten Hosen zum Ziel. Auch eine rund 350 Tiere starke Schafs- und Ziegenherde konnte die beiden Politiker nicht aus der Fassung bringen. «Oh, der war aber gemein», kommentierte Wüst lediglich das ruppige Verhalten eines Bocks - und setzte seinen Weg unbeirrt fort.

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