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Autohersteller stellen sich bei Diesel-Nachrüstungen quer

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Die Hardware-Nachrüstungen, Umbauten am Motor, sind Teil eines Maßnahmenpakets der Bundesregierung für bessere Luft in Städten. - © Sina Schuldt
Die Hardware-Nachrüstungen, Umbauten am Motor, sind Teil eines Maßnahmenpakets der Bundesregierung für bessere Luft in Städten. (© Sina Schuldt)

Berlin (dpa/rtr). Dieselbesitzer haben auch kurz vor dem Start ins neue Jahr keine Gewissheit über Hardware-Nachrüstungen bei älteren Dieselautos. Zwar legte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Freitag technische Vorschriften für die Umbauten vor.

Volkswagen aber reagierte umgehend: Der Branchenführer warnte vor einem höheren Verbrauch nach einer Umrüstung und vor negativen Folgen bei der Zuverlässigkeit der Autos: "Dies können wir als Automobilhersteller im Sinne unsere Kunden weder befürworten noch dafür haften. Deshalb raten wir von Hardware-Nachrüstungen ab."

BMW ist gegen Hardware-Nachrüstungen

"Alle uns bisher bekannten Konzepte weisen Nachteile für unsere Kunden auf, etwa Mehrverbrauch und damit erhöhte CO2-Emission, zum Teil auch Leistungsreduzierung", warnte Entwicklungsvorstand Frank Welsch. BMW halte Hardware-Nachrüstungen weiterhin für nicht zielführend, sagte ein Sprecher. Sie bedeuteten "generell mehr Gewicht, mehr Verbrauch und Auswirkungen auf die Leistung".

Scheuers Ministerium hatte am Freitag die technischen Vorschriften für die Nachrüstung festgelegt, mit der Fahrverbote von Fahrzeugen mit "Euro-4"- und Euro-5"-Dieselmotoren vermieden werden sollen. "Jetzt ist die Nachrüstindustrie am Zug, wirksame Systeme zu entwickeln, mit denen alle Grenzwerte und Vorschriften eingehalten werden", sagte der CSU-Politiker.

Autoindustrie will keine Gewährleistung übernehmen

Die Autoindustrie will aber keine Gewährleistung für umgerüstete Diesel übernehmen. "Wir können keine Garantie für ein Fahrzeug übernehmen, in das nachträglich Abgasreinigungssysteme Dritter eingebaut wurden", sagte der Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes. Verbraucherschützer forderten von den Autobauern ein Ende ihrer Blockadehaltung.

Die Umrüstungen sind Teil eines Maßnahmenpakets der Bundesregierung für bessere Luft. In vielen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte überschritten, eine Hauptursache sind Dieselabgase. Gerichte haben für mehrere Städte Fahrverbote angeordnet. Aus Sicht von Befürwortern senken die Nachrüstungen, bei denen ein Katalysator eingebaut wird, den Schadstoff-Ausstoß am wirksamsten.

Kompromiss auf Druck von SPD und Kanzleramt

Die Hersteller haben die Umbauten allerdings von Anfang an sehr skeptisch gesehen. Auch Scheuer hatte sich ablehnend geäußert. Er hatte aber auf Druck der SPD und des Kanzleramts im November mit den deutschen Herstellern einen Kompromiss erzielt. Dabei ging es vor allem um die Finanzierung der Nachrüstungen.

VW und Daimler hatten zugesagt, Dieselautos in 15 "Intensivstädten" mit einer besonders hohen Schadstoff-Belastung für bis zu 3.000 Euro pro Wagen mit einer Hardware nachrüsten zu lassen. Experten schätzen die Kosten inklusive Einbau auf etwa 3.000 Euro.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) forderte die Autobauer auf, umgehend SCR-Katalysatoren zuzulassen und anzubieten und die Garantie darauf auszuweiten. Das Risiko dürfe nicht auf die Kunden abgewälzt werden. "Es kann nicht sein, dass die Unternehmen, die den Abgasskandal verursacht haben, eine Lösung für Menschen mit kleinem Geldbeutel blockieren, weil sie darauf keine Lust haben", sagte Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim VZBV.

Hersteller von Katalysatoren halten die Nachrüstungen für machbar. Vorstandschef Marcus Hausser von der börsennotierten Baumot Group, zeigte sich zufrieden: "Die technischen Vorschriften für die Hardware-Nachrüstung sind wie erwartet und die Anforderungen an die Systeme im Rahmen des technisch Möglichen." Baumot habe bereits eine serienreife Lösung, die die Stickoxidemissionen auch in der Praxis um mehr als 90 Prozent reduzieren könne. Hubert Mangold vom Katalysatoren-Hersteller Oberland Mangold sagte, die Vorgaben seien sehr ambitioniert, aber erfüllbar. Der Katalysatoren-Zulieferer HJS Emission Technology fordert, die Hersteller bei der Finanzierung in die Pflicht zu nehmen.

Bereits nach dem Spitzentreffen im November hatte VW erklärt, der Konzern werde Hardware-Nachrüstungen nicht anbieten und Fahrzeughaltern auch nicht empfehlen. BMW ist komplett gegen die Nachrüstungen, will Dieselbesitzer aber nach Auslaufen der «Umtauschprämien» mit der gleichen Summe unterstützen - etwa für einen Neukauf. Es ist aber unklar, wie genau das funktionieren soll.

Für viele Kunden bleibt Ungewissheit

Die Hersteller und Scheuer setzen vor allem auf eine Erneuerung der Diesel-Flotte. Die Autobranche hatte höhere Kaufanreize für Kunden auf den Weg gebracht, die ihr altes durch ein neues Dieselauto ersetzen. Es ist aber fraglich, ob diese Prämien wirken und viele Kunden davon Gebrauch machen. Vor allem die SPD hatte argumentiert, dass sich viele Dieselbesitzer auch mit den «Umtauschprämien» keinen Neuwagen leisten könnten, und pochte auf Hardware-Nachrüstungen.

Für viele Kunden bleibt jedoch nach wie vor unklar, ob sie ihren Wagen überhaupt mit einer neuen Hardware nachrüsten lassen können. Ausländische Hersteller wollen sich daran nicht beteiligen. Und bis erste Fahrzeuge in die Werkstätten kommen, könnte es Monate dauern.

Nach den nun vorgelegten Vorschriften müssen die Hersteller zum Beispiel bestätigen, dass die Funktionsfähigkeit des Nachrüstsystems bei bestimmungsgemäßem Betrieb über eine Leistung von 100.000 Kilometern oder über eine Lebensdauer von bis zu fünf Jahren gewährleistet ist. Außerdem sollen nachgerüstete Fahrzeuge bei Messungen einen Grenzwert bei den Stickoxidemissionen von 270 Milligramm pro gefahrenem Kilometer unterschreiten.

Noch keine Genehmigungen für Hardware-Nachrüstungen

Dieser Wert ist insofern wichtig, weil die Bundesregierung festschreiben will, dass Diesel-Fahrzeuge der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 künftig von Fahrverboten ausgenommen werden - falls diese im Alltag nicht mehr als 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro gefahrenem Kilometer ausstoßen.

«Jetzt ist die Nachrüstindustrie am Zug, wirksame Systeme zu entwickeln, mit denen alle Grenzwerte und Vorschriften eingehalten werden», sagte Scheuer. Bisher liegen laut Ministerium noch keine vollständigen Anträge beim KBA für eine Genehmigung von Hardware-Nachrüstungen vor. Scheuer hatte  gesagt, die Entwickler der Nachrüstsysteme hätten gesagt, sie bräuchten sechs Monate: «Dann kann das KBA die Genehmigungen erteilen und dann kann möglichst schnell die Produktion und der Einbau erfolgen.»

Branchenverband will keine Verantwortung übernehmen

VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch erklärte am Freitag, es gebe bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wie sich nachträgliche Eingriffe in das Steuerungssystem, die Komponenten und die Fahrzeugarchitektur im Dauerbetrieb langfristig auswirkten. Für VW sei es wichtig, dass die Kunden ein zuverlässiges und gebrauchssicheres Fahrzeug nutzen könnten.

«Eine technisch nicht ausgereifte Nachrüstlösung kann wichtige Fahrzeugeigenschaften zum Nachteil unserer Kunden verändern», so Welsch. «Das Fahrzeug wird sehr wahrscheinlich mehr verbrauchen, an Leistung verlieren und auch lauter werden. Eine Umrüstung, die einen enormen technischen und zeitlichen Aufwand bedeutet, kann zu massiven Problemen bei der Zuverlässigkeit und damit bei der Kundenzufriedenheit sorgen.»

Der Präsident des Branchenverbandes VDA, Bernhard Mattes, sagte, Besitzer älterer Diesel könnten bei technischen Problemen nach einer Nachrüstung nicht mit Unterstützung der deutschen Hersteller rechnen: «Wenn ein Kunde sein Fahrzeug umbauen lässt, dann tragen er und der Nachrüster auch die Verantwortung für mögliche Folgeschäden.»

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